Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Leibrente ist nicht gegeben, wenn sich die laufenden Bezüge des Empfängers nach einem Vomhundertsatz des Umsatzes eines fremden Unternehmens bemessen.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22/1/a

 

Tatbestand

Streitig ist, wie Zahlungen, der der Bf. im Streitjahr an seine inzwischen verstorbene Mutter geleistet hat, steuerlich zu beurteilen sind.

Der im Jahre 1949 verstorbene Vater des Bf. betrieb auf Grund einer ihm im Jahre 1930 verliehenen Personalkonzession eine Apotheke. Am 4. Februar 1950 übernahm der Bf. die Apotheke auf Grund eines Pachtvertrags mit seiner Mutter. Der Pachtzins betrug 6 v. H. des Umsatzes, mindestens jedoch 5.000 DM und höchstens 9.000 DM jährlich. Der Vertrag wurde auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen. Die Apotheke befindet sich in gemieteten Räumen.

Am 16. September 1952 erteilte der Regierungspräsident dem Bf. die Erlaubnis "zur übernahme und Weiterführung der ..... Apotheke unter seinem Namen". In einem Begleitschreiben führte er u. a. aus:

"Ich weise noch darauf hin, daß diese Erlaubnis eine öffentlich- rechtliche Erlaubniserteilung ist und nur besagt, daß Sie wegen Ihrer persönlichen Qualifikation die Apotheke betreiben dürfen. Privatrechtliche Bestimmungen zwischen Ihnen und dem derzeitigen Verpächter bleiben bei diesem Zulassungsverfahren außer Betracht. Es ist allein Ihre Sache, sich die privatrechtliche Verfügungsgewalt über die Apotheke zu verschaffen und auf diese Weise die Zulassung zu realisieren. Ein Rechtsanspruch auf übertragung der Apotheke kann aus dieser Erlaubnis nicht hergeleitet werden".

Nach Ablauf des Pachtvertrags im Jahre 1955 verzichtete die Mutter des Bf. auf ihr Recht, die Konzession ihres verstorbenen Mannes bis zu ihrem Tode im Wege der Verpachtung zu nutzen (sog. Witwenprivileg). Hierüber wurde am 25. April 1956 folgender, notariell beglaubigter Vertrag abgeschlossen:

"In Ablösung des Vorvertrages vom 4. 2. 1952 wird heute .... folgender Vertrag geschlossen:

Frau .... verzichtet auf die Nutznießung der Konzession der .... Apotheke zugunsten ihres Sohnes .... als Inhaber der Lizenz zur übernahme und Weiterführung der .... Apotheke.

Frau .... erhält dafür auf Lebenszeit eine Versorgungsrente von 6 % des Umsatzes. Der Betrag ist monatlich bis zum 15. des Monats entsprechend der Höhe des jeweiligen Umsatzes zu zahlen. Der Umsatz muß Frau .... aus der Bilanz nachgewiesen werden, die ihr sofort nach Fertigstellung vorgelegt wird.

Die Einrichtung bleibt im Besitz von Frau .... Eine anderweitige Regelung muß im Einverständnis mit Frau .... und deren Erben .... geschehen.

Geht die Apotheke zu Lebzeiten von Frau .... in andere Hände über, so muß dem Nachfolger zur Auflage gemacht werden, in die oben genannten Pflichten gegen Frau .... einzutreten.

Frau .... erhält das Recht, gegen den eventuellen Nachfolger Einspruch zu erheben, falls fachliche oder moralische Bedenken gegen ihn bestehen.

Die von Frau .... für ihren persönlichen Bedarf aus der Apotheke bezogenen Waren und Arzneimittel sind zum Einkaufspreis zu liefern".

Auf Grund dieses Vertrags zahlte der Bf. an seine Mutter im Wirtschaftsjahr 1955/1956 (1. Mai 1955 bis 30. April 1956) einen Betrag von 15.557,58 DM. Er behandelte diesen Betrag als Pacht und verbuchte ihn als Aufwand. In der Bilanz auf 30. April 1956 passivierte er einen Betrag von 1.632 DM für "Rente April". Das Finanzamt versagte den Abzug als Betriebsausgabe mit der Begründung, es handle sich um Zahlungen auf Grund eines der Versorgung der Mutter dienenden Rentenversprechens. Den in 1955 bezahlten Betrag von 9.968 DM ließ es nur mit dem Ertragsanteil von 20 v. H. = 1.994 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu.

Dagegen brachte der Bf. vor, durch den Vertrag vom 25. April 1956 sei lediglich das vorher bereits bestehende Pachtverhältnis weitergeführt worden. Mit dem Tode der Mutter wäre die Konzession automatisch an den Staat zurückgefallen und neu vergeben worden. Dabei habe er wenig Aussicht gehabt, eine Konzession zu erlangen, weil diese nach Altersgesichtspunkten vergeben worden sei. Durch einen Verzicht der Mutter auf ihr Witwenprivileg habe der Rückfall der Konzession an den Staat verhindert werden sollen. Die Mutter sei zwar ebenfalls an der Fortführung der Apotheke durch ihn interessiert gewesen, habe aber - wegen gespannter familiärer Verhältnisse mit ihm - keinen Anlaß gesehen, wesentliche Rechte aus der Hand zu geben. Dies zeige sich in den Ziffern 3 - 5 des Vertrags. Ein Verzicht der Mutter auf ihr Pachtrecht sei in Wahrheit nicht gewollt gewesen.

Einspruch und Berufung des Bf. hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht behandelte die Zahlungen an die Mutter ebenfalls in vollem Umfang als Leistungen im Rahmen einer privaten Versorgungsrente und bestätigte die steuerliche Behandlung dieser Beträge durch das Finanzamt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., mit der unrichtige Anwendung des geltenden Rechts gerügt und erneut die Anerkennung eines Pachtverhältnisses begehrt wird, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Finanzamt.

Die Vorinstanz hat die Zahlungen an die Mutter zu Recht als private Versorgungsleistungen beurteilt.

Bei der Pacht wird dem Pächter der Gebrauch des gepachteten Gegenstandes und der Genuß der Früchte auf die Dauer der Pachtzeit, also zeitlich befristet, gewährt (§ 581 Abs. 1 BGB). Demgegenüber werden beim endgültigen übergang eines Geschäfts von den Eltern auf die Kinder als Gegenleistung häufig Zahlungen vereinbart, die weniger nach dem Wert des übernommenen Geschäfts bemessen werden, sondern vielmehr die Versorgung der Eltern sicherstellen sollen (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 579/53 U vom 4. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 302, Slg. Bd. 61 S. 270; I 232/54 U vom 12. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 302, Slg. Bd. 61 S. 272). Ob das eine oder das andere gewollt ist, ob also die von den Eltern vereinnahmten Beträge als Entgelt für die zeitlich befristete Nutzungsüberlassung oder für die endgültige überlassung der Substanz zu beurteilen sind, entscheidet sich in erster Linie nach den zwischen den Parteien getroffenen bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 55/61 U vom 11. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 310, Slg. Bd. 75 S. 112; I 82/60 U vom 21. August 1962, BStBl 1963 III S. 178, Slg. Bd. 76 S. 482; VI 166/61 U vom 15. Februar 1963, BStBl 1963 III S. 239, Slg. Bd. 76 S. 656; VI 72/60 U vom 9. August 1963, BStBl 1963 III S. 454, Slg. Bd. 77 S. 366).

Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß nach dem Wortsinn des Vertrags vom 25. April 1956 der Apothekenbetrieb endgültig auf den Bf. übertragen worden ist. Der Vertrag sollte ausdrücklich den Pachtvertrag vom 4. Februar 1950 "ablösen". Er hat den ausdrücklichen Verzicht der Mutter auf ihr Witwenprivileg zum Gegenstand (Ziff. 1 des Vertrags). Damit hat sich die Mutter ihres Rechts, den Betrieb zu verpachten, zugunsten des Bf. entäußert. Dieser Verzicht stellt rechtlich und wirtschaftlich eine Veräußerung dar, weil der Bf. damit die Möglichkeit erworben hat, den Betrieb aus eigenem Recht zu betreiben und die Nutzung daraus zu ziehen. Nach Ziff. 3 ist die Einrichtung im Besitz (soll wohl heißen Eigentum) der Mutter geblieben, was bei einem Pachtvertrag, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, keiner besonderen Vereinbarung bedurft hätte. Die Ziffern 4 und 5 des Vertrages gehen ebenfalls von der Voraussetzung aus, daß sich die Mutter ihres Rechts, die Apotheke zu verpachten, endgültig entäußert hat. Dieser endgültige Verzicht der Mutter auf ihr Recht auf Verpachtung der Apotheke entsprach auch, was unbestritten ist, der damaligen Interessenlage, weil der Bf. nach der seinerzeit bestehenden Rechtsauffassung nur auf diesem Wege eine Apothekenkonzession erlangen konnte. Der Vertrag kann auch nicht dahin ausgelegt werden, daß die Mutter dem Regierungspräsidenten gegenüber auf ihr Recht zur Verpachtung verzichten, es aber andererseits dem Bf. gegenüber aufrechterhalten wollte. Nach bürgerlichem Recht sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Ein in sich widerspruchsvoller Vertragswille der Mutter würde jedoch gegen Treu und Glauben verstoßen.

Es mag zutreffen, daß sich die Mutter im Vertrag vom 25. April 1956 möglichst weitgehende Rechte sichern wollte. Hierfür sprechen insbesondere die in Ziff. 3 und 4 des Vertrags getroffenen Vereinbarungen. Diese ändern jedoch nichts daran, daß die Mutter auf ihr bis dahin bestehendes Recht, die Apotheke zu verpachten, endgültig verzichtet und sich für andersgeartete rechtliche Sicherungen entschieden hat. Es ist auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, daß der Verzicht der Mutter auf ihr Witwenprivileg wegen der verfassungsrechtlich verankerten Niederlassungsfreiheit (Art. 12 des Grundgesetzes) in Wahrheit nicht erforderlich gewesen wäre, was sich erst durch die späteren Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts herausgestellt hat (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 1956, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1957 S. 356, und des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956, NJW 1956 S. 1025, und vom 11. Juni 1958, NJW 1958 S. 1035). Ein derartiger Irrtum im Motiv ändert an der Wirksamkeit des abgeschlossenen Vertrags nichts.

Das Finanzgericht hat die Versorgungsleistungen des Bf. an seine Mutter jedoch zu Unrecht als Leibrente behandelt, die gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 EStG mit dem Ertragsanteil abgezogen werden kann. Der Begriff "Leibrente" bestimmt sich nach bürgerlichem Recht (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 105/61 U vom 29. März 1962, BStBl 1962 III S. 304, Slg. Bd. 75 S. 96; VI 115/61 U vom 10. Oktober 1963, BStBl 1963 III S. 592, Slg. Bd. 77 S. 738). Danach ist eine Leibrente nicht gegeben, wenn der Berechtigte zwar einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen hat, diese aber zahlen- und wertmäßig so wesentlichen Schwankungen unterliegen, daß eine einigermaßen zuverlässige Bestimmung der zuerwartenden jährlichen Bezüge der Höhe nach kaum möglich ist. Eine Leibrente ist mithin zu verneinen, wenn sich die laufenden Bezüge nach einem Vomhundertsatz des gewerblichen Gewinns eines fremden Unternehmens richten (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 115/61 U a. a. O.). Dem tritt der Senat bei. Entsprechendes muß aber auch dann gelten, wenn sich die Bezüge nicht nach dem Gewinn, sondern dem Umsatz eines fremden Unternehmens bemessen.

Aus dieser Beurteilung folgt nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs VI 321/61 U vom 28. Juni 1963 (BStBl 1963 III S. 424, Slg. Bd. 77 S. 287) noch nicht ohne weiteres, daß die Bezüge beim Zahlenden gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als dauernde Last voll abzugsfähig sind. Dies ist vielmehr erst zulässig, wenn die Summe der laufenden Bezüge der Gegenleistung übersteigt. Im Streitfall bemißt sich diese nach dem Wert der vom Bf. durch den Vertrag vom 25. April 1956 erworbenen Wirtschaftsgüter. Da die Warenbestände bereits sein Eigentum gewesen und die Einrichtungsgegenstände nicht an ihn übertragen worden sind, durfte die Gegenleistung in erster Linie in der übertragung des Firmenwerts bestanden haben.

Da tatsächliche Feststellungen über den Wert zur Gegenleistung bisher nicht getroffen worden sind, waren die Vorentscheidungen und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung im Einspruchsverfahren an das Finanzamt zurückzuverweisen. Sollte sich bei der erneuten überprüfung ergeben, daß die Gegenleistung höher ist als die vom Bf. im Kalenderjahr 1955 bezahlten Beträge, so müßte das Finanzamt den Bf. auf die Möglichkeit einer Verböserung hinweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411257

BStBl III 1964, 475

BFHE 1965, 1

BFHE 80, 1

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