Leitsatz (amtlich)

§ 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 vom 20. Dezember 1968 bildet keine Rechtsgrundlage dafür, Mineralöl unversteuert zur Freigutveredelung abzufertigen.

 

Normenkette

MinöStG § 8 Abs. 1 Nr. 1 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 vom 20. Dezember 1968 (BGB I, 1391), Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 vom 19. März 1975 (BGBl I 1975, 721)

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Am 9. August 1971 beantragte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) die Erweiterung eines ihr bereits bewilligten aktiven Freigutveredelungsverkehrs um Treibstoffe (Vergaser- und Dieselkraftstoff), die im Zuge der Herstellung von Exportmotoren zum Probelaufen verwendet werden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) lehnte den Antrag ab und schränkte die Bewilligung hinsichtlich des bereits bestehenden Veredelungsverkehrs in bestimmter Weise ein. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin sinngemäß, das HZA zu verpflichten, einen Veredelungsverkehr für Treibstoffe, die bei der Herstellung von Exportmotoren zum Probelauf verwendet werden, zu bewilligen und die Einschränkung des bestehenden Freigutveredelungsverkehrs aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, in der Zeit vor dem Inkrafttreten der Änderung des § 8 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) durch das Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 vom 19. März 1975 (BGBl I 1975, 721) sei die von der Klägerin begehrte steuerfreie Verwendung von Mineralöl nicht zulässig gewesen. Die Verwendung von Mineralöl zu Probeläufen sei nicht ausdrücklich geregelt gewesen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG a. F. habe Mineralöl unversteuert unter Steueraufsicht zum Zollverkehr abgefertigt werden dürfen. Als aktiver Veredelungsverkehr gelte zwar auch die einmalige Verwendung von Waren bei der Veredelung auszuführender anderer Waren (Ausfuhrwaren), sofern sie mit diesen vorübergehend verbunden, vermischt oder vermengt und dabei verbraucht würden; dies gelte aber nicht für Energiequellen, Schmiermittel, Geräte und Werkzeuge (§ 50 b Abs. 1 Satz 1 des Zollgesetzes – ZG –) Dabei könne, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. Januar 1975 VII R 37/73 (BFHE 115, 160, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1975 S. 240 – ZfZ 1975, 240 –) entschieden habe, nicht nur Zollgut, sondern auch Freigut verwendet werden. Nach der genannten BFH-Entscheidung müsse jedoch trotz des Wortlauts des § 50 b Abs. 1 Satz 1 ZG im Inland verbrauchtes Mineralöl grundsätzlich auch dann versteuert werden, wenn der Vorgang zollrechtlich begünstigt sei. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin sei nicht zwingend und im Interesse der Rechtssicherheit auch nicht anzuwenden. Die Richtlinie des Rates der EWG vom 4. März 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den aktiven Veredelungsverkehr Nr. 69/73/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 58/1 vom 8. März 1969), die Einführung des § 50 b ZG und die Richtlinie der Kommission vom 30. Juni 1971 betreffend die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 d und Abs. 4 der Richtlinie des Rates vom 4. März 1969 (ABlEG Nr. L 161/17 vom 19. Juli 1971) dienten der Harmonisierung des Zollrechts. Eine Erweiterung der Mineralölsteuerfreiheit bzw. eine Einschränkung der Ausschlußvorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG a. F. sei nicht beabsichtigt gewesen.

Mit ihrer Revision greift die Klägerin die Vorentscheidung nur insoweit an, als das FG die Klage bezüglich der Erweiterung des Veredelungsverkehrs um Treibstoffe, die im Zuge der Herstellung von Exportmotoren zum Probelaufen verwendet werden, abgewiesen hat.

Sie trägt vor, das FG habe nicht begründet, warum trotz des Wortlauts des § 50 b Abs. 1 Satz 1 ZG im Inland verbrauchtes Mineralöl grundsätzlich auch dann versteuert werden müsse, wenn dieser Vorgang zollrechtlich begünstigt sei. Es habe nicht dargelegt, woraus sich dieser Grundsatz ergebe. Aus der Existenz des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG könne vielmehr der Schluß gezogen werden, daß im Rahmen dieser Vorschrift steuerbares Mineralöl grundsätzlich steuerfrei sei, es sei denn, es werde bei der Zollgutverwendung eingesetzt. § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG lehne sich in der Weise an das Zollrecht an, daß alles, was nach Zollrecht einen besonderen Zollverkehr darstelle, auch von der Mineralölsteuer befreit sei, es sei denn, es handele sich um Zollgutverwendung. Diese Anlehnung bedeute, daß sich jede Erweiterung der Zahl oder des Inhalts der besonderen Zollverkehre unmittelbar auf das Mineralölsteuerrecht auswirke. Wenn eine Änderung des Zollverkehrs diese Wirkung nicht haben solle, müsse der Gesetzgeber die ausdrückliche Nichtanwendung auf das Mineralölsteuerrecht bestimmen, wie das bezüglich der Zollgutverwendung geschehen sei. Durch die Verweisung auf die besonderen Zollverkehre habe der Gesetzgeber eine dynamische Verweisung gewählt. Sie sei unbedenklich, weil der Gesetzgeber für die beiden aufeinander Bezug nehmenden Gesetze identisch und in beiden Fällen eine Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich sei. Bedenklich wäre sie nur, wenn die Identität der Gesetzgeber nicht gegeben wäre (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 1. März 1978 1 BvR 786/76 u. a., BVerfGE 47, 285).

Der angefochtenen Entscheidung könne auch insoweit nicht zugestimmt werden, als sie die Richtlinie der Kommission vom 30. Juni 1971 für unanwendbar halte. Ihr liege die unrichtige Annahme zugrunde, daß das Mineralöl beim Probelauf von Motoren als Energiequelle eingesetzt werde.

Die Klägerin beantragt: Das Urteil des FG und den Bescheid des HZA in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) aufzuheben und das HZA zu verpflichten, die Erweiterung des Veredelungsverkehrs in der beantragten Form zu bewilligen.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG hat die Klägerin beim HZA beantragt, einen ihr bereits bewilligten aktiven Freigutveredelungsverkehr um Treibstoffe zu erweitern, die im Zuge der Herstellung von Exportmotoren zum Probelauf verwendet werden. Das bedeutet, daß die Klägerin die Verwendung von unversteuertem Mineralöl des zollrechtlich freien Verkehrs im Rahmen der Freigutveredelung anstrebt. Das Bestreben der Klägerin kann nur zum Erfolg führen, wenn ihr nach dem Mineralölsteuerrecht Mineralöl zur Verwendung im Rahmen der Freigutveredelung unversteuert überlassen werden darf. Das ist jedoch nicht der Fall.

Die Klägerin hat ihren Antrag auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 vom 20. Dezember 1968, BGBl I, 1391) i. V. m. § 50 b Abs. 1 Satz 1 ZG gestützt. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG darf Mineralöl unversteuert unter Steueraufsicht aus dem Erhebungsgebiet ausgeführt oder zu einem besonderen Zollverkehr abgefertigt werden, zur Zollgutverwendung jedoch nur, wenn der zollbegünstigte Verwendungszweck auch von der Steuer befreit ist. Im Hinblick darauf, daß nach dem Inkrafttreten des auf der Richtlinie des Rates Nr. 69/73/EWG beruhenden § 50 b ZG (in der Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes vom 22. Juli 1969, BGBl I, 879) als aktiver Veredelungsverkehr auch die Verwendung von bestimmten Waren bei der Veredelung auszuführender anderer Waren gilt und daß als solche verwendete Waren nach der Richtlinie der Kommission vom 30. Juni 1971 (ABlEG Nr. L 161/17 vom 19. Juli 1971) Anhang Buchst. f unter den dort genannten Voraussetzungen auch Treibstoffe zum Probelauf von Motoren genannt sind, meint die Klägerin, einen Anspruch auf Abfertigung der zum Probelauf verwendeten Treibstoffe zum aktiven Veredelungsverkehr als Sonderfall der Verwendung i. S. des § 50 b ZG und damit, dieser Abfertigung vorausgehend, auf Bewilligung eines solchen aktiven Veredelungsverkehrs zu haben. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die OFD hat in ihrer Beschwerdeentscheidung zu Recht darauf hingewiesen, daß im Rahmen des von der Klägerin als Anspruchsgrundlage herangezogenen § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG Mineralöl unversteuert nur zu einembesonderen Zollverkehr abgefertigt werden kann und daß die Freigutveredelung kein solcher besonderer Zollverkehr ist. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 ZG a. F., wo als besondere Zollverkehre der Zollgutversand, die Zollgutlagerung, die Zollgutveredelung, die Zollgutumwandlung und die Zollgutverwendung aufgeführt sind. Die Freigutveredelung ist kein Zollverkehr. Während bei der Zollgutveredelung das abgefertigte Zollgut dem Veredeler im Zollverkehr überlassen wird (§ 49 Abs. 1 ZG a. F.), wird bei der Freigutveredelung das abgefertigte Zollgut vom Zoll freigestellt und dem Veredeler freigegeben (§ 50 Abs. 1 ZG a. F.).

§ 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG in der hier maßgeblichen Fassung sieht also schon nach seinem Wortlaut eine Abfertigung zur Freigutveredelung nicht vor. Daraus folgt, daß die beantragte Bewilligung der Erweiterung des bestehenden aktiven Freigutveredelungsverkehrs um Treibstoffe zum Probelauf von Ausfuhrmotoren nicht zu dem von der Klägerin angestrebten Erfolg führen kann und schon deshalb zu Recht versagt worden ist.

Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, daß die Zollverwaltung und auch das beteiligte HZA für Mineralöle den Zollgutveredelungsverkehren gleichzustellende Freigutveredelungsverkehre (hinsichtlich zum Export bestimmter Motoren) bewilligt hätten, daß damit eine Lücke im Gesetz geschlossen worden sei und daß deshalb auch Kraftstoffe für Probeläufe von Motoren zu einem Freigutveredelungsverkehr abgefertigt werden müßten. Die Klägerin verkennt, daß sich das HZA bei dieser Bewilligung, wie schon in der Beschwerdeentscheidung zutreffend ausgeführt worden ist, nicht auf § 8 Abs. 1 MinöStG stützen konnte und daß allenfalls eine analoge Anwendung dieser Vorschrift aus wirtschaftlichen Gründen die Grundlage für diese Bewilligung gewesen ist. Sie verkennt weiter, daß dieser bewilligte Freigutveredelungsverkehr nicht die Verwendung der Kraftstoffe i. S. ihres Verbrauchs (wie etwa beim Probelauf von Motoren) zum Gegenstand hatte, sondern nach den Feststellungen des FG allein der steuerfreien Ausfuhr der Kraftstoffe in den Tanks der Exportfahrzeuge diente. Wenn das HZA aber für diesen andersliegenden Sachverhalt ohne gesetzliche Grundlage (diese wurde für im Tank ausgeführte Kraftstoffe erst durch das Änderungsgesetz vom 19. März 1975 geschaffen, mit dem § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG durch die Worte „oder zur Freigutveredelung” ergänzt wurde) einen Freigutveredelungsverkehr bewilligt hatte, so ergibt sich für die Klägerin daraus kein Recht, daß ihr entgegen dem Gesetzeswortlaut für Kraftstoffe, die beim Probelauf von Exportmotoren verwendet (verbraucht) werden, ebenfalls ein Freigutveredelungsverkehr bewilligt wird.

Bei dieser Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob für die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG zugelassene Abfertigung von unversteuertem Mineralöl zu einem besonderen Zollverkehr die später im Zuge der Harmonisierung des Zollrechts in § 50 b ZG neu getroffene Regelung von Bedeutung ist, daß als aktiver Veredelungsverkehr einschließlich der Freigutveredelung (und damit als besonderer Zollverkehr) auch die Verwendung bestimmter Waren bei der Veredelung auszuführender anderer Waren gilt.

Die unversteuerte Verwendung von Mineralöl für Probeläufe von Motoren, die ausgeführt werden, ist erst durch das Änderungsgesetz vom 19. März 1975 eingeführt worden (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 MinöStG). Sie ist rechtssystematisch auch nicht im Rahmen der in § 8 Abs. 1 Nr. 1 MinöStG behandelten besonderen Zollverkehre bzw. des Freigutveredelungsverkehrs geregelt worden, sondern als eigenständiger, mineralölsteuerrechtlicher Befreiungstatbestand in § 8 Abs. 3 Nr. 1 MinöStG.

Der Senat weist am Rande darauf hin, daß die zollbegünstigte Verwendung von Treibstoffen, wie sie in der Kommissionsrichtlinie vom 30. Juni 1971, ihre Maßgeblichkeit unterstellt, vorgesehen ist, nur zum Probelauf von im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs gebauten Motoren oder zur Feststellung von Mängeln in Motoren, die im Veredelungsverkehr repariert oder nach Instandsetzung getestet werden sollen vorgesehen ist. Diese Voraussetzungen lagen im Urteil in BFHE 115, 160 ZfZ 1975, 240 vor. Im Streitfall hat das FG lediglich festgestellt, daß die Treibstoffe bei der Herstellung von Exportmotoren zum Probelauf verwendet werden sollen. Damit ist aber nicht gesagt, daß diese Exportmotoren Gegenstand eines aktiven Veredelungsverkehrs sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510537

BFHE 1981, 379

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge