Entscheidungsstichwort (Thema)

(Einheitsbewertung des Betriebsvermögens: Baureederei, Partenreederei, Begriff des gewerblichen Betriebs)

 

Leitsatz (amtlich)

Für eine Baureederei i.S. des § 509 HGB ist mangels Vorliegens eines Gewerbebetriebs kein Einheitswert festzustellen.

 

Orientierungssatz

1. Eine Partenreederei (Reederei i.S. des § 489 HGB) gehört zu den "ähnlichen Gesellschaften" i.S. des § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 10.7.1980 IV R 12/80).

2. Der Begriff des gewerblichen Betriebs i.S. von § 95 BewG entspricht dem des Gewerbebetriebs i.S. des § 1 GewStDV bzw. § 15 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.1981 III R 116/79).

3. Einheitswerte für das Betriebsvermögen können immer nur erstmalig auf den 1. Januar festgestellt werden, der auf die Eröffnung des Gewerbebetriebs folgt (vgl. BFH-Urteil vom 5.11.1967 I 325/56 U).

 

Normenkette

BewG 1974 § 19 Abs. 1 Nr. 2, §§ 95, 97 Abs. 1 Nr. 5; GewStDV § 1; EStG § 15 Abs. 2; HGB §§ 509, 489

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine durch Reedereivertrag vom 25.August 1977 (Vertrag) gegründete Partenreederei, deren fünf Gesellschafter sich mit einem Partenkapital von 2 600 000 DM zum Bau eines Motorfrachtschiffs (§ 1 Abs.1 des Vertrags) und zu dessen Einsatz in der Container/Produktenfahrt zusammenschlossen (§ 1 Abs.2 des Vertrags). Das auf Grund des Vertrags zum Preis von 10 400 000 DM gebaute Motorfrachtschiff wurde am 3.Mai 1978 in Fahrt gesetzt.

Im August 1979 reichte die Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eine "Vermögensaufstellung auf den 1.Januar 1978 zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs" ein, in der die Klägerin als einzigen Vermögensposten eine Anzahlung von 50 000 DM erklärte. Das FA lehnte jedoch die begehrte Einheitswertfeststellung mit Bescheid vom 3.Januar 1980 ab und führte statt dessen für die Gesellschafter der Partenreederei eine gesonderte Feststellung des Vermögens gemäß § 180 Abs.1 Nr.3 der Abgabenordnung (AO 1977) auf den 1.Januar 1978 durch. Das FA vertrat die Auffassung, daß ein Einheitswert auf diesen Zeitpunkt noch nicht festgestellt werden könne, da der Gewerbebetrieb der Klägerin erst seit der Infahrtsetzung des Motorfrachtschiffs am 3.Mai 1978 bestehe.

Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Das FG schloß sich der vom FA vertretenen Auffassung an, daß die Klägerin am 1.Januar 1978 noch keinen Gewerbebetrieb unterhalten habe; damit entfalle gemäß § 19 Abs.1 Nr.2 des Bewertungsgesetzes (BewG) die Feststellung eines entsprechenden Einheitswerts.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin ihr Klageziel weiter verfolgt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, daß auf den 1.Januar 1978 kein Einheitswert für den Gewerbebetrieb der Klägerin festzustellen war.

Nach § 19 Abs.1 Nr.2 BewG werden für inländische gewerbliche Betriebe (§ 95 BewG) Einheitswerte festgestellt (§ 180 Abs.1 Nr.1 AO 1977). Voraussetzung ist danach, daß zum Feststellungszeitpunkt --im Streitfall zum Nachfeststellungszeitpunkt 1.Januar 1978 (§ 23 BewG)-- bereits ein Gewerbebetrieb vorliegt.

Nach § 97 Abs.1 Nr.5 BewG in der im Streitfall maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 26.September 1974 (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 862) --jetzt § 97 Abs.1 Nr.5 a BewG i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.Februar 1991 (BGBl I 1991, 230, BStBl I 1991, 168)-- bilden einen gewerblichen Betrieb "insbesondere alle Wirtschaftsgüter", die "offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und ähnlichen Gesellschaften" gehören, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind, wenn sich Geschäftsleitung oder Sitz im Inland befinden; die Zusammenfassung aller Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens ist folglich nur zulässig, wenn die Gesellschaft einen gewerblichen Betrieb i.S. des § 95 BewG unterhält (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.Dezember 1972 III R 36/72, BFHE 108, 383, BStBl II 1973, 357).

Das BewG bestimmt in § 95 Abs.1 den Begriff des gewerblichen Betriebs nicht selbst, sondern setzt ihn voraus. Daraus folgt nach unbestrittener Auffassung, daß der Begriff des gewerblichen Betriebs i.S. von § 95 BewG dem des Gewerbebetriebs i.S. des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) 1978 (seit Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes vom 22.Dezember 1983, BGBl I 1983, 1583, BStBl I 1984, 14, § 15 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) entspricht (BFH- Urteil vom 30.Januar 1981 III R 116/79, BFHE 133, 217, BStBl II 1981, 560, m.w.N.). Ein Gewerbebetrieb setzt danach eine selbständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt.

Zutreffend sind FA und FG davon ausgegangen, daß die Klägerin diese Voraussetzungen am Feststellungszeitpunkt 1.Januar 1978 (noch) nicht erfüllt hat.

Die Klägerin gehört zwar als Partenreederei (Reederei i.S. des§ 489 des Handelsgesetzbuches --HGB--) zu den "ähnlichen Gesellschaften" i.S. des § 97 Abs.1 Nr.5 BewG, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 10.Juli 1980 IV R 12/80, BFHE 131, 324, 328, BStBl II 1981, 90, 92); doch hat sie am 1.Januar 1978 noch keinen Gewerbebetrieb unterhalten. Sie hat zu diesem Zeitpunkt, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, allenfalls Vorbereitungsmaßnahmen für ihre spätere gewerbliche Tätigkeit getroffen. Denn der zum Zwecke des gemeinschaftlichen Baus eines Motorfrachtschiffs abgeschlossene Vertrag (§ 1 Abs.1) führte zunächst nur zur Entstehung einer Baureederei i.S. des § 509 HGB, die sich nicht --wie die Partenreederei-- auf ein bereits fertiges, sondern auf ein erst noch für gemeinschaftliche Rechnung zu erbauendes Schiff bezieht, und deren Ziel es ist, das fertige Schiff als Partenschiff zum Erwerb durch Seefahrt zu benutzen. Erst mit der in § 1 Abs.2 des Vertrages vereinbarten Indienststellung des neu gebauten Schiffs am 3.Mai 1978 wurde die Baureederei zur Partenreederei (vgl. Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 2.Aufl. 1983, § 509 HGB, A 1. - 2.).

Die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Baureederei hat jedoch keinen Gewerbebetrieb unterhalten, da sie nach den den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs.2 FGO) der Allgemeinheit noch keine Leistungen gegen Entgelt angeboten hat. Die Klägerin hat sich folglich am 1.Januar 1978 noch nicht mit eigenen gewerblichen Leistungen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des IV.Senats an, wonach eine Baureederei mangels Vorliegens eines Gewerbebetriebs nicht gewerbesteuerpflichtig ist, die Gewerbesteuerpflicht eines --wie im Streitfall-- Ein-Schiff-Unternehmens vielmehr erst mit der Indienststellung des Seeschiffes beginnt (Urteil vom 17.April 1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527). In gleicher Weise hat auch der I.Senat in seiner Entscheidung vom 5.November 1957 I 325/56 U (BFHE 65, 559, BStBl III 1957, 448) die Gewerbesteuerpflicht einer Baureederei verneint. Eine Abweichung zu diesem Urteil liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Denn in jener Entscheidung hat der I.Senat ausgeführt, daß ein bei Beginn der Gewerbesteuerpflicht der Partenreederei ausnahmsweise bereits vorliegender Einheitswert der Baureederei nach Wortlaut und Sinn des § 12 des Gewerbesteuergesetzes --anstelle des nach § 26 GewStDV 1950 besonders zu ermittelnden Behelfswerts des Betriebsvermögens-- der Ermittlung des Gewerbekapitals zugrunde zu legen sei; der I.Senat hat jedoch nicht zu der hier entscheidungserheblichen Frage Stellung genommen, ob das FA für die Baureederei einen Einheitswert des gewerblichen Betriebs feststellen mußte. Der I.Senat geht vielmehr ebenfalls davon aus, daß Einheitswerte für das Betriebsvermögen "immer nur erstmalig auf den 1.Januar festgestellt werden können, der auf die Eröffnung des Gewerbebetriebs folgt (§ 23 Abs.2 BewG)" (BFHE 65, 559, 562, BStBl III 1957, 448, 449).

Da im Streitfall der Gewerbebetrieb der Klägerin am 1.Januar 1978 noch nicht eröffnet war, wird die Klägerin demgemäß durch die Ablehnung der zu diesem Zeitpunkt beantragten Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens in ihren Rechten nicht verletzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63810

BFH/NV 1992, 21

BStBl II 1992, 277

BFHE 166, 380

BFHE 1992, 380

BB 1992, 909

BB 1992, 909-910 (LT)

DB 1992, 661 (L)

DStR 1992, 910 (K)

DStZ 1992, 252 (KT)

HFR 1992, 224 (LT)

StE 1992, 152 (K)

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