Leitsatz (amtlich)

1. Durch die Zahlung eines Entgelts für den anteiligen Geschäftswert beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils wird ein Gesamtgeschäftswert des Unternehmens nur in Ausnahmefällen konkretisiert, und zwar nur dann, wenn das für den anteiligen Geschäftswert gezahlte Entgelt eindeutig und klar bestimmbar ist.

2. Ein Ausnahmefall im Sinne des Rechtssatzes 1 liegt nicht vor, wenn die Höhe des Kaufpreises für den Mitunternehmeranteil durch die Abfindung eines lästigen Gesellschafters mitbestimmt ist.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 2, 95 Abs. 1

 

Tatbestand

Bei der endgültigen Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1966 setzte das FA entsprechend den Feststellungen bei einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung einen Firmenwert von 150 000 DM an. Nach Auffassung des Betriebsprüfers, der sich das FA anschloß, war dieser Firmenwert dadurch als geldwerte Realität konkretisiert worden, daß bei dem Erwerb des Anteils des früheren Komplementärs im Jahre 1958 durch die jetzige Komplementärin ein über den Buchwert dieses Anteils liegender Kaufpreis gezahlt wurde und bei der einheitlichen Gewinnfeststellung im Einvernehmen mit der Klägerin von diesem Mehrbetrag ein Betrag von 50 000 DM als auf den Firmenwert entfallend behandelt worden sei. Dabei sei man von einem Gesamtfirmenwert der Klägerin von 150 000 DM ausgegangen, wovon auf den verkauften Anteil 1/3 entfallen sei. Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens sei nach einer Verfügung der OFD nicht nur der Bruchteil des Firmenwerts, für den das Entgelt gezahlt worden sei, sondern der aus dem Entgelt zu berechnende Wert des ganzen Firmenwerts anzusetzen. Der Einspruch, mit dem die Klägerin einen Ansatz des Firmenwerts mit nur 50 000 DM erstrebte, hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage statt, setzte den Firmenwert mit nur 50 000 DM an und stellte den Einheitswert auf einen entsprechend niedrigeren Betrag fest.

Das FA beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen. Die Revision wird auf Verletzung der §§ 95 Abs. 1 und 109 Abs. 1 BewG 1965 gestützt. Das FA vertritt weiterhin die Auffassung, daß eine Konkretisierung des Firmenwerts bei endgültigem Erwerb eines Mitunternehmeranteils auch hinsichtlich der übrigen Mitunternehmeranteile gegeben sei. Die Wertbemessung sei in solchen Fällen nicht willkürlich, sondern belegt und nachprüfbar. Beim Geschäftswert müsse von der Vorstellung ausgegangen werden, daß er den ganz zu bewertenden Betrieb "nach Art eines Fluidums gleichmäßig erfüllt", so daß seine Aufdeckung in einem Teil des Betriebs die Umrechnung auf den ganzen Betrieb nicht nur rechtfertige, sondern geradezu fordere. Die frühere Rechtsprechung des RFH sei heute nicht mehr anwendbar. Nach der zwischenzeitlichen rechtlichen Entwicklung müsse die Einheitsbewertung völlig getrennt von der Ertragsbesteuerung gesehen werden. Auch im vorliegenden Fall müsse entgegen der Auffassung des FG davon ausgegangen werden, daß der dem Geschäftsanteil entsprechende Anteil des Firmenwerts im Kaufpreis voll vergütet worden sei. Andere kaufpreisverzerrende Sonderinteressen - außer dem Interesse der Firma an der Trennung von dem lästigen Gesellschafter - seien nicht erkennbar. Wenn Anteile der Firma in den Jahren vorher zum Buchwert erworben worden seien, so hätten damals preisverzerrende Sonderinteressen in der Gegenrichtung gewirkt. Das FA habe bereits in früheren Schriftsätzen dargetan, daß diese Ankäufe in Zeiten wirtschaftlicher Bedrängnis der Firma durch einen Großlieferanten, der Interesse an ihrem Fortbestand gehabt habe, vorgenommen worden seien.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie hält die Vorentscheidung für zutreffend. Insbesondere ist sie der Auffassung, daß im vorliegenden Fall aus dem für den Mitunternehmeranteil gezahlten Entgelt keine sicheren Schlüsse auf einen Gesamtfirmenwert gezogen werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß immaterielle Wirtschaftsgüter nur dann als selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens angesetzt werden können, wenn sie konkretisiert als geldwerte Realität in Erscheinung getreten sind. Es ist der Auffassung, daß dies der Fall ist, wenn entweder die selbständige Bewertungsfähigkeit durch die allgemeine Verkehrsanschauung anerkannt oder das immaterielle Wirtschaftsgut entgeltlich erworben oder die selbständige Bewertungsfähigkeit durch Aufwendungen anerkannt wird, die auf das zu bewertende immaterielle Wirtschaftsgut gemacht worden sind. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des BFH III 156/65 vom 13. Februar 1970, BFH 98, 273, BStBl II 1970, 369). Sie gilt auch für den Ansatz eines Geschäftswerts mit der Einschränkung, daß ein Geschäftswert nicht aufgrund einer allgemeinen Verkehrsanschauung angesetzt werden kann. Das FG hat aus dieser Auffassung zutreffend gefolgert, daß ein Geschäftswert dann anzusetzen ist, wenn er entgeltlich erworben wurde, und daß dies auch dann gilt, wenn beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils ein Entgelt auch für den anteiligen Geschäftswert gezahlt wurde. Daß beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils der Geschäftswert immer nur in der Höhe als konkretisiert und damit als bewertungsfähiges Wirtschaftsgut anzusehen sei, in der im Kaufpreis für den Mitunternehmeranteil auch ein Entgelt für den Geschäftswert steckt, wie das FG angenommen hat, trifft jedoch nicht zu. Das FG hat sich dabei der Auffassung des RFH in den Urteilen III 138/40 vom 19. Dezember 1940 (RStBl 1941, 388) und III 124/42 vom 29. Oktober 1942 (RStBl 1943, 69) angeschlossen. Der Senat hat sich mit dieser Frage noch nicht ausdrücklich befaßt. Er ist mit dem FA der Meinung, daß die beiden RFH-Urteile sich zu eng an die ertragsteuerliche Aktivierung eines Firmenwerts beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils anschließen. Eine gleichartige Beurteilung im Ertragsteuerrecht und im Bewertungsrecht ist zwar insoweit geboten, als es sich um die Frage handelt, ob durch die Zahlung eines überhöhten Kaufpreises für den Anteil an einer Personengesellschaft ein anteiliger Geschäftswert als geldwerte Realität in Erscheinung getreten ist. Denn diese Frage kann in beiden Steuerrechtsgebieten übereinstimmend nur danach beantwortet werden, ob und in welchem Umfang für den Geschäftswert etwas gezahlt worden ist. Wenn es sich aber um den Ansatz eines Gesamtgeschäftswerts der Gesellschaft handelt, sind bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens andere Überlegungen maßgebend als im Ertragsteuerrecht. Während dort eine Aktivierung des Gesamtgeschäftswerts schon deswegen entfällt, weil für ihn nichts gezahlt worden ist, kann im Bewertungsrecht der Gesamtgeschäftswert sich auch in anderer Weise als durch eine Zahlung konkretisiert haben.

Der Senat hat allerdings in dem Urteil III R 9/71 vom 6. August 1971 (BFH 102, 573, BStBl II 1971, 677) bei der Frage, ob bei Verpachtung eines Gewerbebetriebs ein Geschäftswert konkretisiert worden ist, die Einschränkung gemacht, daß dabei keine Schätzungsmethode angewandt werden dürfe, die gegen den Grundsatz der Einzelbewertung verstoße. Diese Einschränkung gilt auch hier. Aus ihr folgt, daß es zwar grundsätzlich möglich ist, daß durch die Zahlung eines Entgelts für den anteiligen Geschäftswert beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils der Gesamtgeschäftswert als konkretisiert anzusehen ist. Das wird aber nur in Ausnahmefällen, und zwar nur dann der Fall sein, wenn das beim Erwerb des Mitunternehmeranteils gezahlte Entgelt für den anteiligen Geschäftswert eindeutig und klar bestimmbar ist, so z. B. wenn der über den buchmäßigen Stand des Kapitalkontos und die anteiligen stillen Reserven hinausgehende Kaufpreis für den Mitunternehmeranteil nur auf den anteiligen Geschäftswert entfallen kann.

2. Der Senat ist der Auffassung, daß aus den unter 1. dargelegten Gründen im Streitfall kein Gesamtgeschäftswert angesetzt werden kann. Der Teilbetrag von 50 000 DM des für den verkauften Komplementäranteil gezahlten Kaufpreises ist in der Weise ermittelt worden, daß das FA den gesamten Geschäftswert nach der im BFH-Urteil I 229/59 U vom 11. Oktober 1960 (BFH 71, 695, BStBl III 1960, 509) aufgezeigten Methode mit 150 000 DM errechnet und davon 1/3 als auf den verkauften Anteil entfallend in der Ertragsteuerbilanz angesetzt hat, womit die Klägerin sich schließlich einverstanden erklärte. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß der auf diese Weise ermittelte Betrag keine genügend eindeutige Grundlage bildet, den ganzen Geschäftswert konkretisiert zu behandeln. Es muß dabei berücksichtigt werden, daß nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten der Komplementär als lästiger Gesellschafter angesehen wurde und daß es bei der Festlegung des Betrags von 50 000 DM in erster Linie darum ging, in welcher Höhe der Kaufpreis nicht als sofort abziehbare Betriebsausgabe behandelt werden sollte. Wenn sich die Klägerin mit diesem Betrag abfand, so kann man aus diesem Einverständnis nicht herleiten, daß sie damit das Vorhandensein eines Geschäftswerts in Höhe von 150 000 DM anerkennen wollte. Nach Auffassung des Senats muß in solchen Fällen, in denen der über den Buchwert und die anteiligen stillen Reserven hinaus gezahlte Kaufpreis nicht nur wegen des Vorhandenseins eines Geschäftswerts, sondern auch aus anderen Gründen, z. B. wegen Abfindung eines lästigen Gesellschafters, gezahlt wird, davon abgesehen werden, aus dem Teil des Kaufpreises, der schätzungsweise auf den anteiligen Geschäftswert entfällt, auf die Konkretisierung des gesamten Geschäftswerts zu schließen. Im Streitfall spricht außerdem noch dagegen, daß der Ansatz des gesamten Geschäftswerts auch zu einer Erhöhung des Anteils der Kommanditisten führen würde, deren Rechtsvorgänger den Kommanditanteil kurz vor dem Verkauf des Komplementäranteils zum Buchwert, also ohne Berücksichtigung eines Geschäftswerts erworben hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413063

BStBl II 1972, 310

BFHE 1972, 367

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