Leitsatz (amtlich)

Ein Ausnahmefall im Sinne des Rechtssatzes 1 des Urteils III R 87/70 vom 26. November 1971, der den Ansatz eines Gesamtgeschäftswerts des Unternehmens rechtfertigen könnte, liegt nicht vor, wenn der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters von einem anderen Gesellschafter erworben wird, der damit über 75 v. H. aller Anteile in Händen hat.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 2, 95 Abs. 1

 

Tatbestand

Bei den endgültigen Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1966 und auf den 1. Januar 1967 durch die Bescheide vom 10. September 1968 setzte das FA einen Geschäftswert von 873 462 DM an, während in den vorläufigen Einheitswertbescheiden auf diese beiden Stichtage entsprechend den Angaben der Klägerin in ihren Vermögensaufstellungen nur bei einem Kommanditisten ein Geschäftswert von 112 288 DM angesetzt war. Das FA folgte dabei der Auffassung des Prüfers, daß beim Erwerb des Anteils eines anderen Kommanditisten in Höhe von 12,855 v. H. durch diesen Kommanditisten nicht nur bei ihm ein anteiliger Geschäftswert von 112 288 DM konkretisiert worden sei, sondern ein diesem anteiligen Geschäftswert rechnerisch entsprechender Gesamtgeschäftswert der Klägerin von 873 462 DM.

Der Einspruch, mit dem sich die Klägerin gegen die Erhöhung des Geschäftswerts wandte, hatte keinen Erfolg. Das FG gab dagegen der Klage statt.

Das FA beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen. Es wird mangelnde Sachaufklärung und Verletzung der §§ 95 Abs. 1 und 109 Abs. 4 BewG 1965 gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Das FG habe zu Unrecht generell ausgeschlossen, daß bei der Veräußerung eines Anteils von nur 12,855 v. H. eine Hochrechnung auf den Gesamtgeschäftswert ausgeschlossen sei. Diese Auffassung sei im Urteil nicht begründet. Sie habe auch im Gesetz keine Stütze. Die Größe eines Unternehmensanteils sei für sich allein niemals der Maßstab für den Verkaufspreis und damit für das Vorhandensein sog. preisverzerrender Umstände. Die Höhe der zu übernehmenden Aktiva und Passiva, sowie die Ertragskraft des Unternehmens seien zunächst die preisbestimmenden Elemente. Darüber hinaus werde aber auch von entscheidender Bedeutung sein, welchen Einfluß auf das Gesamtunternehmen der Unternehmensanteil gewähre, welche gesellschaftlichen Machtbefugnisse er für den Erwerber mit sich bringe. Wenn das FG der Auffassung gewesen sei, die Hochrechnung auf einen Gesamtgeschäftswert sei ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvereinbar mit den Grundsätzen der Einzelbewertung abzulehnen, so hätte es die näheren Umstände dieses Falles ermitteln und beurteilen müssen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Senat hat in dem Urteil III R 87/70 vom 26. November 1971 entschieden, daß durch die Zahlung eines Entgelts für den anteiligen Geschäftswert beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils ein Gesamtgeschäftswert des Unternehmens nur in Ausnahmefällen konkretisiert wird, und zwar nur dann, wenn das für den anteiligen Geschäftswert gezahlte Entgelt eindeutig und klar bestimmbar ist. Auf Abschnitt 1 der Begründung dieses Urteils wird Bezug genommen.

2. Der Senat ist der Auffassung, daß im Streitfall kein Gesamtgeschäftswert anzusetzen ist. Es kann allerdings zweifelhaft sein, ob die Bedenken gegen die vom FA vorgenommene Hochrechnung des anteiligen Geschäftswerts auf den Gesamtgeschäftswert sich allein damit rechtfertigen lassen, daß es sich bei dem verkauften Anteil um einen verhältnismäßig geringen Anteil gehandelt hat. Der Senat braucht jedoch zu dieser Frage nicht abschließend Stellung zu nehmen. Denn selbst wenn man diese Bedenken nicht für ausreichend hält, eine Hochrechnung abzulehnen, ist dem FG darin zuzustimmen, daß im Streitfall nicht klar und eindeutig ersichtlich ist, ob und in welcher Höhe mit dem Kaufpreis für den Anteil auch ein anteiliger Geschäftswert abgegolten sein sollte. Es muß im vorliegenden Fall beachtet werden, daß der Anteil von einem anderen Kommanditisten erworben wurde, der zwar schon vor dem Erwerb einen eigenen Anteil von über 50 v. H. besaß, aber diesen Anteil durch den hinzuerworbenen Anteil auf über 75 v. H. vergrößern und damit seine Vorrangstellung und seinen Einfluß in der Gesellschaft noch verstärken konnte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß dieser Umstand bei der Preisbestimmung für den erworbenen Anteil zumindest mitbestimmend war, so daß sich aus diesem Kaufpreis nicht mit der für die Konkretisierung eines Gesamtgeschäftswerts erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit auf einen Geschäftswert schließen läßt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413061

BStBl II 1972, 311

BFHE 1972, 370

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