Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Zuschüsse an Betriebshelfereinrichtungen als Entgelt von dritter Seite

 

Leitsatz (NV)

1. Die entgeltliche Gestellung von Betriebshelfern durch einen Verein (Betriebshelfereinrichtung) an Landwirte ist eine steuerpflichtige Leistung.

2. Zuschüsse der öffentlichen Hand an die Betriebshelfereinrichtung, die im Interesse der Landwirte (Leistungsempfänger) gewährt werden, können zusätzliches Entgelt für die umsatzsteuerpflichtige Leistung sein.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9, § 10 Abs. 1 S. 3; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Verein, dem Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe angehören. Satzungsgemäße Aufgabe des Vereins ist die gegenseitige organisierte Betriebshilfe zwischen seinen Mitgliedern im maschinellen und personellen Bereich. Die Betriebshilfe wird insbesondere durch Vermittlung des Einsatzes landwirtschaftlicher Maschinen der Mitglieder und durch die Gestellung von Betriebshelfern geleistet. Bei Krankheit, Unfall, Tod und ähnlichen Notfällen überläßt der Kläger seinen Mitgliedern landwirtschaftliche Fachkräfte, die an ihn arbeitsvertraglich gebunden sind. Hierfür müssen sie -- zusätzlich zu den Mitgliedsbeiträgen -- ein Entgelt bezahlen; unter bestimmten Voraussetzungen erhalten sie dafür Leistungen von ihrer Versicherung. Außerdem fördert das Ministerium für ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Baden-Württemberg (MLR) aufgrund von § 14 des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG) vom 14. März 1972 (Gesetzblatt -- GBl -- 1972, 74) sowie der im Einvernehmen mit dem Finanzministerium Baden-Württemberg (FinMin) erlassenen Richtlinien des MLR zur Förderung der Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen vom 8. April 1980 (Gemeinsames Amtsblatt -- GABl -- 1980, 351) bzw. vom 10. März 1987 (GABl 1987, 442) den Einsatz der Betriebshelfer mit 80 v. H der notwendigen Personalkosten und 50 v. H. der Geschäftskosten. Die Förderung erfolgt über den Landesverband, der seinen Mitgliedern die Zuschüsse zahlt.

Wie in einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung festgestellt wurde, erhielt der Kläger folgende Zuschüsse für die Personalgestellung in den Streitjahren: ...

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) sah in diesen Zuschüssen Entgelte von Dritter Seite und zog den Kläger entsprechend zur Umsatzsteuer heran.

Einspruch und Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg. Das die Klage abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1082 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von materiellem Recht und von Verfahrensrecht. Er führt im einzelnen aus, daß es sich bei den Förderungsmitteln um verlorene Zuschüsse des Landes Baden-Württemberg zur Erhaltung der kleinbäuerlichen Struktur handele und nicht um Leistungsentgelte im Sinne des Umsatzsteuerrechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide dahin zu ändern, daß die genannten Zuschüsse nicht mehr dem Entgelt für die steuerpflichtigen Umsätze zugerechnet werden.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Personalgestellungen durch den Kläger waren steuerbare und steuerpflichtige Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes (USTG) 1980. Dementsprechend wurden sie -- mit den von den Leistungsempfängern gezahlten Entgelten -- beim Kläger versteuert.

2. Die Zuschüsse, um die es geht, gehörten nach den Feststellungen des FG ebenfalls zum Entgelt für diese Leistungen.

Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980).

Zahlungen eines Dritten sind dann zusätzliches Entgelt für eine vom Leistungsempfänger in Anspruch genommene Leistung, wenn der Leistungsempfänger auf die Zahlung einen Rechtsanspruch hat, die Zahlung an ihn in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung oder zumindest überwiegend in seinem Interesse geleistet wird; nicht zum Entgelt gehören hingegen Zahlungen eines Dritten dann, wenn sie zur Förderung des leistenden Unternehmers und nicht überwiegend im Interesse des Leistungsempfängers bewirkt werden. Im letzteren Falle wird die Zahlung des Dritten gewöhnlich als echter Zuschuß bezeichnet. Die Abgrenzung von Entgelt und "echtem Zuschuß" wird somit nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorgenommen (Bundesfinanzhof -- BFH -- Urteil vom 8. März 1990 V R 67/89, BFHE 160, 344, BStBl II 1990, 708).

Das FG hat den von ihm festgestellten Sachverhalt rechtsfehlerfrei dahin gewürdigt, daß die dem Kläger gezahlten "Zuschüsse" nicht zu seiner Unterstützung, sondern allein im Interesse der hilfsbedürftigen landwirtschaftlichen Betriebe geleistet wurden. Es handelt sich deshalb um ein zusätzliches Entgelt für die -- entgeltliche -- Personalgestellung an die hilfsbedürftigen Landwirte.

3. Diese Sachverhaltswürdigung des FG ist selbst dann nicht zu beanstanden, wenn das FG die Stellung des Landesverbandes bei der Verteilung der Landesmittel verkannt haben sollte. Auch wenn das Land Baden- Württemberg der eigentliche Zuschußgeber und die von ihm zur Verfügung gestellten Förderungsmittel beim Landesverband nur durchlaufende Posten gewesen sein sollten, ändert dies nichts an der Richtigkeit der Sachverhaltswürdigung des FG, daß nicht der Kläger (der leistende Unternehmer), sondern die Landwirte, denen Personal gestellt wurde (Leistungsempfänger), gefördert werden sollten.

4. Darin, daß das FG den Sachvortrag des Klägers bezüglich der Stellung des Landesverbandes nicht so gewürdigt hat, wie es nach Meinung des Klägers hätte geschehen müssen, liegt weder eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --) noch mangelnde Sachaufklärung i. S. von § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 FGO.

a) Nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO haben die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor Erlaß der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu äußern. Mit diesem Recht korrespondiert die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Aus der Entscheidungsbegründung des Gerichts muß erkennbar werden, daß es dieser Pflicht nachgekommen ist. Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. z. B. Beschluß des Bundesverfassungs gerichts vom 22. November 1983 2 BvR 399/81, BVerfGE 65, 293 unter II.; BFH- Beschluß vom 15. Juni 1994 II B 172/93, BFH/NV 1995, 131).

Das FG war demnach nicht verpflichtet, die Anlagen K 1, K 2 und K 5 zur Klageschrift in seinem Urteil ausdrücklich zu erwähnen oder gar den in der Anlage K 5 vom MLR vertretenen Rechtsansichten zu folgen.

b) Die Rügen mangelnder Sachverhaltsaufklärung haben bereits deshalb keinen Erfolg, weil es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Verfahrensmängel fehlt (vgl. oben unter 3.). Gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs sieht der Senat davon ab, auf diese Rügen weiter einzugehen.

5. Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorzulegen wären, stellen sich nicht.

Nach Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmo nisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) gilt als Dienstleistung jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands ist. Besteuerungsgrundlage ist bei Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für seine Umsätze vom Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen (Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 77/388/EWG). Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den Zuschüssen um derartige preisauffüllende Subventionen, die gewährt wurden, weil die von den Dienstleistungsempfängern gezahlten Entgelte nicht kostendekend waren.

Die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 29. Februar 1996 Rs. C-215/94 (Deutsches Steuerrecht 1996, 421), wonach die Verpflichtung zur Aufgabe der Milcherzeugung im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 1336/86 des Rates vom 6. Mai 1986 keine Dienstleistung ist, betreffen nicht den Streitfall, da nicht zweifelhaft ist, daß die Personalgestellungen Dienstleistungen und die Landwirte, denen das Personal gestellt wurde, die Empfänger dieser Dienstleistungen sind (vgl. oben unter 1.).

6. Das FG hat schließlich rechtsfehlerfrei verneint, daß das FA nach Treu und Glauben gehindert war, die Zuschüsse in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen. Der Umstand, daß sich MLR und FinMin über die zutreffende umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung der Zuschüsse nicht einigen konnten, begründet keinen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers. Ein Fall einer Änderung der Rechtsprechung gemäß § 176 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) liegt nicht vor. Die Rechtsprechung zur Einbeziehung von Zuschüssen Dritter in die Bemessungsgrundlage hat sich nicht geändert (vgl. BFH-Urteile vom 9. Oktober 1975 V R 88/74, BFHE 117, 307, BStBl II 1976, 105, und in BFHE 160, 344, BStBl II 1990, 708). Das FA hatte die Zuschüsse ursprünglich nicht aufgrund alter Rechtsprechung unberücksichtigt gelassen, sondern weil sie in den Steueranmeldungen des Klägers nicht aufgeführt waren und dem FA erst durch die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bekannt wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421601

BFH/NV 1997, 155

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