Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur einkommensteuerlichen Behandlung von Unterrichtshonoraren eines Handwerksmeisters.

 

Normenkette

EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1, § 19/1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist orthopädischer Schuhmachermeister in X. Aus seinem Gewerbebetrieb erklärte er für 1951 einen Gewinn von 11.521 DM. Seit Jahren ist er als nebenamtlicher Lehrmeister an der Schuhmacherabteilung der gewerblichen Berufs- und Meisterschule X tätig. Er erteilt Werkstattunterricht an Schuhmacherlehrlinge. Für wöchentlich vier Unterrichtsstunden erhielt er im Kalenderjahr 1951 insgesamt 516 DM als Entgelt.

Während das Finanzamt bis 1950 die Behandlung der Lehrentgelte als Arbeitslohn - dem Bf. waren stets Lohnsteuerkarten ausgestellt worden - unbeanstandet gelassen hatte, sprach es die fraglichen 516 DM für das Streitjahr 1951 unter Hinweis auf Abschnitte 153 Abs. 3 und 159 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 als Teil des gewerblichen Gewinns an und unterwarf sie auch der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer.

Die Einsprüche des Bf. wurden hinsichtlich der Umsatzsteuer und Einkommensteuer als Sprungberufung behandelt, während der Einspruch zur Gewerbesteuer bisher unentschieden blieb. Nach einem Aktenvermerk sollte über den Einspruch erst nach Rechtskraft der Berufungsentscheidung wegen der Einkommensteuer und Umsatzsteuer entschieden werden.

Die Sprungberufungen blieben erfolglos. Das Finanzgericht bejahte das Vorliegen einer umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit. Der Bf. sei nicht als Angestellter bei der Berufsschule anzusehen, die Unterrichtstätigkeit sei vielmehr ein Ausfluß seiner Haupttätigkeit als Schuhmachermeister. Zur Einkommensteuer führte die Vorinstanz unter Hinweis auf ihre Entscheidung zur Umsatzsteuer in einem gesonderten Urteil aus: Ob es sich bei der umsatzsteuerlich selbständigen Tätigkeit um selbständige Arbeit oder Gewerbebetrieb im Sinne des Einkommensteuerrechts handele, sei einkommensteuerlich gleichgültig. Eine Meinungsverschiedenheit zwischen Finanzamt und dem Bf. hierüber müßte im Rechtsmittelverfahren gegen den Gewerbesteuer-Bescheid ausgetragen werden. Das Urteil bemerkt noch anhangsweise, daß die EStR 1951 in Abschn. 159 Abs. 1 wohl zutreffend davon ausgingen, daß es sich insoweit um Einkünfte aus freiem Berufe handele.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene Rechtsbeschwerde zur Einkommensteuer ist begründet.

Der für die Umsatzsteuer zuständige Senat hat die Auffassung des Finanzgerichts, daß der Lehrtätigkeit die Eigenschaft eines Ausflusses der Haupttätigkeit zuzusprechen und das Lehrentgelt der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei, als rechtlich zutreffend bestätigt. Der erkennende Senat trägt keine Bedenken, der rechtlichen Würdigung auch für die Einkommensteuer zu folgen (vgl. auch § 1 Abs. 4 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -).

Mit Recht weisen die Vorentscheidungen auf Abschn. 153 und 159 EStR 1951 hin. Dort ist zutreffend zunächst im allgemeinen ausgeführt, daß nebenberuflich tätige Personen die Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis ausführen, wenn sie in das Unternehmen des Leistungsempfängers derart eingegliedert sind, daß sie dessen Weisungen hinsichtlich der geschuldeten Arbeitsleistung zu folgen verpflichtet sind (ß 3 Abs. 1 Satz 3 LStDV). Die Einnahmen aus der Nebentätigkeit sind in einem solchen Fall Arbeitslohn. In den übrigen Fällen ist die nebenberuflich tätige Person als selbständig anzusehen, selbst dann, wenn sie die Nebentätigkeit zwar nicht in einem Arbeitsverhältnis ausübt, ihre Stellung jedoch wegen der Weisungsbefugnis des Leistungsempfängers oder anderer Umstände derjenigen eines Arbeitnehmers ähnlich ist. Die Einkünfte aus einer solchen Nebentätigkeit gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie gehören in der Regel zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit (ß 18 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), sie sind jedoch der Einkunftsart des Hauptberufs (insbesondere Land- und Forstwirtschaft oder Gewerbebetrieb) zuzurechnen, wenn die Nebentätigkeit die Ausübung des Hauptberufs zur Voraussetzung hat oder mit dem Hauptberuf in engem wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Weiter heißt es in Abschn. 159 Abs. 1 EStR besonders: "Berufsschulen ... ziehen zur Durchführung des Lehrbetriebs als Lehrkräfte oft Personen heran, die die Lehrtätigkeit bei der Schule als Nebentätigkeit ausüben. Es handelt sich dabei um Personen, die im Hauptberuf Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende, selbständige Berufstätige oder Arbeitnehmer sind. Die Lehrkräfte haben über ein bestimmtes Gebiet zu festgesetzten Stunden Vorlesungen oder Unterricht zu halten. Die Ausübung der Lehrtätigkeit im Nebenberuf ist in der Regel als Ausübung eines freien Berufs anzusehen. Die nebenberuflich tätigen Lehrkräfte sind nur dann Arbeitnehmer, wenn sie in den Schulbetrieb fest eingegliedert und in der Ausübung ihrer Lehrtätigkeit an die Weisungen der Schulleitung gebunden sind. Eine solche Eingliederung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn die nebenberuflich tätige Lehrkraft in der Woche oder im Monat nur wenige Unterrichtsstunden zu geben hat."

Wenn im Streitfall das Vorliegen einer solchen festen Eingliederung in den Schulbetrieb und damit die Arbeitnehmereigenschaft von den Vorbehörden verneint worden ist, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Daß die Sache in den Vorjahren rechtlich anders behandelt worden ist, ist ohne entscheidende Bedeutung. Dasselbe gilt von der Auffassung der Stadtverwaltung, die den Bf. als Arbeitnehmer angesehen und jährlich Lohnbescheinigungen ausgestellt hat.

Nicht zu folgen vermag der Senat dagegen der Auffassung der Vorbehörde, daß es im vorliegenden Fall einkommensteuerlich unerheblich sei, ob die Bezüge des Bf. aus seiner Lehrtätigkeit zusätzliche Einkünfte im Rahmen seines Gewerbebetriebs (ß 15 EStG) oder Einkünfte aus freier Berufstätigkeit (ß 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) seien. Richtig ist zwar, daß die Bezüge aus beiden Einkunftsarten gleicherweise der Einkommensermittlung zugrunde zu legen sind. Dennoch kann im Ergebnis ein Unterschied in der Höhe der Einkünfte insofern bestehen, als dann, wenn es sich um zusätzliche gewerbliche Einkünfte handelt, diese auch der Gewerbesteuer zu unterwerfen sind und der Bf. in diesem Fall berechtigt ist, das Mehr an Gewerbesteuer bereits im Wirtschaftsjahr, auf das sich die Gewerbesteuer-Belastung bezieht, einkunftsmindernd durch eine entsprechende Rückstellung zu berücksichtigen, weil er seinen gewerblichen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt. Nach dem Inhalt der Akten hat der Bf. eine pauschale Rückstellung von 1.000 DM für Gewerbesteuer gemacht, die bei der Veranlagung zur Einkommensteuer unvermindert übernommen worden ist. Der Bf. darf bei Annahme höherer gewerblicher Einkünfte diesen Posten angemessen erhöhen. Sinngemäß gilt das gleiche für die Belastung mit der Umsatzsteuer.

Sind dagegen die Einkünfte als solche aus freier Berufstätigkeit anzusehen, so kommen die oben angeführten Erwägungen nicht zu Raum. Eine Gewerbesteuer kommt nicht in Betracht. Die zu leistende Umsatzsteuer kann erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung einkommensteuerlich berücksichtigt werden, weil für die Einkünfte aus den freien Berufen nicht der Vermögensvergleich, sondern die Einnahme- und Ausgaberechnung (ß 4 Abs. 3 EStG) Ermittlungsgrundlage wäre.

Die Vorbehörde hätte mithin die Frage der Einkunftsart nicht dahingestellt sein lassen dürfen, sondern hätte zu ihr Stellung nehmen müssen.

Da die Vorbehörde diese Gesichtspunkte verkannt hat, war die Vorentscheidung zur Einkommensteuer wegen Rechtsirrtums aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an die Vorbehörde zurückzuverweisen zur weiteren Prüfung, ob es sich im vorliegenden Fall um gewerbliche Einkünfte oder um Einkünfte aus freier Berufstätigkeit handelt.

Im übrigen ist die Vorinstanz bisher noch nicht weiter auf das Vorbringen des Bf., daß ihm im Zusammenhang mit seinem Lehrauftrag besondere Ausgaben entstanden seien, eingegangen. Eine überprüfung dieses Punktes ist erforderlich. Der Bf. wird sich hierzu über die einzelnen Aufwendungen näher zu äußern haben.

Bei der weiteren Würdigung des Sachverhalts wird von den rechtlich zutreffenden Ausführungen der oben erwähnten Abschn. 153 Abs. 3 und 159 Abs. 1 EStR auszugehen sein. Der Senat neigt nach dem bisher aus den Akten ersichtlichen Sachverhalt der Auffassung zu, daß in Fällen wie dem vorliegenden - ähnlich wie in dem vom Finanzamt erwähnten Fall des Friseurmeisters (Urteil des Finanzgerichts Hamburg, Deutsche Steuer-Rundschau 1954 S. 39) - die hauptberufliche, also die gewerbliche Betätigung als die wesentliche Veranlassung für die Berufung zum Lehrmeister des Werkstattunterrichts anzusehen ist. Die Lehrtätigkeit stünde dann mit dem Hauptberuf in einem derartig engen Zusammenhang, daß die Einkünfte aus der Nebentätigkeit - ungeachtet des in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG festgelegten Grundsatzes, daß die unterrichtende Tätigkeit zu den freien Berufen gehört - der Einkunftsart des Hauptberufs zuzurechnen wären. Daß eine ausreichende pädagogische Begabung für die Nebentätigkeit vorliegen muß, reicht noch nicht aus, diese als wirtschaftlich losgelöst vom Betrieb der Schuhmacherei anzusprechen, dies um so weniger, als das Unterrichtsfach sich auf dem ureigensten Gebiet der eigenen gewerblichen Betätigung des Bf. bewegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408114

BStBl III 1955, 229

BFHE 1956, 82

BFHE 61, 82

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