Leitsatz (amtlich)

Zahlungen im Rahmen einer sogenannten Erlöspoolung, die nicht leistungsbezogen sind, fehlt der Entgeltcharakter.

 

Normenkette

UStDB 1951 § 10 S. 2

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionsklägerin (Klägerin) unterhält zusammen mit anderen Zementfabriken eine gemeinsame Verkaufsstelle, die Zementverkaufsstelle ... (Verkaufsstelle). Diese lenkte den Absatz der Mitgliedswerke und verteilte die Aufträge. Von dieser erhielt die Klägerin auf Grund einer Vereinbarung unter den Mitgliedswerken

1. Ausgleichszahlungen für Klinkerzement,

2. Vergütungen für Schiffsverladungen und

3. Vergütungen für Zementlieferungen mit Spezialfahrzeugen.

Streitig ist, ob diese Zahlungen als Entgelte im Rahmen eines Leistungsaustausches gewährt worden sind.

Das FG hat im ersten Rechtsgang die Zahlungen unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 21. Juli 1960 V 139/57 (HFR 1961, 236) als einen leistungsunabhängigen innergesellschaftlichen Ausgleich (Erlöspoolung) angesehen.

Durch Urteil vom 16. Januar 1966 V R 2/66 hat der Senat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Dabei hat der Senat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Das FG habe verkannt, "daß auch eine innergesellschaftlich vereinbarte Zahlung Entgelt im Sinne des § 10 Satz 2 UStDB 1951 sein kann, wenn der Unternehmer für seine Lieferungen gegenüber der Gesellschaft einen von vornherein bestimmbaren, vom Umfang der Lieferungen abhängigen Anspruch auf Zahlung hat". In tatsächlicher Hinsicht habe das FG festzustellen, "wie die Abmachungen lauten, auf Grund deren die Zahlungen der Verkaufsstelle geleistet wurden, insbesondere, ob die Ansprüche der Steuerpflichtigen von vornherein dem Grunde nach bestimmt waren und nur in ihrer Höhe nachträglich festgestellt werden mußten, also leistungsabhängig waren ... oder ob die Zahlungen nur deshalb geleistet worden sind, weil die der Verkaufsstelle angeschlossenen Werke ihre Erlöse abführten und einen vom Umfange der Lieferung unabhängigen Anteil am Gewinn erhielten" oder ob die beteiligten Mitgliedswerke verpflichtet gewesen seien, wie im Falle des Urteils des Senats V 139/57, "die über den Durchschnittserlös hinausgehenden Mehrerlöse an die Gemeinschaft abzuführen, die sie ihrerseits an die Werke mit unterdurchschnittlichem Erlös weiterzuleiten hatte". Im ersten Falle sei der Entgeltcharakter der Zahlungen zu bejahen; in den beiden anderen Fällen fehle es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Zahlungen und einer Leistung.

Hierzu hat das FG im Urteil vom 10. März 1972 festgestellt:

Die der Verkaufsstelle angeschlossenen Werke erzielten für den Verkauf von Zement und Zementklinker unterschiedliche Nettoerlöse. Das lag daran, daß die Bruttoverkaufspreise vereinbarungsgemäß ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Frachtkosten, Rabatte, Skonti und Verpackungsauslagen für Zement einerseits und Zementklinker andererseits gleich waren. Die Bruttoverkaufspreise für Zementklinker waren ferner gegenüber dem Preis für fertigen Zement - bezogen auf die Herstellungskosten - unverhältnismäßig niedrig festgesetzt. Diese Unterschiede wurden von der Verkaufsstelle in der Weise berücksichtigt, daß über eine Berechnung der Nettoerlöse je Tonne Zement einerseits und Zementklinker andererseits die niedrigen Preise für Zementklinker aus den höheren Preisen für fertigen Zement ausgeglichen wurden. Aus dieser Berechnung ergaben sich sodann die Beträge, die die einzelnen Mitgliedswerke an die Verkaufsstelle zu zahlen oder von ihr zu erhalten hatten. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte hiernach

a) an die Verkaufsstelle zu zahlen:

1955 ... DM

1956 ... DM

1957 ... DM

b) von der Verkaufsstelle zu erhalten:

1955 ... DM

1956 ... DM

1957 ... DM.

Die unter b) bezeichneten Beträge hat der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (FA) als zusätzliche Entgelte für Klinkerlieferungen der Besteuerung zugrunde gelegt.

Hinsichtlich der Schiffsverladungen und für Lieferungen mit Spezialfahrzeugen, die besondere Kosten verursachten, hat das FG festgestellt, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin außerhalb der Poolungsberechnung erhalten hat

a) für Schiffsverladungen ... DM je Tonne abzüglich Vorfrachten und Mehrfracht, insgesamt

1955 ... DM

1956 ... DM

1957 ... DM

b) für Lieferungen in Spezialfahrzeugen ... DM je Tonne insgesamt

1956 ... DM

1957 ... DM.

Diese Beträge wurden von der Gesamtheit der Mitgliedswerke nach dem Versandschlüssel aufgebracht. An den aufgebrachten Beträgen war die Rechtsvorgängerin der Klägerin beteiligt

zu a)

1955 ... DM

1956 ... DM

1957 ... DM

zu b)

1955 ... DM

1956 ... DM

1957 ... DM.

Die Beträge, welche die Rechtsvorgängerin der Klägerin erhalten hat, hat das FA ebenfalls der Umsatzbesteuerung zugrunde gelegt.

Auf Grund dieser Feststellung kam das FG im zweiten Rechtsgang zu folgenden Ergebnissen:

1. Ausgleichszahlungen für Klinkerzement.

Zwischen den Ausgleichszahlungen und den Klinkerlieferungen bestehe ein Zusammenhang; sie bewirkten eine Preisauffüllung; die zur Klinkerlieferung herangezogenen Werke konnten mit einer bestimmten Aufbesserung rechnen; die Aussicht auf Aufbesserung war für den Entschluß, sich an den Klinkerlieferungen zu beteiligen, bedeutsam. Trotzdem handle es sich im vorliegenden Fall um eine "komplexe Erlöspoolung" mehrerer Unternehmer nach Art einer Gegenseitigkeitsversicherung. Sie bezwecke eine Gleichbehandlung aller Mitgliedswerke und deren gleichmäßige Teilnahme an den Risiken des Marktes. Wie bei der bloßen Frachtenpoolung (vgl. Urteil BFH V 139/57) führen die Werke mit überdurchschnittlichen Erlösen ihre Mehrerlöse ab, während die anderen Werke Ausgleichszahlungen erhielten.

2. und 3. Vergütungen für Schiffsverladung und Zementlieferungen in Spezialfahrzeugen.

Diese Vergütungen seien eindeutig und ausschließlich von den einschlägigen eigenen Umsätzen abhängig und daher leistungsbezogen.

Diese Beträge habe das FA daher mit Recht der Umsatzbesteuerung zugrunde gelegt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des FA, soweit das FG die Entgelteigenschaft der Ausgleichszahlungen für Klinkerzement verneint hat. Es trägt im wesentlichen folgendes vor: Im Hinblick auf die Tatsache, daß im vorliegenden Falle die Zementklinker liefernden Werke von vornherein wußten, daß ihnen der niedrige Verkaufspreis aufgebessert würde und dieser Umstand für ihren Entschluß, Klinkerlieferungen überhaupt auszuführen, ausschlaggebend war, bestehe zwischen den Ausgleichszahlungen und den Lieferungen von Zementklinker ein so enger Zusammenhang, daß der Entgeltcharakter der Ausgleichszahlungen bejaht werden müsse.

...

Das FA beantragt, die Vorentscheidung "hinsichtlich der Klinkerlieferungen aufzuheben",

...

...

Die Klägerin teilt hinsichtlich der Ausgleichszahlungen bei Klinkerzement im wesentlichen die Auffassung des FG, weist aber anhand von drei Beispielsberechnungen darauf hin, daß die Mitgliedswerke von vornherein nicht wissen konnten, ob und in welcher Höhe ihre Lieferungen von Zementklinker aufgebessert würden, da die Aufbesserung nicht nur von den eigenen Zementklinkerlieferungen, sondern auch von dem Umfang solcher Lieferungen durch die anderen Werke und dem Umfang der Lieferung von gemahlenem Zement abhängig war.

Soweit das Urteil des FG den Entgeltcharakter der Vergütung für Schiffsverladungen und Zementlieferungen mit Spezialfahrzeugen bejaht hat, hat die Klägerin Anschlußrevision eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß auch insoweit die "Ausgleichszahlungen eine Gemeinschaftshilfe im Sinne einer Gegenseitigkeitsversicherung auf innergemeinschaftlicher Grundlage" seien, auf welche das Urteil V 139/57 anzuwenden sei.

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuer

für 1955 auf ... DM

1956 auf ... DM

und 1957 auf ... DM

festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend weist das FA darauf hin, daß zum Entgelt auch das gehört, was ein anderer als der Empfänger der Leistung dem Unternehmer für die Lieferung und sonstige Leistung gewährt (§ 10 Satz 2 UStDB 1951). Der Senat teilt jedoch die Auffassung des FG, daß nach dessen Feststellungen bei den Ausgleichszahlungen für Zementklinker der Entgeltcharakter verneint werden muß und es sich vielmehr um die Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Erlöses der Mitgliedswerke (Erlöspoolung) handelt. Dies ergibt sich aus den Modalitäten, nach denen die Beträge berechnet wurden, welche die einzelnen Mitgliedswerke an die Verkaufsstelle zu zahlen oder von dieser zu erhalten hatten, sowie aus dem Zweck dieses Ausgleichs. Nach den Feststellungen des FG über die Berechnung des Ausgleichs ist der Ausgleich nicht allein von dem Umfang der Klinkerlieferungen abhängig, sondern beruht auf einer Fülle von Faktoren, zu denen auch der Umfang der Klinkerlieferungen gehört. Zu den anderen Faktoren gehören insbesondere der Umfang der Lieferung an gemahlenem Zement und die unterschiedliche Höhe der Frachten, Rabatte, Skonti und Verpackungskosten sowohl bei den Zement- als auch bei den Klinkerlieferungen. Die Beträge, welche die einzelnen Mitgliedswerke im Rahmen des Ausgleichs zu zahlen hatten und fordern konnten, ergaben sich aus den Relationen, in denen diese Faktoren bei den einzelnen Mitgliedswerken selbst und im Verhältnis der Mitgliedswerke zueinander standen. Je nach diesen Relationen konnten die Zahlungen der einzelnen Mitgliedswerke an die Verkaufsstelle oder die von dieser erhaltenen Beträge höher sein. Bei gleichen Relationen sind auch die zu zahlenden und zu empfangenden Beträge des einzelnen Mitgliedswerkes gleich. Zweck dieses komplizierten Ausgleichs ist, wie das FG zutreffend erkannt hat, alle Mitgliedswerke hinsichtlich des Verhältnisses des Nettoerlöses zu den Herstellungskosten gleichzustellen. Unter diesen Umständen kann insbesondere der für die Annahme des Entgeltcharakters der Ausgleichszablung erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen den im Rahmen des Ausgleichs empfangenen Beträgen und den Klinkerlieferungen nicht bejaht werden. Es handelt sich vielmehr, wie das FG richtig entschieden hat, um eine "Gemeinschaftshilfe im Sinne einer Gegenseitigkeitsversicherung auf innergesellschaftlicher Grundlage" im Sinne des Urteils des Senats V R 2/66, die einen Leistungsaustausch nicht beinhaltet.

Auch die Anschlußrevision ist unbegründet. Die Vergütungen für Schiffsverladungen und Zementlieferungen mit Spezialfahrzeugen wurden - wie das FG ausdrücklich festgestellt hat - "außerhalb der Poolungsrechnung" gewährt und betrugen für Schiffsverladung ... DM je Tonne zuzüglich der Vorfrachten und Mehrfrachten bei Verladungen über H und für Lieferungen mit Spezialfahrzeugen ... DM je Tonne. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Wenn das FG aufgrund dieser Feststellungen zu dem Ergebnis gekommen ist, daß diese Vergütungen "eindeutig und ausschließlich von den einschlägigen eigenen Umsätzen abhängig (leistungsbezogen)" sind, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70842

BStBl II 1974, 345

BFHE 1974, 564

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