Leitsatz (amtlich)

Das der Witwe eines Knappschaftsarztes zustehende Ruhegeld ist weder nach § 111 Nr. 1 noch nach § 111 Nr. 3 BewG 1965 von der Vermögensteuer freigestellt (Anschluß an Urteil vom 20. Juni 1969 III R 64/66, BFHE 96, 120, BStBl II 1969, 544).

 

Normenkette

BewG 1965 § 110 Abs. 1 Nr. 4, § 111 Nrn. 3, 9

 

Tatbestand

Die im Jahre 1908 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Witwe eines Knappschaftsarztes. Sie erhält von der Ruhrknappschaft ein jährliches Ruhegehalt von ... DM.

Bei den Vermögensteuerveranlagungen auf den 1. Januar 1970, 1. Januar 1971 und 1. Januar 1972 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) das kapitalisierte Ruhegeld als sonstiges Vermögen an. Nach Abzug eines Freibetrages von 3 600 DM ermittelte das FA den Kapitalwert zum 1. Januar 1970 und 1971 auf ... DM und zum 1. Januar 1972 auf ... DM.

Die Klägerin ist der Ansicht, daß das Ruhegeld nicht zum sonstigen Vermögen gehört. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 111 Nr. 3 des Bewertungsgesetzes 1965 - künftig mit BewG bezeichnet -. Sie macht im wesentlichen geltend, bei wirtschaftlicher Betrachtung handele es sich um eine Rente aus einer Rentenversicherung, da das Ruhegeld eindeutig auf die Versorgung im Alter abgestellt sei. Unerheblich sei, ob die Bezüge von der Höhe gezahlter Prämien oder von der Beschäftigungsdauer des Knappschaftsarztes abhingen. Der Begriff der Rentenversicherung sei hier weit auszulegen. Der Gesetzgeber habe ganz allgemein die auf einer Rente beruhende Altersversorgung begünstigen wollen. Zu Unrecht habe deshalb das FG darauf abgestellt, ob das Ruhegehalt der Klägerin von der Höhe gezahlter Prämien abhänge. Im übrigen richte sich die Höhe der Ruhegelder der Knappschaftsärzte ab 1960 nicht mehr nach der Dauer der Tätigkeit für die Knappschaft, sondern allein nach der Leistung des Knappschaftsarztes.

Auch aus § 111 Nr. 9 BewG ergebe sich, daß das Ruhegeld eines Knappschaftsarztes steuerfrei bleiben müsse. Aus dem dort verwandten Begriff "Renten und andere wiederkehrende Nutzungen" folge, daß als Renten i. S. dieser Vorschrift nur wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen, und zwar aus der Umschichtung anderen Vermögens, z. B. dem Verkauf von Grundbesitz, in Betracht kommen könnten. Da es sich bei dem hier streitigen Ruhegeld nicht um eine Vermögensumschichtung handele, falle es nicht unter § 111 Nr. 9 BewG, sondern unter § 111 Nr. 3 BewG.

Die Klägerin beantragt,

1. die Vorentscheidung aufzuheben,

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach der Regel des § 110 Abs. 1 BewG gehören zum sonstigen Vermögen grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter, die nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen gehören. Gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG gehört "insbesondere" der Kapitalwert von Rechten auf Renten zum sonstigen Vermögen. Hiervon läßt § 111 BewG nur unter bestimmten, im Gesetz einzeln aufgeführten Voraussetzungen, Ausnahmen zu. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 111 Nr. 1 oder Nr. 3 BewG, die hier allein in Betracht kommen könnten, nicht vor.

1. Zu Recht hat das FG zunächst die Voraussetzungen des § 111 Nr. 1 BewG nicht für gegeben erachtet. Der Senat hat in seinem Urteil vom 20. Juni 1969 III R 64/66 (BFHE 96, 120, BStBl II 1969, 544; vgl. ferner Urteil vom 26. Oktober 1970 III R 103/68, BFHE 101, 120, BStBl II 1971, 194) eingehend und unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung dargelegt, daß es sich bei einem "Arbeits- oder Dienstverhältnis" i. S. dieser Vorschrift nicht um das Dienstverhältnis eines freiberuflich Tätigen handeln kann. Er hat ferner im Urteil III R 64/66 in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung des BFH entschieden, daß Knappschaftsärzte hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die Knappschaft in der Regel selbständig tätig werden. An den Grundsätzen des Urteils III R 64/66, die das BVerfG in seinem Beschluß vom 16. Dezember 1969 1 BvR 523/69 (HFR 1970, 129) unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstandet hat, hält der Senat fest. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwendungen gegen die Vorentscheidung erhoben.

2. Auch die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß § 111 Nr. 3 BewG sind nicht gegeben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Vorinstanz den Begriff der Rentenversicherung i. S. dieser Vorschrift nicht verkannt. Wie der Senat im Urteil III R 64/66 ebenfalls entschieden hat, liegt eine Rentenversicherung i. S. des § 111 Nr. 3 BewG nur vor, wenn Prämien gezahlt wurden und die zu zahlende Rente von der Höhe der Prämien abhängt. Die hiergegen von der Klägerin vorgebrachten Einwände sind unbegründet.

Die Ansicht, die hier streitige Rente sei schon deshalb von der Vermögensteuer befreit, weil sie der Altersversorgung diene, findet weder im Wortlaut des § 111 Nr. 3 BewG, der ausdrücklich auf das Vorliegen eines Versicherungsvertrages abstellt, eine Stütze noch läßt sie sich aus dem Zweck der Ausnahmevorschrift herleiten. Durch die Einführung dieser Vorschrift, die als § 68 Nr. 3 BewG a. F. durch das StÄndG 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) in das Bewertungsgesetz kam, sollte in vermögensteuerlicher Hinsicht eine gewisse Gleichstellung von Ansprüchen aus privaten Rentenversicherungen einerseits und Ansprüchen aus der Sozialversicherung und der betrieblichen Altersfürsorge und auf gesetzliche Versorgungsbezüge andererseits herbeigeführt werden (vgl. Steinhardt, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 6. Aufl., § 111 BewG Anm. 5). Insbesondere sollten die nicht unter die bisherigen Befreiungsvorschriften fallenden beruflichen Pflichtversicherungsverhältnisse begünstigt werden (Begründung der Bundesregierung zu Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1961, Bundestags-Drucksache III/2573 S. 29). Nicht aber war beabsichtigt, schlechthin alle der Altersversorgung dienenden wiederkehrenden Leistungen von der Vermögensteuer freizustellen. Das erhellt schon aus der - ebenfalls auf das Steueränderungsgesetz 1961 zurückgehenden - Einfügung des § 5 Abs. 3 VStG a. F. (vgl. § 6 Abs. 4 VStG 1974). Die Einführung der zusätzlichen Freibetragsregelung gemäß § 5 Abs. 3 VStG a. F. stand in engem Zusammenhang mit der Einfügung des § 68 Nr. 3 BewG a. F. und diente - wie diese Vorschrift - dem erklärten gesetzgeberischen Ziel, die privaten Versicherungs- und Versorgungsansprüche zu entlasten (Bundestags-Drucksache III/2573, a. a. O.). Der Gesetzgeber ist danach nicht davon ausgegangen, daß Renten als die wichtigste Form von Versorgungsansprüchen stets ganz von der Vermögensteuer befreit sein sollten (vgl. auch BFH-Urteil vom 8. Oktober 1965 III 67/63 U, BFHE 83, 560, BStBl III 1965, 702).

Für diese Auslegung, nicht aber für die gegenteilige Ansicht der Klägerin, spricht auch § 111 Nr. 9 BewG. Diese Vorschrift sieht zwar eine Entlastung, aber keine gänzliche Befreiung der auf wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen beruhenden Altersversorgungen vor. Die Auffassung der Klägerin, die angesprochenen "Nutzungen und Leistungen" würden nur dann begünstigt, wenn sie aus Vermögensumschichtungen herrühren, findet im Gesetz keine Stütze.

3. Schließlich sind die Einwände gegen die Annahme der Vorinstanz, daß das Ruhegeld nicht an der Höhe geleisteter Prämien ausgerichtet sei, unbegründet. Das FG hat festgestellt, daß die Höhe der Rente allein von der Dauer der Beschäftigung des Arztes für die Knappschaft abhing. An diese auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da die Klägerin sie nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen hat. Unerheblich ist deshalb, ob - wie die Klägerin in der Revisionsbegründung vorgetragen hat - die Ruhegehälter der Knappschaftsärzte seit 1960 nach der Leistung für die Knappschaft berechnet werden, und ob - wie das FA erwidert hat - der Ehemann der Klägerin bereits vor 1960 verstorben ist. Nach alledem kann die Revision keinen Erfolg haben.

Da die Revision und auch die Klage keinen Erfolg hatten, braucht auf den Antrag der Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72297

BStBl II 1977, 450

BFHE 1977, 497

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