Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Wird in einem Kaufvertrag über ein Grundstück vereinbart, daß dem Veräußerer die von ihm vereinnahmten Mietvorauszahlungen verbleiben, so sind die noch nicht abgewohnten Mietvorauszahlungen als dem Veräußerer vorbehaltene Nutzungen Teil der Gegenleistung.

 

Normenkette

GrEStG § 11 Abs. 1 Ziff. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) und seine Ehefrau erwarben je zur Hälfte das Miteigentum an einem Grundstück. Zur Herstellung des auf diesem Grundstück errichteten Wohngebäudes waren seitens der Mieter Mietvorauszahlungen geleistet worden. Im Kaufvertrag wurde unter anderem vereinbart:

"ß 3 Die übergabe des Grundstücks erfolgt auf 1. 7. 1956. Mit diesem Tag geht die Gefahr auf die Käufer über. Nutzungen und Lasten einschließlich Steuern und öffentlicher Abgaben gehen mit dem 1. 7. 1956 auf die Käufer über. ..."

"ß 5 In die bestehenden Mietverträge treten die Käufer ein. Ihr Inhalt ist ihnen bekannt. Geleistete Mietvorauszahlungen verbleiben der Verkäuferin. ..."

Streitig ist, ob die Mietvorauszahlungen, die bis zum 30. Juni 1956 noch nicht abgewohnt waren, nämlich 1/2 von 13.000 DM, bei Berechnung der Grunderwerbsteuer als Teil der Gegenleistung anzusehen sind. Das Finanzgericht hat diese Mietvorauszahlungen der Gegenleistung zugerechnet.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist ohne Erfolg.

Im § 446 Abs. 1 Satz 2 BGB ist bestimmt, daß dem Käufer von der übergabe der verkauften Sache an die Nutzungen gebühren und daß er von diesem Zeitpunkt an die Lasten der Sache trägt. Abweichend von dieser Vorschrift ist im Streitfall zwischen den Erwerbern und dem Veräußerer rechtsgeschäftlich vereinbart, daß dem Veräußerer die geleisteten Mietvorauszahlungen verbleiben. Dazu wird bemerkt: Auf Grund dieser Vereinbarung sind die Erwerber im Verhältnis zu den Mietern bürgerlich-rechtlich verpflichtet, die von diesen an den Voreigentümer geleisteten Mietvorauszahlungen gegen sich gelten zu lassen. Die Vorschriften, nach denen den Vorausverfügungen des Voreigentümers über den Mietzins nur eine beschränkte Wirkung zukommt, insbesondere die des § 573 Satz 2 BGB, sind somit nicht anwendbar. Andererseits sind die Erwerber verpflichtet, wenn sie das ihnen in den §§ 553 und 554 BGB eingeräumte außerordentliche Kündigungsrecht ausüben, die von den Mietern an den Voreigentümer geleisteten Mietvorauszahlungen, soweit sie noch nicht abgewohnt sind, an die Mieter zurückzuerstatten (ß 555 BGB). über das Rechtsverhältnis zwischen den Mietern und dem Erwerber des Grundstücks siehe auch die Urteile des Bundesgerichtshofs V ZR 24/54 vom 26. November 1954 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 15 S. 296) und V ZR 4/54 vom 17. Dezember 1954 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 16 S. 32) sowie die in diesen Urteilen angeführte umfangreiche Rechtsprechung.

Nach § 11 Abs. 1 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1940 gelten bei einem Kauf außer dem eigentlichen Kaufpreis auch "die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen" als Gegenleistung. Wie der Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 356/29 vom 16. Juli 1929 (Steuer und Wirtschaft 1929 Nr. 947 = Mrozek-Kartei GrEStG 1919/27 § 12 Abs. 2 Satz 1 Rechtsspruch 52) zutreffend ausführt, sind als Nutzungen im Sinne des § 446 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht nur die seit dieser Zeit fällig gewordenen oder tatsächlich gezogenen Nutzungen, sondern alle Nutzungen anzusehen, die auf die Zeit nach der übergabe entfallen. Der Reichsfinanzhof hat demgemäß Mietvorauszahlungen, die dem Veräußerer verbleiben sollen, als vorbehaltene Nutzungen und damit als Teil der Gegenleistung erachtet. Das Urteil des Reichsfinanzhofs betrifft zwar einen Sachverhalt, der in die Zeit des GrEStG 1927 fällt. Jedoch stimmt die damals angewendete Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1927 inhaltlich mit der des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 des geltenden GrEStG 1940 überein. Der erkennende Senat sieht deshalb keine Bedenken, sich der Auffassung des Reichsfinanzhofs auch für den Streitfall anzuschließen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Mietvorauszahlungen als Baukostenzuschuß geleistet wurden oder nicht.

Zu Unrecht macht der Bf. geltend, daß nach dem Urteil des Senats II 86/54 U vom 22. Dezember 1954 (Slg. Bd. 60 S. 139, Bundessteuerblatt 1955 III S. 54) die an den Veräußerer als Baukostenzuschuß entrichteten Mietvorauszahlungen auch in den Fällen rechtsgeschäftlicher Veräußerung nicht zur Gegenleistung gehören. Dieses Urteil betraf einen Erwerb in der Zwangsversteigerung. Bei einem solchen Erwerb wird aber die Gegenleistung außer nach § 11 Abs. 2 und 3 unter Zugrundelegung des § 11 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG errechnet. Die vorerwähnte Vorschrift des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG ist nicht anwendbar. Demgemäß ist beim rechtsgeschäftlichen Erwerb eine vom Erwerb in der Zwangsversteigerung abweichende Rechtslage gegeben. Im § 11 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG ist nicht bestimmt, daß die vom Erwerber übernommenen sonstigen Leistungen und die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen als Gegenleistung gelten. Demgemäß konnte es in den Gründen des Urteils vom 22. Dezember 1954 dahingestellt bleiben, ob die Mietvorauszahlungen bei einem rechtsgeschäftlichen Erwerb vorbehaltene Nutzungen im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG sein würden; maßgebend war ausschließlich, ob sie in dem damals entschiedenen Fall Teil der Gegenleistung waren. Lediglich in diesem Sinn sind die Ausführungen im Urteil vom 22. Dezember 1954 zu verstehen. Zu der Frage, wie bei einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung die übernahme der Verpflichtungen aus den Mietvorauszahlungen zu beurteilen sei, sollte also, um es zu wiederholen, nicht Stellung genommen werden.

Bemerkt sei zugleich: Der erkennende Senat ist bereits in dem Urteil II 58/56 U vom 19. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 369, Bundessteuerblatt 1956 III S. 338) davon ausgegangen, daß im Fall der rechtsgeschäftlichen Weiterveräußerung eines in der Zwangsversteigerung erworbenen Grundstücks die Gegenleistung auch die vom Erwerber übernommenen Verpflichtungen aus den als Baukostenzuschüssen geleisteten Mietvorauszahlungen umfaßt. Der Senat hat in diesem Urteil andererseits die Frage gestellt, ob nicht in den Fällen der Zwangsversteigerung in dem übergang der Verpflichtungen aus den Mietvorauszahlungen ein übergang von Belastungen im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG erblickt werden kann. Er hat diese Frage insbesondere deshalb aufgeworfen, weil in den Fällen, in denen Mietvorauszahlungen als Baukostenzuschüsse geleistet werden, die Verdinglichung des Mietrechts immer weiter fortschreitet. Siehe dazu die §§ 57 c, 57 d des Gesetzes über die Zwangsversteigerung in der Fassung des mit Wirkung ab 1. Oktober 1953 in Kraft getretenen Art. 3 Nr. 14 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsversteigerung vom 20. August 1953 (Bundesgesetzblatt I S. 952) sowie die vorerwähnten Urteile des Bundesgerichtshofs vom 26. November 1954 und 17. Dezember 1954. Diese Frage bedarf auch im Streitfall nicht der Erörterung, weil die vom Erwerber übernommenen Verpflichtungen aus den Mietvorauszahlungen infolge rechtsgeschäftlicher Vereinbarung bereits auf Grund des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG zur Gegenleistung gehören.

Sonstige Gründe, die die Rb. rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Diese war somit als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408710

BStBl III 1957, 110

BFHE 1957, 288

BFHE 64, 288

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