Entscheidungsstichwort (Thema)

Angabe der ladungsfähigen Anschrift zur Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift

 

Leitsatz (NV)

1. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordert die Bezeichnung des Klägers unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift (tatsächlicher Wohnort). Dies gilt auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten wird.

2. Sofern die Klageschrift die erforderliche Angabe einer ladungsfähigen Anschrift nicht enthält, darf das FG zur Ergänzung eine Ausschlußfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO setzen und, wenn der Kläger die ihm gesetzte Frist ungenutzt verstreichen läßt, die Klage als unzulässig abweisen.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 65 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat die beim Finanzgericht (FG) erhobene Klage wegen Abrechnungsbescheiden und Erlaß von steuerlichen Nebenleistungen zunächst unter einer Anschrift in W eingereicht und später dem FG eine Adresse in F und -- nachdem zwei Zustellungsversuche unter diesen Adressen gescheitert waren -- auf zwei schriftliche Anfragen des Gerichts eine Anschrift in L mitgeteilt. Eine durch die Polizei auf Ersuchen des FG vorgenommene Wohnungsprüfung ergab, daß der Kläger in L ein möbliertes Zimmer angemietet hatte und sich die Post an seinen in F wohnhaften Bruder nachsenden ließ. Ein von der Gerichtskasse unternommener Vollstrekungsversuch unter der Anschrift in L blieb erfolglos. Auf Anfrage des FG nach dem Fortgang des Verfahrens und den noch ausstehenden Anträgen teilte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit, daß er mit dem Kläger trotz mehrfachen Bemühens keinen Kontakt habe aufnehmen können und daß er auch nicht wisse, wo dieser sich derzeit aufhalte.

Daraufhin forderte das FG den Prozeßbevollmächtigten mit Verfügung vom ... 1994 unter Setzung einer Ausschlußfrist gemäß § 65 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Klägers dessen Wohnanschrift mitzuteilen. Da sich der Prozeßbevollmächtigte hierzu nicht in der Lage sah, legte er gegenüber dem FG das Mandat nieder. Der Versuch des Berichterstatters, dem Kläger die Mandatsniederlegung unter der Anschrift in L mitzuteilen, scheiterte, da der Brief mit dem Vermerk des Postzustellers "unbekannt verzogen" zurückkam. Vor dem daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme, zu dem der Kläger durch öffentliche Bekanntmachung geladen worden war, zeigte der Prozeßbevollmächtigte dem FG seine erneute Bevollmächtigung an und beantragte wegen der Versäumung der Ausschlußfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zu seiner Entschuldigung führte der Kläger in der mündlichen Verhandlung u. a. aus, daß er seinen Wohnsitz in L nie aufgegeben und infolgedessen seine Adresse nicht bewußt geheimgehalten habe. Er räumte ein, sich seit 1990 überwiegend im Ausland aufgehalten und dort auch seinen Lebensmittelpunkt begründet zu haben.

Das FG wies die Klage wegen nicht ordnungsgemäßer Bezeichnung des Klägers als unzulässig ab. Zur Begründung führte das FG aus, daß zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Klägers auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift gehöre. Fehle diese erforderliche Angabe und lasse der Kläger eine ihm nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzte Ausschlußfrist zur entsprechenden Ergänzung der Klage ungenutzt verstreichen, sei die Klage als unzulässig abzuweisen. Dies gelte auch dann, wenn eine Klage zunächst unter einer zutreffenden Anschrift erhoben worden sei und der Kläger nach einem Umzug die neue Adresse gegenüber dem Gericht bewußt geheimhalte. Im vorliegenden Fall habe sich der Kläger spätestens seit 1990 nicht mehr an seinem angegebenen Wohnort in L, sondern vorwiegend im Ausland aufgehalten und seine tatsächliche Wohnanschrift dem Gericht verschwiegen. Auch könne dem Kläger wegen des Unterlassens der Angabe der Wohn anschrift innerhalb der ihm gesetzten Ausschlußfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da er sich das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse. Dem Prozeßbevollmächtigten hätte es u. a. oblegen, weitere Anstrengungen zu unternehmen und zu versuchen, mit dem Kläger unter der dem Prozeßbevollmächtigten bekannten Adresse im Ausland Kontakt aufzunehmen; im übrigen trage auch der Kläger ein Verschulden an der Fristversäumung.

Mit der Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 65 FGO. Da die Angabe der ladungsfähigen Anschrift zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Klägers nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht notwendig sei, habe das FG keine Ausschlußfrist setzen dürfen. Das FG habe auch übersehen, daß die Klage vor der Novellierung des § 65 Abs. 2 FGO erhoben worden sei und die neue Regelung über die Setzung einer Ausschlußfrist daher keine Anwendung finden könne. Zu Unrecht habe das FG ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten angenommen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwehrt. Es habe kein Anlaß bestanden, dem Prozeß bevollmächtigten des Klägers aufzugeben, Nachforschungen über den tatsächlichen Aufenthaltsort des Klägers anzustellen. Darüber hinaus treffe ihn -- den Kläger -- an der Versäumung der Frist kein Verschulden, da er einen Nachsendeantrag gestellt habe. Den entsprechenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung und den diesbezüglichen Inhalt einer eidesstattlichen Versicherung habe das FG unberücksichtigt gelassen und unter Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt.

Der Kläger stellt den Antrag, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er ist der Ansicht, die Bezeichnung des Klägers nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordere auch die Angabe des tatsächlichen Wohnortes. Nur mit dieser Angabe sei eine eindeutige Identifizierung des Klägers und eine sachgerechte Ermessensentscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens möglich. Schließlich komme der Angabe der Anschrift auch im Rahmen der Zustellung des Urteils und der etwaigen Vollstreckung einer Kostenrechnung besondere Bedeutung zu. Zu Recht habe das FG auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da der Kläger seine Anschrift schuldhaft nicht angegeben habe. Der Hinweis auf einen angeblich gestellten Nachsendeantrag reiche zu seiner Entlastung nicht aus.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG durfte dem Kläger zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift eine Ausschlußfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO setzen und die Klage nach Ablauf dieser Frist als unzulässig abweisen. Auch hat das FG zu Recht entschieden, daß im Streitfall eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen Versäumung der Ausschlußfrist nicht in Betracht kommt.

1. Sofern die Klageschrift eine nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderliche Angabe nicht enthält, besteht für das Gericht die Möglichkeit, dem Kläger nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO für die Ergänzung des Klageinhalts eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen. Wird der Mangel vor Ablauf dieser Frist nicht geheilt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

1. Sofern die Klageschrift eine nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderliche Angabe nicht enthält, besteht für das Gericht die Möglichkeit, dem Kläger nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO für die Ergänzung des Klageinhalts eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen. Wird der Mangel vor Ablauf dieser Frist nicht geheilt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind mit der am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Neufassung des § 65 Abs. 2 FGO (vgl. Art. 1 Nr. 11, 9 des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109) die Anforderungen an den notwendigen Klageinhalt -- mit der Folge einer etwaigen unzulässigen Rückwirkung auf vor dem Stichtag erhobene Klagen -- nicht geändert worden. Die Neufassung bewirkte lediglich eine in die Zukunft gerichtete Erweiterung der dem Gericht zustehenden Befugnisse, mit denen ein Kläger zur ordnungsgemäßen Klageerhebung angehalten werden kann. Daher findet die Präklusionsvorschrift des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO auf seit dem 1. Januar 1993 gesetzte Ausschlußfristen auch dann Anwendung, wenn die angefochtene Verwaltungsentscheidung vor dem 1. Januar 1993 bekanntgegeben worden ist (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 65 Rdnr. 1). Im Streitfall steht somit die vor dem Stichtag getroffene Einspruchsentscheidung und Klageerhebung der Anwendbarkeit des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO auf die am ... 1994 gesetzte Ausschlußfrist nicht entgegen.

2. Entgegen der Rechtsansicht der Revision erfordert eine ordnungsgemäße Klageerhebung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO die Bezeichnung des Klägers unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift (tatsächlicher Wohnort). Dies gilt auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten wird.

a) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gehört zu den Essentialien einer zulässigen Klage auch die Bezeichnung der Beteiligten. In welcher Weise die Beteiligten zu bezeichnen sind, schreibt § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO allerdings nicht vor. Rückschlüsse auf die zur Klägerbezeichnung erforderlichen Angaben lassen sich indes aus der Bedeutung der Klage für das finanzgerichtliche Verfahren ziehen. Mit Einreichung der Klageschrift verleiht der Kläger seinem auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer hoheitlichen Maßnahme gerichteten Rechtsschutzbegehren Ausdruck und setzt ein gerichtliches Verfahren in Gang, bei dem an der Rechtsfindung -- anders als im Zivilprozeß -- auch ein öffentliches Interesse besteht (vgl. Gräber/von Groll, a. a. O., § 65 Rdnr. 15). Daher wird das finanzgerichtliche Verfahren nicht wie der Zivilprozeß vom Verhandlungs-, sondern vom Untersuchungsgrundsatz geprägt. Zur Vorbereitung seiner Entscheidung obliegt dem FG gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO die Pflicht, den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären. Dabei sind nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO auch die Beteiligten heranzuziehen. Die Bezeichnung der Beteiligten in der Klageschrift ist daher nicht nur für die zweifelsfreie Identifizierung der Prozeßbeteiligten und die eindeutige Fixierung des Prozeßverhältnisses, sondern auch für eine ordnungsgemäße und sachgerechte Prozeßführung von Bedeutung. Denn zur Vorbereitung seiner Entscheidung kann das Gericht z. B. das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen (§ 80 Abs. 1 FGO) und dessen Mitwirkung ggf. durch die Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld durchsetzen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens liegt dabei im Ermessen des FG, das dieses nur in Kenntnis des tatsächlichen Aufenthaltsortes des Beteiligten sachgerecht ausüben kann.

Auch das Erfordernis der persönlichen Zustellung des Beschlusses (Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 80 FGO Tz. 2), mit dem das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet wird, erfordert die Kenntnis der ladungsfähigen Anschrift. Darüber hinaus ist die Anschrift (Wohnort) nach § 105 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung anzugeben, die gemäß § 151 Abs. 2 FGO auch als Vollstreckungstitel Bedeutung erlangen kann (vgl. zu diesen Aspekten Beschluß des FG Rheinland-Pfalz vom 9. September 1985 5 V 14/85, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1986, 134). Zu Recht fordert daher die überwiegende Meinung in der steuerrechtlichen Literatur neben der Namensangabe auch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift (Gräber/von Groll, a. a. O., § 65 Rdnr. 25; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 65 FGO Tz. 2 a; Bittner, Finanzgerichtsordnung, § 65 Rdnr. 10; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 65 FGO Rdnr. 3 a; Maeder/Mittelsteiner, Finanzgerichtsordnung, § 65 Anm. II 1; a. A. Lindberg in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 65 Anm. 4).

Auch wenn der Kläger mit der Wahrnehmung seiner Rechte einen Prozeßbevollmächtigten beauftragt hat, ist an dem Erfordernis der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift zumindest in den Fällen festzuhalten, in denen das Gericht der Kenntnis des tatsächlichen Wohnortes -- wie im Streitfall -- eine für die weitere Prozeßführung entscheidende Bedeutung beimißt und dieser Umstand dem Kläger oder dessen Prozeßbevollmächtigten bekannt ist. Im Regelfall ist ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung des Wohnortes im finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht anzuerkennen. Im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat der Kläger dafür Sorge zu tragen, daß er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnortes und Lebensmittelpunktes für das Gericht erreichbar bleibt und somit begründete Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Rechtsschutzbegehrens nicht entstehen können (vgl. Urteil des Hessischen FG vom 19. August 1985 12 K 13--15/85, EFG 1985, 621). Kommt der Kläger diesen Anforderungen bei Einreichung der Klageschrift oder anläßlich einer danach eintretenden Änderung in seinen persönlichen Verhältnissen nicht nach, kann dies wie im Streitfall zur Unzulässigkeit der Klage führen (vgl. Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 65 FGO Rz. 37).

Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat, daß es bei Anfechtungsklagen keiner Angaben über den Namen des Klägers hinaus bedürfe, wenn der Beklagte und -- nach Vorlage der Akten (§ 71 Abs. 2 FGO) -- das Gericht aus der Bezeichnung des Klägers sowie der Angabe des angefochtenen Verwaltungsaktes und der Einspruchsentscheidung ohne Schwierigkeiten feststellen könnten, wer der Kläger sei (vgl. BFH-Urteil vom 5. April 1978 II R 22/74, nicht veröffentlicht), rechtfertigt dies keine andere Beurteilung des vorliegenden Falles. Denn wie das FG durch eigene Nachforschungen festgestellt hat, stimmten im Streitfall die Angaben des Klägers nicht mit der Wirklichkeit überein, so daß Anlaß bestand, an dessen Identität zu zweifeln. Auch aus den vorgelegten Steuerakten war die neue Wohnanschrift nicht ersichtlich.

b) Das zu § 65 Abs. 1 FGO gefundene Auslegungsergebnis deckt sich mit den von der Rechtsprechung zu § 82 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entwickelten Grundsätzen. In einem vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschiedenen Fall (Beschluß vom 15. März 1984 19 B 20186/84, Die öffentliche Verwaltung -- DÖV -- 1984, 893, m. w. N.) hatte die Vorinstanz eine Unzulässigkeit der Berufung und damit eine Erledigung des Asylverfahrens nach § 33 des Asylverfahrensgesetzes deshalb angenommen, weil der durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Kläger einer gerichtlichen Aufforderung zur Angabe seiner neuen Anschrift nicht nachgekommen war. Unter Hinweis auf § 82 Abs. 1 VwGO -- der als Vorbild für die Fassung des § 65 Abs. 1 FGO diente (zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1992 VI R 162/88, BFHE 169, 507, 510, BStBl II 1993, 306) -- hat das OVG diese Entscheidung bestätigt und dazu ausgeführt, daß der Kläger dergestalt individualisiert werden müsse, daß Verwechslungen ausgeschlossen seien und jeder Dritte, z. B. auch ein Postzustellungs- oder Vollstreckungsbeamter, den Kläger ohne weiteres ermitteln könne; deshalb gehöre zur Bezeichnung des Klägers als Voraussetzung für eine zulässige Berufung die Angabe der ladungsfähigen Anschrift. Auch im Schrifttum zu § 82 Abs. 1 VwGO wird die Auffassung vertreten, daß die Zulässigkeit der Klage die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers zwingend erfordere (Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 82 Rdnr. 1 a; Ortloff in Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, § 82 Rdnr. 4; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., § 82 Rdnr. 3).

c) Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu der § 65 Abs. 1 FGO und § 82 Abs. 1 VwGO entsprechenden zivilprozessualen Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weist in diese Richtung. Der BGH erachtet auch für den Fall der Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers für unverzichtbar (vgl. BGH-Urteil vom 9. Dezember 1987 IV b ZR 4/87, BGHZ 102, 332). Mit dieser Angabe dokumentiere der Kläger seine Bereitschaft, im Gerichtstermin persönlich zu erscheinen und sich auch etwaigen nachteiligen Folgen der Rechtsverfolgung (z. B. Kostenpflicht im Falle des Unterliegens) zu stellen. Darüber hinaus könne das Gericht sein Ermessen bei der Entscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers nur dann sachgerecht ausüben, wenn ihm auch der Aufenthaltsort bekannt sei. Auch die herrschende Meinung im zivilprozessualen Schrifttum vertritt die Ansicht, die Angabe der Anschrift gehöre zu den zwingenden Voraussetzungen einer zulässigen Klage (Leipold in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Bd. 2 1994, § 130 Rdnr. 4; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl., § 253 Rdnr. 23; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl., § 253 Anm. G I a 1).

3. Im Streitfall hat das FG dem Kläger somit zu Recht eine Ausschlußfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Angabe der ladungsfähigen Anschrift gesetzt. Dabei ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Ausschlußfrist nicht unmittelbar nach Klageerhebung, sondern erst erheblich später anläßlich der aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Wohnortfeststellung gesetzt worden ist. Als Sachurteilsvoraussetzungen sind die zulässigkeitsbegründenden Essentialien einer Klage in jeder Lage des Verfahrens zu beachten. Daher konnte das FG den Kläger auch zu einem späteren Zeitpunkt zur Ergänzung bzw. Vervollständigung des notwendigen Klageinhalts auffordern.

Im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht oblag es dem Kläger, die durch mehrere schriftliche Anfragen und polizeiliche Aufenthaltsermittlungen bekundeten Zweifel des FG an der zutreffenden Angabe des Wohnortes und der ordnungsgemäßen Klageerhebung auszuräumen. Auch hatte er dafür Sorge zu tragen, daß das FG eine etwaige Entscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 80 FGO auf der Grundlage von gesicherten Erkenntnissen hätte treffen können. Indes hatte der Kläger nach den Feststellungen des FG und seinen eigenen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung seinen Lebensmittelpunkt und damit seinen tatsächlichen Wohnort spätestens 1990 in das Ausland verlegt, ohne den veränderten Umständen in seinen persönlichen Verhältnissen durch eine Ergänzung der Klageschrift Rechnung zu tragen. Da die notwendige Ergänzung auch innerhalb der Ausschlußfrist nicht erfolgt ist, war das FG berechtigt, die Klage als unzulässig abzuweisen.

4. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Entscheidung der Vorinstanz, dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) zu versagen. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die den Schluß zuließen, ihn oder seinen Prozeßbevollmächtigten treffe kein Verschulden an der Fristversäumung. Seine Behauptung, er habe in L einen Nachsendeantrag gestellt und sei über diesen auch an seinem Wohnort im Ausland erreichbar gewesen, vermag die Versäumung der Frist nicht zu entschuldigen, da es der Angabe der tatsächlichen Anschrift gegenüber dem FG bedurft hätte. Die möglicherweise vom Kläger veranlaßte Nachsendung der an ihn gerichteten Post ist deshalb nicht geeignet, eine ausreichende Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift zu ersetzen. Deshalb liegt auch der von der Revision gerügte Aufklärungsmangel nicht vor; das FG brauchte keinen Beweis darüber zu erheben, ob der Kläger tatsächlich einen Nachsendeantrag gestellt hatte.

Rechtlichen Bedenken begegnet schließlich auch nicht die Schlußfolgerung des FG, daß sich der Kläger -- neben seinem eigenen Verschulden -- auch ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten habe zurechnen lassen müssen (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; vgl. hierzu Tipke/Kruse, a. a. O., § 56 FGO Tz. 4 ff., m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann bei der Beteiligung von rechtskundigen Prozeßbevollmächtigten die Fristversäumung nur dann als entschuldigt angesehen werden, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (Senatsbeschluß vom 23. Mai 1989 VII R 67/88, BFH/NV 1990, 244). Unter diesen Gesichtspunkten ist die Würdigung des FG nicht zu beanstanden, dem Prozeßbevollmächtigten sei es zumutbar gewesen, ein weiteres Schreiben an die ihm spätestens seit dem 8. September 1992 bekannte Adresse im Ausland zu richten und damit -- noch vor der vom FG als unwirksam erachteten Mandatsniederlegung -- sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten für eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger auszuschöpfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422056

BFH/NV 1997, 585

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