Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Schachtelvergünstigungen des § 9 Abs. 1 KStG 1955 gilt auch für beschränkt steuerpflichtige Betriebe einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts. Soweit sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 63/59 U vom 20. September 1960 (BStBl 1961 III S. 341) etwas anderes ergibt, hält der Senat an dieser Entscheidung nicht fest.

Die Deutsche Bundesbahn unterliegt als schachtelbegünstigter beschränkt steuerpflichtiger Betrieb einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts der Nachsteuer (ß 9 Abs. 3 und 4 KStG 1955).

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 4/3, § 9; EStG § 43/1/1, § 44 Abs. 1 Ziff. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob einem von der Körperschaftsteuer befreiten Betrieb einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts (im folgenden Betrieb) das Schachtelprivileg des § 9 Abs. 1 KStG 1955 zusteht und von der an den Betrieb ausgeschütteten Dividende ein Steuerabzug vorzunehmen ist.

Die unbeschränkt steuerpflichtige GmbH schüttete für ihr Wirtschaftsjahr 1956 im Kalenderjahr 1957 an ihre zu 60 v. H. beteiligte Gesellschafterin, die Deutsche Bundesbahn, 7.200 DM an Dividenden aus und behandelte diese Ausschüttung bei ihrer Körperschaftsteuererklärung als berücksichtigungsfähige Ausschüttungen im Sinne des § 19 Abs. 3 KStG 1955. Die GmbH nahm unter Hinweis auf § 9 Abs. 4 KStG einen Steuerabzug von 15 v. H. 1.080 DM vor. Durch den angefochtenen Haftungsbescheid forderte das Finanzamt von der GmbH die Abführung einer weiteren Kapitalertragsteuer von 720 DM. Es war der Auffassung, daß der Deutschen Bundesbahn das Schachtelprivileg nach § 9 Abs. 1 KStG nicht zustehe und deshalb nach § 44 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1955 ein Steuerabzug von 25. v. H. vorzunehmen sei, für den die GmbH hafte.

Die GmbH hält die Deutsche Bundesbahn für einen Betrieb einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des § 9 Abs. 1 KStG, dem das Schachtelprivileg des § 9 Abs. 1 KStG zustehe. Darauf folge nach § 9 Abs. 2 KStG, daß sie keinen Steuerabzug vom Kapitalertrag vorzunehmen habe.

Das Finanzgericht hob auf die Sprungberufung der GmbH den Haftungsbescheid auf und setzte die Kapitalertragsteuer auf 0 DM fest. Es begründete seine Entscheidung wie folgt. Die Deutsche Bundesbahn sei ein von der Körperschaftsteuer befreiter Betrieb gewerblicher Art einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs I A 383/36 vom 16. März 1937 (RStBl 1937 S. 629, Slg. Bd. 41 S. 153) stehe auch den nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Betrieben öffentlich-rechtlicher Körperschaften (dort handle es sich um eine Staatsbank) das Schachtelprivileg nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 KStG 1934 zu. An dieser Rechtslage habe sich durch die Neufassung des § 9 KStG durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl 1954 I S. 373, BStBl 1954 I S. 575) nichts geändert. Durch dieses Gesetz seien die Betriebe inländischer öffentlich-rechtlicher Körperschaften lediglich von der Behandlung des Schachtelprivilegs des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände getrennt und den unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften und unbeschränkt steuerpflichtigen Versicherungsvereinen a. G. durch Aufnahme in § 9 Abs. 1 KStG gleichgestellt worden. Auch aus dem jetzigen Wortlaut des § 9 Abs. 1 KStG ergebe sich, daß anders als bei Kapitalgesellschaften und Versicherungsvereinen a. G. bei Betrieben inländischer öffentlich-rechtlicher Körperschaften die unbeschränkte Steuerpflicht nicht Voraussetzung des Schachtelprivilegs sei. Das Finanzamt könne sich nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 313/55 U vom 13. März 1956 (BStBl 1956 III S. 155, Slg. Bd. 62 S. 419) berufen. Dieses Urteil befasse sich lediglich mit der Frage, ob eine nach § 4 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreite Kapitalgesellschaft die Schachtelvergünstigung für empfangene Gewinnanteile in Anspruch nehmen könne. Mit Gewinnausschüttungen an Betriebe inländischer öffentlich-rechtlicher Körperschaften habe sich der Bundesfinanzhof in diesem Urteil nicht befaßt.

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts legte der Vorsteher des Finanzamts Rb. mit dem Antrag ein, den Haftungsbescheid zu bestätigen. Auf Veranlassung des Senats trat der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren bei und nahm unter anderem wie folgt Stellung.

"Die Schachtelvergünstigung der Betriebe von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts war seit dem Körperschaftsteuergesetz 1934 bis zum Steueränderungsgesetz 1954 in dem damaligen § 9 Abs. 3 KStG, dem jetzigen § 9 Abs. 4 geregelt. Diese Vorschrift wurde durch das Urteil des Reichsfinanzhofs I A 383/36 vom 16. März 1937 (RStBl 1937 S. 629) so ausgelegt, daß die Schachtelvergünstigung auch den subjektiv steuerbefreiten Betrieben von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts zustand. Die Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Gesetzgeber in demselben Absatz die Schachtelvergünstigung auch den Gebietskörperschaften zugebilligt habe, obwohl diese ohne Zweifel nur beschränkt steuerpflichtig seien. Der Reichsfinanzhof zog hieraus den Schluß, daß auch bei Betrieben von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts die unbeschränkte Steuerpflicht nicht als Voraussetzung für die Schachtelvergünstigung gefordert werden könne.

Die folgenden überlegungen zeigen jedoch, daß die Entscheidung nicht bedenkenfrei ist.

Der Bundesfinanzhof vertrat in seinem Urteil I 313/55 U vom 13. März 1956 (BStBl 1956 III S. 155) die Auffassung, daß einer nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG befreiten Kapitalgesellschaft die Schachtelvergünstigung nicht zustehe, weil der Gesetzgeber durch das Schachtelprivileg offenbar nur die sich aus der unbeschränkten Steuerpflicht der ausschüttenden und der empfangenden Kapitalgesellschaft ergebende Doppelbelastung, nicht aber die wesentlich weniger ins Gewicht fallende Mehrbelastung habe ausschließen wollen, die durch den Steuerabzug vom ausgeschütteten Ertrag herbeigeführt werde. Das Urteil des Reichsfinanzhofs I A 383/36 ist offensichtlich nicht von derartigen überlegungen bestimmt. Nun sind aber keine zwingenden Gründe erkennbar, nach denen die überlegungen des Bundesfinanzhofs nur für die Kapitalgesellschaften und nicht allgemein Geltung haben sollten, soweit sich - wie bei den Gebietskörperschaften - aus dem Gesetz nicht eindeutig etwas anderes ergibt. Eine klare Bestätigung dafür, das den wiedergegebenen Ausführungen des Bundesfinanzhofs nicht nur in bezug auf die Kapitalgesellschaften Bedeutung beizumessen ist, enthält das Urteil des Bundesfinanzhofs I 63/59 U vom 20. September 1960 (BStBl 1961 III S. 341), in dem hinsichtlich der Landwirtschaftlichen Rentenbank einer Anstalt des öffentlichen Rechts, ausgeführt wird: " Wie sich eindeutig aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 313/55 U, a. a. O., ergibt, steht der Rentenbank das Schachtelprivileg des § 9 Abs. 1 KStG nicht zu". Das Urteil des Reichsfinanzhofs I A 383/36 führt auch dazu, daß öffentlich-rechtliche Körperschaften, soweit es sich hierbei nicht um Gebietskörperschaften handelt, die Schachtelvergünstigung zwar dann nicht in Anspruch nehmen können, wenn sie die in Frage stehende Beteiligung unmittelbar selbst halten, daß ihnen aber die Schachtelvergünstigung zu gewähren ist, wenn die Beteiligung zum Vermögen eines ihrer nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Betriebe gehört. Dieses kaum zu verstehende Ergebnis tritt dann nicht ein, wenn man entgegen dem Urteil des Reichsfinanzhofs I A 383/36 unter Betrieben von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts nur unbeschränkt steuerpflichtige Betriebe versteht.

Aber selbst, wenn man in dem Urteil des Reichsfinanzhofs I A 383/36 eine zutreffende Auslegung des Körperschaftsteuergesetzes 1934 sieht, ist das Urteil des Finanzgerichts nicht haltbar. Für die Entscheidung dürfen nicht die Gründe unberücksichtigt bleiben, die dazu geführt haben, daß durch das Steuerneuordnungsgesetz 1954 die bis dahin in § 9 Abs. 3 KStG aufgeführten Betriebe von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts in die Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG übernommen wurden. Diese änderung ist allein durch die Einführung der besonderen Körperschaftsteuer (Nachsteuer) ausgelöst worden, die in den Fällen des § 9 Abs. 1 KStG im Wege der Veranlagung erhoben wird. Die Veranlagung zur Nachsteuer ist aber nur in den Fällen möglich, in denen der schachtelbegünstigte Betrieb einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ein nur beschränkt steuerpflichtiger Betrieb einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts kann nicht veranlagt werden. Unter diesen Umständen kann der Gesetzgeber bei der Einbeziehung der Betriebe von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts in die Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG überhaupt nur die unbeschränkt steuerpflichtigen Betriebe im Auge gehabt haben.

Es kommt hinzu, daß die Auslegung dieser Vorschrift durch das Finanzgericht zur Folge hat, daß auch die Gebietskörperschaften ungünstiger behandelt werden, als ihre von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebe gewerblicher Art, weil die Gebietskörperschaften nach § 9 Abs. 4 KStG der im Abzugswege zu erhebenden Nachsteuer unterliegen, während die steuerbefreiten Betriebe gewerblicher Art völlig steuerfrei bleiben. Auch dieses Ergebnis zeigt, daß die Einbeziehung der nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Betriebe von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts in die Vorschrift des § 9 Abs. 1 nicht richtig sein kann".

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist im Ergebnis nicht begründet.

Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 KStG zählt die Steuersubjekte auf, denen bei der Veranlagung die Schachtelvergünstigung zusteht. Dabei macht sein Wortlaut diese Vergünstigung bei den Kapitalgesellschaften und den Versicherungsvereinen a. G. von der unbeschränkten Steuerpflicht abhängig. Bei den Betrieben einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts entfällt aber nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Beschränkung der Vergünstigung auf unbeschränkt steuerpflichtige Betriebe. Diese ins Auge fallende unterschiedliche Formulierung des Gesetzes zwingt nach dem Wortlaut zu der Auslegung, daß es bei einem Betrieb einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts anders als bei Kapitalgesellschaften und Versicherungsvereinen a. G. nicht auf die unbeschränkte Steuerpflicht ankommen solle, daß die Schachtelvergünstigung also allen Betrieben unabhängig von ihrer unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht zustehe. Man kann hier wegen der auffälligen Weglassung der Einschränkung "unbeschränkt steuerpflichtig" bei den Betrieben nicht mehr von der Möglichkeit einer ergänzenden Auslegung des Gesetzes sprechen. Das Finanzamt und der Bundesminister der Finanzen verlangen vielmehr eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß der Gesetzgeber durch die Herausnahme der Betriebe aus § 9 Abs. 3 KStG 1953 und ihre Gleichstellung mit Kapitalgesellschaften und Versicherungsvereinen a. G. den Inhalt der Schachtelvergünstigung für diese Betriebe nicht ändern wollte. Eine solche Absicht des Gesetzgebers kommt im Gesetzesbefehl nicht entsprechend zum Ausdruck.

Wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 162/55 U vom 14. Februar 1958 (BStBl 1958 III S.207, Slg. Bd. 66 S. 539) und der dort bezeichneten Rechtsprechung ergibt, erlangt der wirkliche Wille des Gesetzgebers nur insoweit Rechtswirksamkeit, als er im Wortlaut des Gesetzes seinen Ausdruck gefunden hat (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 10/55 vom 15. Dezember 1959, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 10 S. 234, 244, und 2 BvL 11/59 und 11/60 vom 17. Mai 1960, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 11 S. 126,130). Das muß um so mehr gelten, wenn es sich wie beim Schachtelprivileg und seinen Auswirkungen um komplizierte Steuervorschriften handelt und das Finanzamt eine Auslegung des Gesetzes gegen seinen Wortlaut zuungunsten des Steuerpflichtigen verlangt. Wenn überhaupt, ist in diesen Fällen eine solche Auslegung des Gesetzes nur möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem so unverständlichen Ergebnis führt, daß ein verständiger Steuerpflichtiger das Gesetz nicht so auffassen konnte. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Sieht man zunächst von der Auswirkung der Schachtelvergünstigung auf die Nachsteuer ab, so kann von einem unverständlichen Ergebnis deshalb nicht gesprochen werden, weil die Auffassung des Finanzgerichts mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs I A 383/36 übereinstimmt und schon dieses Urteil zu dem allerdings nicht sehr sinnvollen Ergebnis führte, daß die Schachtelvergünstigung zwar nicht den von der Körperschaftsteuer befreiten, nicht zu den Gebietskörperschaften gehörenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften, z. B. der Kirche, wohl aber den an sich steuerpflichtigen, aber von der Körperschaftsteuer befreiten Betrieben zustand. Wenn die Verwaltung und der Gesetzgeber aber nach dem Erlaß des bezeichneten Urteils des Reichsfinanzhofs diese Folge als mit dem Sinn und Zweck der Regelung und Abgrenzung der Schachtelvergünstigung unvereinbar angesehen hätten, so bot die weitgehende änderung der Formulierung der Schachtelvergünstigung im Zusammenhang mit der Einführung der Nachsteuer Gelegenheit, die Schachtelvergünstigung auf unbeschränkt steuerpflichtige Betriebe zu beschränken.

Nun ist dem Bundesminister der Finanzen zuzugeben, daß die Einführung der Nachsteuer in § 9 Abs. 3 und 4 KStG und ihr Zusammenhang mit der Schachtelvergünstigung und den berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen der GmbH bei der Auslegung des § 9 Abs. 1 KStG nicht außer Betracht gelassen werden kann. Denn wenn die Auffassung des Bundesministers der Finanzen zutreffend wäre, daß die Gewährung der Schachtelvergünstigung an beschränkt steuerpflichtige Betriebe zwingend dazu führe, daß auf die bei der GmbH zu berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen führende Dividende Nachsteuer weder im Wege der Veranlagung (ß 9 Abs. 3 KStG) noch durch Steuerabzug (ß 9 Abs. 4 KStG) erhoben werden könnte, so wäre diese Folge allerdings mit dem Sinn und Zweck der Nachsteuer unvereinbar. Denn die Tarifermäßigung bei Ausschüttungen in § 9 Abs. 3 KStG sollte, wie sich erkennbar aus der Einführung der Nachsteuer ergibt, im Ergebnis nicht gewährt und durch die Nachsteuer ausgeglichen werden, wenn der Empfänger schachtelbegünstigt ist und die Dividende nicht seinerseits weiter ausschüttet. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob diese vom Bundesminister der Finanzen gezogene Folgerung so erkennbar gegen den Sinn und Zweck der Nachsteuer verstoßen würde, daß damit die Auslegung des § 9 Abs. 1 KStG dahin gerechtfertigt werden könnte, der Gesetzgeber habe offensichtlich nur unbeschränkt steuerpflichtigen Betrieben das Schachtelprivileg gewährt. Denn bei gesetzestreuer Auslegung nicht nur des § 9 Abs. 1 KStG, sondern auch des § 9 Abs. 3 KStG ergibt sich, daß die vom Bundesminister der Finanzen vertretene Auffassung und Auslegung des § 9 Abs. 3 KStG nicht zwingend ist und daß im Gegenteil der Wortlaut dieser Vorschrift dafür spricht, daß auch von den nach § 9 Abs. 1 KStG schachtelbegünstigten steuerbefreiten, also beschränkt steuerpflichtigen Betrieben Nachsteuer zu erheben ist.

§ 9 Abs. 3 KStG bestimmt, daß die nach § 9 Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile, die bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind, einer besonderen Körperschaftsteuer unterliegen, die nach der Höhe der Gewinnanteile bemessen wird. Diese Vorschrift ist eindeutig. Sie verlangt auch, bei den beschränkt steuerpflichtigen Betrieben die Erhebung der besonderen Körperschaftsteuer. Es kann aus ihr nicht der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, daß die Befreiung von der sich nach dem Einkommen richtenden Körperschaftsteuer in § 4 KStG zwangsläufig auch zu einer Befreiung von der eine besondere Steuer darstellenden Nachsteuer führt oder daß die Nachsteuer dann nicht erhoben werden soll, wenn der schachtelbegünstigte Betrieb wegen seiner Befreiung von der auf dem Einkommen liegenden Körperschaftsteuer nicht veranlagt wird. Der Hinweis in § 9 Abs. 3 2. Halbsatz KStG auf § 5 KStG kann nur bedeuten, daß die Nachsteuer im Wege der Veranlagung nach den im Kalenderjahr bezogenen nachsteuerpflichtigen Einnahmen bemessen wird. Der Senat entnimmt aus § 9 Abs. 3 KStG den Willen des Gesetzgebers, daß, soweit das Schachtelprivileg nach § 9 Abs. 1 KStG zu gewähren ist, Nachsteuer erhoben werden muß. Solange die nach § 9 Abs. 3 und nach Abs. 4 KStG zu erhebenden Nachsteuern gleichhoch sind, ist es für den Betrieb der Körperschaft des öffentlichen Rechts im Ergebnis ohne Bedeutung, ob er nach § 9 Abs. 3 KStG zur Nachsteuer veranlagt wird oder ob die ausschüttende Kapitalgesellschaft den Steuerabzug zu seinen Lasten nach § 9 Abs. 4 KStG vornimmt. Da der Gesetzgeber aber im KStG 1958 die nach § 9 Abs. 3 und 4 KStG zu erhebenden Nachsteuern in § 19 Abs. 4 Ziff. 1 und Abs. 5 Ziff. 1 KStG 1958 unterschiedlich bemaß und sie bei den beschränkt steuerpflichtigen Gebietskörperschaften deshalb von 36 auf 25 v. H. herabsetzte, um von ihnen durch Steuerabzug keine höhere Nachsteuer zu erheben, als ohne Gewährung des Schachtelprivilegs einbehalten worden wäre, so hält es der Senat nicht für vertretbar, die ebenfalls beschränkt steuerpflichtigen Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts durch die Gewährung des Schachtelprivilegs schlechter zu stellen, als sie bei Versagung des Schachtelprivilegs stehen würden. Den sich daraus ergebenden Auslegungsschwierigkeiten, daß der Gesetzgeber den beschränkt steuerpflichtigen Betrieben das Schachtelprivileg wahrscheinlich nicht geben wollte und deshalb bei der Regelung der Nachsteuer von dieser Nichtgewährung ausging, kann nur in der Weise Rechnung getragen werden, daß von den Betrieben jedenfalls keine höhere Nachsteuer erhoben wird, als der Steuerabzug bei Versagung des Schachtelprivilegs nach § 4 Abs. 2 KStG betragen würde. Der Senat hält es deshalb für richtig, daß die Nachsteuer zugunsten der Betriebe jedenfalls dann in analoger Anwendung des § 9 Abs. 4 KStG im Wege des Abzuges erhoben wird, wenn die Nachsteuer nach § 9 Abs. 3 KStG höher oder gleich hoch wäre. Daraus folgt, daß es im vorliegenden Fall bei dem von der GmbH vorgenommenen Steuerabzug von 15 v. H. verbleiben kann und der darüber hinausgehende Haftungsbescheid aufgehoben werden muß.

Soweit die vorstehenden Ausführungen mit dem Urteil des Senats I 63/59 U vom 20. September 1960 (BStBl 1961 III S. 341) nicht übereinstimmen, hält der Senat an seiner früher vertretenen Auffassung nicht fest.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410398

BStBl III 1962, 244

BFHE 1962, 662

BFHE 86, 639

BB 1962, 629

DB 1962, 758

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