Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Betriebsprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist unklar, ob die Ehegatten die Zusammenveranlagung nach § 26 e EStG 1957 oder eine bestimmte Aufteilung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen nach § 26 a Abs. 2 und 3 EStG 1957 beantragen, so haben die Finanzbehörden, wenn sie nicht ohne weiteres die steuerlich günstigste Möglichkeit als beantragt unterstellen, die Steuerpflichtigen unter Darstellung der Rechtslage zu einer klaren Antragstellung zu veranlassen.

Hat nur ein Ehegatte Einkommen erzielt, so sind, auch wenn die Ehegatten nicht ausdrücklich die Zusammenveranlagung beantragen, die Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen bei diesem Ehegatten voll anzurechnen, wenn er die Ausgaben aus seinem Einkommen gemacht hat.

 

Normenkette

EStG § § 26, 26a/2, § 26a/3, §§ 26e, 32a; AO § 204

 

Tatbestand

Dem Bf. wurden bei den Berichtigungsveranlagungen 1952 bis 1954 die von ihm erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung allein zugerechnet; die Ehefrau hatte keine eigenen Einkünfte. Der Bf. erstrebte in erster Linie eine gleichmäßige Zurechnung der Einkünfte auf sich und seine Ehefrau und eine entsprechende getrennte Veranlagung. Er erhob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die eine solche Behandlung ausschließenden §§ 26 ff. EStG 1957. Das Finanzgericht besteuerte das Einkommen des Bf. gemäß dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 163/58 U vom 10. Oktober 1958 (BStBl 1958 III S. 468, Slg. Bd. 67 S. 507) nach der familiengerechten Steuerklasse III/1, rechnete dem Bf. aber bei der Ermittlung des Einkommens Sonderausgaben und Spenden nur zur Hälfte an.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Bf. erzielte allein das Einkommen; die Ehefrau hatte keine eigenen Einkünfte. Die Vorinstanzen haben unter diesen Umständen das Einkommen mit Recht allein dem Bf. zugerechnet. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die der Bf. unter Berufung auf Art. 3 und Art. 6 des Grundgesetzes (GG) gegen die gesetzliche Neuregelung der Ehegattenbesteuerung erhebt, sind nicht begründet; insbesondere verstößt es nicht gegen Verfassungsgrundsätze, daß bei sogenannten Einverdienerehen das Einkommen nicht nach Art des Splittings zur Hälfte beiden Ehegatten gleichmäßig zugerechnet und bei ihnen getrennt versteuert wird (Urteil des Senats VI 164/58 U vom 19. September 1958, BStBl 1958 III S. 442, Slg. Bd. 67 S. 442; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 23/57; 1 BvL 34/57 vom 14. April 1959 unter C I 1, BStBl 1959 I S. 204 ff.).

Aus mehreren Gründen ist es aber bedenklich, daß das Finanzgericht bei der Ermittlung des Einkommens dem Bf. die nachgewiesenen Sonderausgaben und Spenden nur zur Hälfte angerechnet hat.

Das Finanzgericht nimmt an, der Bf. und seine Ehefrau hätten nicht die Zusammenveranlagung gemäß § 26 e Satz 2 EStG 1957 beantragt. Das ist indessen zweifelhaft. In Wirklichkeit hatte der Bf. "vorsorglich", "ohne Präjudiz" "hilfsweise" "vorläufig" Zusammenveranlagung beantragt. Die unbedingte Zusammenveranlagung konnten und wollten er und seine Ehefrau offenbar deshalb nicht beantragen, weil sie in erster Linie die getrennte Veranlagung erstrebten. Das Finanzgericht hätte feststellen müssen, ob der Vortrag des Bf. nicht so gemeint war, daß für den Fall, daß das Finanzgericht - entgegen der Auffassung des Bf. - die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung bejahte, der Bf. und seine Ehefrau die Zusammenveranlagung gemäß § 26 e EStG beantragten. Es spricht viel dafür, daß das Vorbringen des Bf. so aufzufassen war; denn es ist kein Grund ersichtlich, warum der Bf. und seine Ehefrau schlechter hätten gestellt sein wollen, als es vor der gesetzlichen Neuregelung der Ehegattenbesteuerung unter der Herrschaft des § 26 EStG a. F. der Fall war. Das Finanzgericht hätte also gemäß § 204 AO von Amts wegen den Bf. und seine Ehefrau zu einer sachgerechten und ihren Interessen entsprechenden Antragstellung veranlassen müssen.

Nach § 26 a Abs. 2 und 3 EStG 1957 sind, auch wenn die Ehegatten getrennt veranlagt werden, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen ihnen je zur Hälfte nur dann anzurechnen, wenn die Ehegatten nicht eine andere Aufteilung beantragen. Stellen die Ehegatten keine klaren Anträge, so können die Finanzbehörden in der Regel davon ausgehen, daß die Ehegatten die Aufteilung wünschen, die ihnen steuerlich am günstigsten ist. Wollen sie nicht ohne weiteres die den Steuerpflichtigen günstigste Möglichkeit als beantragt unterstellen, so müssen sie auch in diesem Fall gemäß § 204 AO vor der Entscheidung unter Darstellung der Rechtslage die Beteiligten zu einer klaren äußerung veranlassen.

Aber auch wenn man mit dem Finanzgericht annehmen wollte, daß die Ehefrau einen Antrag auf Zusammenveranlagung nicht gestellt habe und nicht habe stellen wollen, so ist die Vorentscheidung im Ergebnis nicht zutreffend. Denn weil der Bf. als Ehemann allein Einkommen bezogen hatte und versteuerte, war nicht nur, wie das Finanzgericht es gemäß der Entscheidung des Senats VI 163/58 U a. a. O. getan hat, die familiengerechte Steuerklasse III/1 anzuwenden (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs VI 247/58 U vom 29. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 115, Slg. Bd. 68 S. 293), sondern es hätte bei der Ermittlung des Einkommens dem Bf. auch die nachgewiesenen Sonderausgaben und Spenden in voller Höhe berücksichtigen müssen, da der Bf. die Ausgaben in voller Höhe gehabt hat.

Der Senat trägt keine Bedenken, daß nach diesen Grundsätzen die Sonderausgaben und Spenden in voller Höhe beim Bf. zu berücksichtigen sind; weiterer Aufklärung bedarf es nicht.

Die Vorentscheidung wird wegen unrichtiger Anwendung von §§ 26, 26 a Abs. 2 und 3, § 26 e EStG 1957 und § 204 AO aufgehoben. Die Sache wird zu anderweitiger Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen, das im Einspruchsverfahren erneut über die Sache zu befinden hat. Dabei sind die Sonderausgaben und Spenden voll abzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409562

BStBl III 1960, 56

BFHE 1960, 151

BFHE 70, 151

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