Leitsatz (amtlich)

Veräußern die Gesellschafter einer Personengesellschaft ein Schiff, das in ihrem Miteigentum (Bruchteilseigentum) steht und dem Betrieb der Personengesellschaft dient (Sonderbetriebsvermögen), so kann jeder Gesellschafter den auf ihn entfallenden Gewinnanteil nach Maßgabe des § 6 b EStG von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes abziehen, das er für das Betriebsvermögen eines von ihm betriebenen gewerblichen Einzelunternehmens anschafft oder herstellt.

 

Normenkette

EStG §§ 6b, 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Personengesellschaft, die unter der Firmenbezeichnung Partenreederei Schiffe -die Binnenschiffahrt betreibt. Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren 1970 bis 1972 A zu 50 v. H., B zu 25 v. H. und C zu 25 v. H.

A betrieb außerdem als Einzelunternehmer ein Binnenschiffahrtsunternehmen. Im Dezember 1970 veräußerten die Gesellschafter der Klägerin das Schiff "H" (alt), das ihnen zu Miteigentum nach Bruchteilen gehörte und dem Betrieb der Klägerin diente, sie erzielten dabei einen buchmäßigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 756 163 DM.

Bereits im Juli 1970 hatte A als Einzelunternehmer das Motorschiff "M" (später "H" - neu -) erworben und dieses im Rahmen seines Einzelunternehmens als Güterfrachtschiff eingesetzt. Mit Vertrag vom 23. Dezember 1970 veräußerte A einen Hälfteanteil an dem Motorschiff "M" an B und C zum Gesamtpreis von 455 000 DM. Gleichzeitig überführte A den ihm verbliebenen Hälfteanteil an dem Schiff in das (Sonder-)Betriebsvermögen der Klägerin; diese führte den bisherigen Buchwert des Hälfteanteils des A von 412 313 DM fort. Das Schiff diente fortan dem Betrieb der Klägerin.

1972 wurde das zwischenzeitlich in "H" (neu) umbenannte Schiff in ein ... Schiff umgebaut.

In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1970 ging die Klägerin davon aus, daß hinsichtlich des Motorschiffs "H" (neu) insgesamt ein Anschaffungsgeschäft zu Anschaffungskosten von 455 000 DM zuzüglich Selbstverbrauchsteuer (Hälfteanteil C und B) + 412 313 DM (fortgeführter Buchwert des Hälfteanteils von A) vorliege. Von den danach angenommenen Anschaffungskosten von zusammen 894 613 DM setzte die Klägerin gemäß § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung des Schiffes "H" (alt) von 756 163 DM und eine bereits früher gebildete Rücklage nach § 6b EStG aus der Veräußerung des Schiffes "M" in Höhe von 356 926 DM mit der Maßgabe ab, daß sie für Schiff und Motor lediglich einen Erinnerungswert von 1 DM ansetzte und daneben eine restliche § 6b-Rücklage in Höhe von 218 497 DM auswies. Diese Rücklage setzte die Klägerin in 1972 von den mit 479 347 DM errechneten Kosten für den Umbau des Schiffes ab.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, daß hinsichtlich des Hälfteanteils des Gesellschafters A am Schiff "H" (neu) kein Anschaffungsgeschäft vorliege, sondern eine "Einlage" aus einem anderen Betriebsvermögen. Demgemäß könne von dem fortgeführten Buchwertanteil von 412 313 DM weder der auf A entfallende Anteil am Gewinn aus der Veräußerung des Schiffes "H" (alt) noch der auf A entfallende Anteil an der § 6b-Rücklage aus der Veräußerung des Schiffes "M II" abgezogen werden. Im Streitjahr 1972 seien allerdings Umbaukosten von 522 848 DM angefallen. Der Hälfteanteil des Gesellschafters A betrage 261 424 DM. Von diesem Betrage könne die aus der Veräußerung des Schiffes "H" (alt) verbliebene anteilige § 6b-Rücklage des Gesellschafters A von 37 808 DM abgezogen werden. Der verbleibende Betrag von 116 657 DM sei jedoch gewinnerhöhend aufzulösen, weil eine Übertragung auf Investitionen der Klägerin innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht mehr in Betracht komme. Auf dieser Grundlage erließ das FA Gewinnfeststellungsbescheide für 1970 bis 1972.

Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

Die Klage, deren Ziel darauf gerichtet war, bei der Gewinnermittlung für 1970 bis 1972 die "Einlage" des Gesellschafters A als Anschaffungsgeschäft i. S. des § 6b EStG anzuerkennen und "die bestehende § 6b EStG-Rücklage" des Gesellschafters A hierauf zu übertragen, hatte im Ergebnis Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Überführung des Hälfteanteils des Gesellschafters A am Schiff "H" (neu) aus dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens in das Betriebsvermögen der Klagerin zwar kein Anschaffungsgeschäft sei. A gelange jedoch im Ergebnis zu dem angestrebten Bilanzansatz, weil er den auf ihn entfallenden Anteil am Gewinn aus der Veräußerung des Schiffes "H" (alt) bereits bei seinem Einzelunternehmen auf die Anschaffungskosten für das Schiff "H" (neu) übertragen könne; mit dem sich hieraus ergebenden Buchwert sei sodann der Hälfteanteil des A in das Betriebsvermögen der Klägerin eingegangen.

Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt die Verletzung des § 6b EStG.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Gemäß § 6b Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige die bestimmte Wirtschaftsgüter (z. B. auch Schiffe) veräußern, im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter (z. B. abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter wie u. a. Schiffe), die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung "angeschafft" oder hergestellt worden sind, einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen.

1. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die Klägerin als solche das Schiff "H" (neu), früher "M" genannt, nicht "angeschafft" hat und daß deshalb für die Klägerin und ihre Gesellschafter die Voraussetzungen des § 6b EStG insoweit nicht erfüllt sind.

a) Zu Recht macht die Revision des FA allerdings geltend, daß die Klägerin entgegen der von ihr geführten Geschäftsbezeichnung keine Partenreederei i. S. von § 489 HGB ist, denn das Schiff "H" (neu) wurde von den Gesellschaftern der Klägerin nicht "zum Erwerb durch die Seefahrt" für gemeinschaftliche Rechnung, sondern zum Erwerb durch Binnenschiffahrt verwendet.

Die Klägerin hat vielmehr die Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) oder einer OHG. Das Schiff ist jedoch sachenrechtlich nicht Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) der Klägerin; es steht vielmehr unstreitig ausweislich der Eintragung im Binnenschiffsregister des Amtsgerichts X im Miteigentum (Bruchteilseigentum) der Gesellschafter der Klägerin. Hieraus folgt einkommensteuerrechtlich, daß das Schiff nicht Betriebsvermögen der Klägerin als solcher ist, sondern daß vielmehr die Miteigentumsanteile der Gesellschafter der Klägerin deren Sonderbetriebsvermögen sind. Demgemäß ist unerheblich, daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einkommensteuerrechtlich die für Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens einer OHG entwickelten Rechtsgrundsätze sinngemäß auf Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens einer Partenreederei anzuwenden sind, unabhängig von der sachenrechtlichen Problematik der Partenreederei (dazu insbesondere Schaps/Abraham, Seehandelsrecht, 4. Aufl., § 489 HGB Rdnrn. 4, 12 und 13; ferner BFH-Urteil vom 10. Juli 1980 IV R 12/80, BFHE 131, 324, BStBl II 1981, 90).

b) Anschaffung i. S. von § 6b EStG ist der entgeltliche Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut, so wie umgekehrt eine Veräußerung i. S. von § 6b EStG die entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut ist. Wird ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen desselben Steuerpflichtigen, oder umgekehrt aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt, so handelt es sich dabei nicht um Anschaffungen oder Veräußerungen i. S. des § 6b EStG; entsprechendes gilt, wenn ein Wirtschaftsgut aus einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 6b EStG Anm. 146 und 123; ferner z. B. BFH-Urteil vom 24. Mai 1973 IV R 23-24/68, BFHE 109, 230, BStBl II 1973, 582, 585).

c) Der Senat hat allerdings entschieden, daß eine Veräußerung und ein insgesamt nach § 6b EStG begünstigungsfähiger Veräußerungsgewinn vorliegt, wenn eine Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut aus dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) an einen Gesellschafter zu Bedingungen veräußert, die bei entgeltlichen Veräußerungen zwischen Fremden üblich sind (BFH-Urteil vom 10. Juli 1980 IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84). Daraus folgt, daß umgekehrt eine Anschaffung i. S. von § 6b EStG gegeben ist, wenn eine Personengesellschaft für ihr Gesellschaftsvermögen von einem Gesellschafter ein Wirtschaftsgut zu Bedingungen erwirbt, die bei einem entgeltlichen Erwerb zwischen Fremden üblich sind.

Diese Rechtsprechung ist jedoch im Streitfall nicht einschlägig. Denn die Klägerin hat das Schiff "H" (neu) nicht für ihr Gesellschaftsvermögen

zu Bedingungen erworben, die bei einem entgeltlichen Erwerb zwischen Fremden üblich sind. Vielmehr hat A im Dezember 1970 einen Miteigentumsanteil an die damaligen Mitgesellschafter B und C entgeltlich veräußert und den ihm verbliebenen Miteigentumsanteil aus dem Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens in sein Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin zu Buchwerten überführt. Das ist keine Anschaffung i. S. von § 6b EStG des Schiffes durch die Klägerin.

2. Der Vorentscheidung ist des weiteren darin zu folgen, daß K berechtigt war, gemäß § 6b Abs. 1 EStG einen Betrag in Höhe seines Anteils an dem Gewinn aus der Veräußerung des Schiffes "H" (alt) von den Anschaffungskosten seines hälftigen Miteigentumsanteils an dem Schiff "H" (neu) abzuziehen.

a) Das im Dezember 1970 veräußerte Schiff "H" (alt) gehörte sachenrechtlich nicht der Klägerin als solcher, sondern den Gesellschaftern der Klägerin als Miteigentümer zu Bruchteilen. Die Miteigentumsanteile waren demgemäß einkommensteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter der Klägerin.

b) Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob Gewinne aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts, das zum Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer Personenhandelsgesellschaft oder einer GdbR gehörte, gemäß § 6b EStG von den Gesellschaftern dieser Personengesellschaft anteilig auch von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern abgezogen werden können, die ein Gesellschafter für das Betriebsvermögen eines ihm gehörigen gewerblichen Einzelunternehmens anschafft oder herstellt, so, wie dies nunmehr auch die Finanzverwaltung in Abschn. 41 b Abs. 5 Nr. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1978 annimmt - im Gegensatz zur früheren Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 41 b Abs. 5 EStR 1969) -.

Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 6b EStG ist jedenfalls davon auszugehen, daß nicht nur Reinvestitionen im selben Betriebsvermögen begünstigt sind, sondern vielmehr auch Reinvestitionen in einem anderen Betriebsvermögen des selben Steuerpflichtigen. § 6b EStG ist eine personenbezogene Steuervergünstigung, die u. a. voraussetzt, daß das Wirtschaftsgut mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Betriebsvermögen gerade des veräußerten Steuerpflichtigen, also zum Anlagevermögen irgendeines (gewerblichen) Betriebs dieses Steuerpflichtigen gehörte (BFH-Urteil in BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84). Bei Wirtschaftsgütern, die im Bruchteilseigentum mehrerer Steuerpflichtiger stehen und bei denen der Miteigentumsanteil Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft ist, kann als veräußernder Steuerpflichtiger aber nur der Miteigentümer hinsichtlich seines Miteigentumsanteils angesehen werden. Demgemäß ist es zulässig, daß Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern abgezogen werden, die dieser Gesellschafter für ein daneben betriebenes Einzelunternehmen anschafft oder herstellt.

c) Entgegen den Ausführungen der Revision ist es auch nicht erforderlich, daß der auf A entfallende Anteil am Gewinn aus der Veräußerung des Schiffes "H" (alt) von den gesamten ursprünglichen Anschaffungskosten abgezogen wird, die für A als Einzelunternehmer vor Veräußerung seines Miteigentumsanteils an B und C entstanden sind. Das Gesetz fordert lediglich, daß der Betrag im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter abgezogen wird, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafft worden sind.

Das Gesetz erachtet es für ausreichend, daß der Abzug von den Anschaffungskosten der am Bilanzstichtag des fraglichen Wirtschaftsjahres vorhandenen Wirtschaftsgüter vorgenommen wird, sofern nur diese Wirtschaftsgüter während des Wirtschaftsjahres angeschafft wurden. Eine besondere Regelung, wann der Abzug von den während des Wirtschaftsjahres angeschafften Wirtschaftsgütern vorgenommen werden muß, etwa bereits im Zeitpunkt der Anschaffung, enthält das Gesetz nicht. Es wird demgemäß allgemein für zulässig angesehen, daß der Abzug erst bei der Bilanzierung, und nicht bereits in der laufenden Buchführung, vorgenommen wird (z. B. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 6b Anm. 10; offensichtlich auch Herrmann/Heuer, a. a. O., § 6b EStG Anm. 160). Aus der Maßgeblichkeit des Bilanzstichtags für die Auswahl der Wirtschaftsgüter, von denen der Abzug vorgenommen werden kann und vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Bilanzierung tatsächlich vorgenommen wird, folgt dann aber weiter, daß auch die Anschaffungskosten dieser Wirtschaftsgüter nach Maßgabe der Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich sein müssen. Ist demgemäß der Steuerpflichtige am Bilanzstichtag, zu dem der Abzug vorgenommen werden muß, nur noch zu einem Bruchteil Miteigentümer eines während des Wirtschaftsjahres angeschafften Wirtschaftsgutes, so ist der Abzug nur von den Anschaffungskosten des dem Steuerpflichtigen verbliebenen Bruchteils vorzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413553

BStBl II 1981, 430

BFHE 1981, 534

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