Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens kann auch gegeben sein, wenn die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten (z. B. eines Bankangestellten) gleichzeitig Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens ist und wenn diese Tätigkeit den Hauptinhalt der Tätigkeit des Bewerbers bildet. Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens ist auch die Erfüllung von Buchführungspflichten des kaufmännischen Unternehmens (z. B. der Bank), die auf Grund von Steuergesetzen bestehen.

 

Normenkette

AO § 107a Abs. 1; StBerG § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3; DVStBerG § 4 Abs. 3 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger, der die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 16. August 1961 (StBerG) für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung erfüllt, war viele Jahre bei einer Großbank in den in der Vorentscheidung bezeichneten Tätigkeiten beschäftigt. Unter anderem oblag ihm in der Zeit vom 16. Oktober 1949 bis 31. März 1950 die Maschinenbuchhaltung, vom 1. April 1950 bis 31. März 1954 die Buchhaltung als Kontoführer. Mit Schreiben vom 12. März 1963 beantragte er die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung. Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der Oberfinanzdirekion (OFD) lehnte am 14. Mai 1963 den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung ab.

Auf die Berufung des Klägers hat das Finanzgericht (FG) die Entscheidung des Zulassungsausschusses aufgehoben und den Kläger zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zugelassen. Das FG hat die Voraussetzungen auch des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG bei dem Kläger als vorliegend angesehen.

Die OFD hat gegen das Urteil des FG Rechtsbeschwerde eingelegt, die nunmehr als Revision zu behandeln ist. Sie rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG und § 4 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1. August 1962 - DVStBerG -) und Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten, hilfsweise auch wesentliche Verfahrensmängel (nicht genügende Sachverhaltsermittlung, nicht ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs). Sie hat insbesondere ausgeführt: Das Wort "hauptberuflich" in § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG habe eine doppelte Bedeutung: Die Tätigkeit des Bewerbers dürfe nicht nebenberuflich ausgeübt worden sein und sie müsse zum Hauptinhalt die Bearbeitung von Steuersachen gehabt haben. Der Kläger sei Bankangestellter und als solcher nach dem Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf dem Gebiet des Bankwesens, nicht auf dem des Steuerwesens tätig gewesen. Auch seine Tätigkeit auf dem Gebiet der Buchhaltung sei keine Tätigkeit auf dem Gebiet des "Steuerwesens" gewesen; er habe nicht nachweislich eigene steuerrechtliche Entscheidungen getroffen oder sich mindestens bei der Buchhaltungstätigkeit mit dem Steuerrecht zu befassen gehabt. Das vom Kläger vorgelegte Zeugnis der Großbank über seine Tätigkeit bei ihr reiche für den Nachweis der Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG nicht aus. Die angefochtene Entscheidung verletze auch § 4 Abs. 3 Nr. 2 DVStBerG. Das FG habe es auch an der gebotenen Sachaufklärung und der Gewährung des rechtlichen Gehörs gegenüber der OFD fehlen lassen. Prozessual sei das FG nicht befugt gewesen, die Zulassung des Klägers zur Steuerbevollmächtigtenprüfung selbst auszusprechen.

Die OFD beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Kläger meint, die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG unterliege - zumal bei der Auslegung, welche die OFD dem Gesetz gebe - rechtlichen Bedenken aus Artikel 12 Abs. 1, 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG). § 107 a AO entstamme noch einer Zeit, die die Würde des Menschen, das Prinzip der Freiheit und des Rechts nicht habe gelten lassen wollen. Die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, sei hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens. Der Kläger hält die Vorentscheidung für zutreffend. Er beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.

Antragsgemäß ist mündlich verhandelt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt nicht zum Erfolg.

Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG unterliegt allerdings weder aus Art. 12 Abs. 1 noch aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG rechtlichen Bedenken. Sie entspricht den Anforderungen, die das BVerfG in dem Urteil vom 11. Juni 1958 1 BvR 596/56 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 7, 377 ff.) an derartige Regelungen stellt. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist auf die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG nicht anwendbar. § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG enthält keine "Einschränkung" im Sinne es § 19 Abs. 1 GG, sondern lediglich eine "Regelung" im Sinne des § 12 Abs. 1. So hat auch das BVerfG im Beschluß vom 17. Juli 1961 1 BvL 44/55 (BVerfGE 13, 97, 122) unter C V 7 ausgeführt: "Wenn Art. 12 Abs. 1 GG den Gesetzgeber zu "Regelungen" ermächtigt, so bringt er deutlich zum Ausdruck, daß solche Gesetze nicht "Einschränkungen" im Sinne des Art. 19 GG sind."

Der Kläger erfüllt umstreitig die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StBerG für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung. Streitig ist nur, ob er auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG (hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens) erfüllt. In dieser Frage ist aber der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten.

Rechtlich bedenklich ist es allerdings, wenn die Vorinstanz erklärt, daß es darauf ankomme, ob ein Bewerber "hauptberuflich in nicht unwesentlichem Umfang mit steuerrechtlichen Problemen befaßt war". Die Feststellung aber, daß der Kläger "als Bankangestellter in erster Linie auf dem Gebiet des Bankwesens" tätig gewesen sei, scheint mit dem Ergebnis, daß er hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig gewesen sei, nicht im Einklang zu stehen. "Hauptberuflich" ist eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens dann, wenn sie nicht nebenberuflich ist und wenn sie außerdem den Hauptinhalt der Tätigkeit des Bewerbers bildet, durch sie also Arbeitszeit und Arbeitskraft des Bewerbers überwiegend beansprucht werden. Unschädlich ist es aber, wenn die Banktätigkeit des Bewerbers in der in Betracht kommenden, vierjährigen Zeit gleichzeitig Tätigkeit "auf dem Gebiet des Steuerwesens" gewesen ist und wenn diese Tätigkeit den Hauptinhalt der Tätigkeit des Klägers gebildet hat. Banktätigkeit und Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens können sich decken, zumal dann, wenn es sich um die Erfüllung von Buchführungspflichten handelt die auf Grund von Steuergesetzen bestehen. Der Begriff "Steuerwesen" ist weiter als der Begriff des "Steuerrechts". Er umfaßt auch Tätigkeiten, die für das Steuerrecht von Bedeutung sind, wie Buchführung, insbesondere auch Bilanzierung und vorbereitende Maßnahmen für die Bilanzierung, soweit die Buchführungspflichten auf Grund von Steuergesetzen bestehen. Das hat auch seinen guten Sinn; der Kläger erwähnt mit Recht in diesem Zusammenhang Vorschriften wie die der §§ 4, 5 EStG, 160, 162, 163 AO. Er weist zutreffend darauf hin, daß, wenn das Gesetz im § 107 a Abs. 1 Satz 2 AO (und in § 2 Abs. 1 Satz 2 StBerG) zur "Hilfeleistung in Steuersachen" die Hilfeleistung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, zählt, die freiberufliche Tätigkeit des Buchhalters also nicht ohne weiteres zuläßt (§§ 2 Abs. 1, 4 ff. StBerG), es auch einem Buchhalter Gelegenheit geben müsse, die Stellung eines Steuerbevollmächtigten zu erreichen. Die Hilfeleistung in Steuersachen geschieht stets "auf dem Gebiet des Steuerwesens". § 107 a Abs. 1 Satz 2 AO in der Fassung des § 119 Abs. 2 StBerG vom 16. August 1961 begegnet im übrigen keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Die Tätigkeit bei einem Steuerbevollmächtigten als solchen - außer etwa als Bote - liegt "auf dem Gebiet des Steuerwesens" auch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG. Der Kläger macht aber nicht zu Unrecht geltend, daß bei Steuerbevollmächtigten die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, oft den überwiegenden Teil der Tätigkeit ausmacht. Wenn aber eine solche Tätigkeit als auf dem Gebiet des Steuerwesens liegend anzusehen ist, dann fällt auch die Tätigkeit des Buchhalters bei einer Bank hierunter, soweit die Buchhaltungstätigkeit zur Erfüllung von Buchführungspflichten geschieht, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, die also auch für die Besteuerung der Bank von Bedeutung sind. § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG fordert nach Wortlaut und Sinn nicht, daß der Bewerber auf bestimmten oder allen Gebieten des Steuerwesens oder einer erheblichen Zahl der in § 11 Abs. 2 DVStBerG bezeichneten Prüfungsgebiete tätig gewesen sein müsse. Es ist nach dem Gesetz auch nicht erforderlich, daß der Bewerber "alle in dem Betrieb vorkommenden Steuerangelegenheiten erledigt" haben müsse (anders Klöcker- Mittelsteiner-Gehre, Handbuch der Steuerberatung, Bem. 4 a am Ende zu § 6 StBerG); das wird bei einer Großbank gar nicht immer möglich sein. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1964 Stb StR 1/64 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen - BGHSt - 20, 104 ff.) kann in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg herangezogen werden; es betrifft einen anderen, nach anderen Rechtsvorschriften zu beurteilenden Fall. Es reicht sonach für die Erfüllung der vierjährigen hauptberuflichen Tätigkeit des Bewerbers auf dem Gebiet des Steuerwesens, wenn er vier Jahre lang bei der Bank eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Buchhaltung (Buchführung) ausgeübt hat, zu der eine Verpflichtung auf Grund von Steuergesetzen bestand, und wenn diese Buchführungstätigkeit den Hauptinhalt der Tätigkeit des Bewerbers bildete.

Dem Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung sind nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 DVStBerG u. a. beizufügen: beglaubigte Abschriften der Zeugnisse über die in "§ 6 Abs. 1" StBerG geforderte "Vorbildung" für die Prüfung als Steuerbevollmächtigter. Darunter fallen entgegen der Ansicht des Klägers auch die Zeugnisse über die Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG; auch die Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG bringt das Gesetz, wie die überschrift zu § 6 StBerG zeigt, unter "Vorbildung für die Prüfung als Steuerbevollmächtigter".

Der Kläger hatte nun ein Zeugnis der Großbank über seine Tätigkeit in ihrem Betriebe beigebracht; er hatte außerdem einen eingehenden Aufriß über seine langjährige berufliche Tätigkeit dem FG eingereicht, vor dem das FG dem Vertreter der OFD in der mündlichen Verhandlung eine Durchschrift überreichte. Das FG hat weiter die Beteiligten eingehend gehört. Daraufhin hat es die überzeugung erlangt, daß bei dem Kläger die nach den obigen Darlegungen des Senats für das Vorliegen der Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG zu fordernden Umstände im Streitfall gegeben sind; das ergibt sich aus dem Zusammenhang der Vorentscheidung. Der Senat vermag unter Berücksichtigung der im Streitfall vorliegenden besonderen Umstände hierin weder einen Fehler bei der Tatsachenfeststellung, noch einen Rechtsverstoß zu erblicken; insbesondere konnte das FG in Anbetracht der Besonderheit des Falles von weiterer Beweiserhebung absehen. Ein Verstoß gegen die Ermittlungspflicht liegt nicht vor. Der OFD ist auch ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden; ihr Vertreter hat in der mündlichen Verhandlung des FG eine Durchschrift des "Aufrisses" des Klägers erhalten und sich dazu zu äußern Gelegenheit gehabt. Das FG konnte somit zu seiner Entscheidung kommen, die, wie der Zusammenhang zeigt, trotz gewisser mißverständlicher Formulierungen zutreffend ist. Lediglich die Formulierung im Tenor des FG: Der Berufungsführer "wird" ... zur Steuerbevollmächtigtenprüfung "zugelassen" ist zu berichtigen in: Der Berufungsführer "ist" ... zur Steuerbevollmächtigtenprüfung "zuzulassen". Das FG kann die Zulassung nicht selbst aussprechen, vielmehr den Zulassungsausschuß zu der Zulassung nur anweisen.

Nach dem Dargelegten ist der Einwand der OFD gegenüber der Vorentscheidung, der Kläger habe sich nicht nachweislich bei der Buchhaltungstätigkeit mit dem Steuerrecht zu befassen gehabt, schon deshalb nicht durchschlagend, weil das FG in nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat, daß der Kläger eine Tätigkeit bei der Bank ausgeübt hatte, die "von ihm wesentliche Kenntnisse auf dem Gebiet der verschiedensten Steuerarten" erforderte. Das FG hat auch festgestellt, der Kläger habe sich "mit schwierigen Fragen des Buchführungs- und Bilanzwesens" befassen müssen.

Die Revision war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412212

BStBl III 1966, 569

BFHE 1966, 460

BFHE 86, 460

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