Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Nr. 1 EStDV, die als Bemessungsgrundlage der AfA bei vor dem 21. Juni 1948 angeschafften oder hergestellten Privatgebäuden den Einheitswert vorsieht, steht mit dem Grundgesetz in Einklang.

 

Normenkette

EStG 1965 §§ 7, 51 Abs. 1 Nr. 2p; EStDV 1949-1954 § 13; EStDV 1955f. § 27; EStDV 1965 § 10a; GG Art. 3, 20, 80 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Bemessungsgrundlage der AfA für Gebäude für drei vor dem 21. Juni 1948 angeschaffte oder hergestellte Mietwohngrundstücke, die den Klägern und Revisionsklägern (Steuerpflichtige) in Miterbengemeinschaft gehören. Im einheitlichen und gesonderten Feststellungsverfahren 1965 legten die Steuerpflichtigen der AfA-Berechnung den Einheitswert der Grundstücke zugrunde, begehrten jedoch hierauf einen AfA-Satz von 3,5 v. H. für das im Jahre 1899 bebaute Grundstück E-Straße 89 und von 3 v. H. für die übrigen im Jahre 1921 bzw. 1924 bebauten Grundstücke. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ließ dagegen nur einen AfA-Satz von 2,5 v. H. des Einheitswerts zu. Mit dem Einspruch, der im wesentlichen auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10a EStDV gestützt wurde, erstrebten die Steuerpflichtigen den fortgeschriebenen Feuerkassenwert oder den vierfachen Einheitswert als AfA-Bemessungsgrundlage. Gegen die abschlägige Einspruchsentscheidung erhoben die Steuerpflichtigen Klage mit dem Antrag, für die Bemessung der AfA den zweieinhalbfachen Einheitswert zugrunde zu legen. Das FG wies die Klage ab. Es ging davon aus, nach § 11d EStDV 1965 gelte für die Steuerpflichtigen aufgrund des unentgeltlichen Erwerbs, was für die Erblasserin rechtens gewesen wäre. Diese hätte nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStDV nur den Einheitswert zugrunde legen können. § 10a EStDV beruhe auf der verfassungsgemäßen Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG. Art. 3 GG sei nicht verletzt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision machen die Steuerpflichtigen geltend, der Gesetzgeber habe der Bundesregierung mit der Regelung in § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG die Möglichkeit einräumen wollen, anstelle der Abschreibung vom Einheitswert eine ähnliche Abschreibungsmöglichkeit zu schaffen, wie sie für die Zeiträume vor 1965 bestanden habe. Die Bundesregierung habe von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht und damit die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes offenbar hinnehmen wollen. Denn nunmehr sei die Abschreibung für Gebäude, die zu einem Betriebsvermögen gehörten und andere, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehörten, unterschiedlich geregelt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Eine Bemessung der AfA nach dem zweieinhalbfachen Einheitswert ist nach dem geltenden Recht unzulässig. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG 1965 sind grundsätzlich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes Bemessungsgrundlage der AfA. Diese Regelung gilt für Gebäude, die vor dem 21. Juni 1948 erworben worden sind, mit der Maßgabe, daß anstelle der Anschaffungs- und Herstellungskosten der Einheitswert am 21. Juni 1948 tritt. Für Gebäude des Betriebsvermögens ergibt sich dies schon aus § 16 Abs. 1 DMBG. Hinsichtlich privater Gebäude ist es aus § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG in Verbindung mit § 10a EStDV zu entnehmen. § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG und § 10a EStDV 1965 stehen trotz der Abweichung von § 7 Abs. 4 EStG mit dem GG in Einklang.

1. Die Abweichung vom gesetzlichen Normaltatbestand durch eine gesetzliche Ermächtigung ist unbedenklich, soweit hierdurch nicht Verfassungsrecht verletzt wird oder die Abweichung nicht Willkür verrät. Denn in diesem Rahmen hätte der Gesetzgeber eine von § 7 EStG abweichende Regelung auch selbst treffen können; wie er dies tat, lag in seinem Ermessen.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht deshalb vor, weil die AfA für Privatgebäude von einer anderen Bemessungsgrundlage vorzunehmen sind als für die Betriebsgebäude, die entsprechend der Bilanzierung in der letzten RM-Schlußbilanz abgeschrieben werden (§ 16 Abs. 2 DMBG). Der Gleichheitssatz bindet den Gesetzgeber im Grunde nur insoweit, als nicht willkürlich Gleiches ungleich behandelt werden darf (BVerfGE 4, 144 [155]; 18, 121 [124]; 21, 6 [9], BStBl III 1967, 166 [167]; Schwendy, DB 1971, 681, 682f.). Grundsätzlich entscheidet der Gesetzgeber, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse im Rechtssinne als gleich oder ungleich behandelt werden können (BVerfGE 6, 273 [280]).

Der Gesetzgeber darf auch durch Sonderbestimmungen von dem einen Rechtskreis bestimmenden Grundregeln, die er selbst gesetzt hat, abweichen (BVerfGE 12, 151 [164], BStBl I 1961, 55 [59]). Weder das Willkürverbot noch das aus ihm folgende Gebot der Steuergerechtigkeit sind hier verletzt. Die Gründe für den Ansatz des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 ergeben sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH zu § 13 EStDV 1949 bis 1954 und § 27 EStDV 1955f. Danach bildet der Einheitswert im Interesse der steuerlichen Gerechtigkeit und der Vereinfachung für alle Beteiligten eine gleichartige und verhältnismäßig leicht zu ermittelnde Grundlage für die Bemessung der AfA (vgl. zuletzt BFH-Urteil VI R 46/66 vom 22. Februar 1967, BFH 88, 86, BStBl III 1967, 287, mit weiteren Nachweisen). Daß Steuergesetze aus Praktikabilitätsgründen typisieren und den Belangen der Vereinfachung der Besteuerung Rechnung tragen müssen, ist ein verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Rechtsgrundsatz (BVerfGE 21, 12 [27]; BStBl III 1967, 7 [11]; BVerfGE 27, 58 [65], BStBl II 1970, 140 [142]). Wenn auf den Einheitswert zum Zeitpunkt der Währungsumstellung abgehoben wird, so entspricht dies deren einschneidender Wirkung für die Entwicklung der Geld-, Währungs- und Wirtschaftsverhältnisse. Für diesen Sachkomplex muß ebenso wie für die Regelung der Kriegs- und Kriegsfolgelasten (vgl. BVerfGE 27, 286) dem Gesetzgeber weitreichende Gestaltungsfreiheit zugesprochen werden. Ob das Gesetz die "zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung" gefunden hat, fällt im Rahmen der Prüfung nach Art. 3 GG nicht ins Gewicht (BVerfGE 26, 302 [310], BStBl II 1970, 156 [158]; BVerfGE 29, 327 [335]).

2. Inhalt, Zweck und Ausmaß der in § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG erteilten Ermächtigung sind gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend bestimmt.

Das Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit bedeutet nach Ansicht des Senats (ebenso der IV. Senat in dem Beschluß IV 294/63 U vom 9. September 1965, BFH 83, 514, BStBl III 1965, 686 [689 rechte Spalte]), daß lediglich der Gegenstand der Regelung hinreichend erkennbar sein muß. Das ist hier der Fall. Die Vorschrift begrenzt den Kreis der Wirtschaftsgüter, für welche eine von § 7 EStG abweichende AfA-Bemessungsgrundlage anhand näher umschriebener Hilfswerte in Betracht kommt.

Ziel der Bestimmung war und ist, der grundlegenden Wandlung der Geld-, Währungs- und Wirtschaftsverhältnisse durch die Währungsumstellung Rechnung zu tragen. Dieser Gesetzeszweck ist zwar nicht in der Vorschrift ausdrücklich ausgesprochen. Er ergibt sich jedoch im Wege der Auslegung aus dem Sinnzusammenhang der Vorschriften des EStG und der EStDV sowie der Entstehungsgeschichte. Daß auch an Art. 80 GG zu messende Ermächtigungsnormen ausgelegt werden dürfen bzw. müssen, ist vom BVerfG seit langem anerkannt (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 7, 272f. [291]; 8, 307). Wie das FG zutreffend hervorgehoben hat, war bereits durch § 13 EStDV 1949 eine weitgehend inhaltsgleiche Regelung getroffen worden, die auch in den Folgejahren fortgeführt und insbesondere durch § 27 EStDV 1955 neu gefaßt wurde. Es galt, nachdem für das frühere Recht in Rechtsprechung und Literatur Zweifel am Vorliegen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage geäußert worden waren, diese in § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG nachzuholen (vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vom 23. Mai 1957, zu Bundestagsdrucksache 3 509/3 510 - 2. Wahlperiode 1953 - Abschn. A III 4, S. 14 linke Spalte).

Das Ausmaß der erteilten Ermächtigung erscheint ebenfalls ausreichend bestimmt. Aus dem Wortlaut des Satzes 2 von § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG ist nicht zu schließen, daß der Verordnungsgeber die Wahl zwischen verschiedenen Hilfswerten für die AfA-Bemessung bei Privatgebäuden überlassen werden sollte und überlassen worden wäre. Denn die bisherige Regelung für die Bemessung der AfA an nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern in § 27 Nrn. 1 und 2 EStDV 1955 hatte die Bemessungsgrundlage der AfA von der Art des Wirtschaftsguts und seines Erwerbs abhängig gemacht. Insbesondere war zwischen Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern zu unterscheiden. Da mit § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG, wie dargelegt, eine Rechtsgrundlage für diese Durchführungsregelung nachgeholt werden sollte, ergibt sich hieraus der deutlich zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers, daß Bemessungsgrundlage für die AfA von nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Gebäuden nach wie vor der Einheitswert sein sollte. Die in der Ermächtigungsbestimmung außer dem Einheitswert genannten Hilfswerte (Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers abzüglich der von ihm vorgenommenen AfA; fiktive Anschaffungskosten zu einem noch zu bestimmenden Stichtag) beziehen sich nur auf unentgeltlich erworbene Gebäude einerseits (vgl. § 27 Nr. 1b-c EStDV 1955) und sonstige Wirtschaftsgüter andererseits (vgl. § 27 Nr. 2 EStDV).

3. Gemäß Satz 3 des § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG ist der Verordnungsgeber nur berechtigt, aber nicht verpflichtet worden zu gestatten, daß die AfA entsprechend der bisherigen Regelung so bemessen werden können, wie dies im Veranlagungszeitraum 1947 zugelassen war. Es stand mithin im Ermessen der Bundesregierung, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen. Die Pflicht, im "wohlverstandenen Sinn der erteilten Ermächtigung" zu handeln, sich insbesondere von sachfremden Erwägungen freizuhalten (BVerfGE 13, 248 [254f., 257]; 16, 238f.), ist nicht mißachtet worden. Gegen die Beibehaltung der AfA-Sätze aus dem Veranlagungszeitraum 1947 sprechen schon die vom VI. Senat hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit dieser Ermächtigung geäußerten Bedenken (vgl. VI 122/65 U vom 15. Oktober 1965, BFH 84, 30, BStBl III 1966, 11). Hiervon abgesehen hinderte auch das Art. 20 GG zu entnehmende Gebot der Rechtssicherheit, das für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet (Leibholz-Rinck, Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl., Art. 20 Anm. 42), die Bundesregierung nicht, von der bisherigen Regelung insoweit Abstand zu nehmen. Denn der Grundsatz des Vertrauensschutzes kommt nur bei Rückwirkung von Gesetzen zum Tragen. Die Annahme einer Rückwirkung scheidet hier aber aus. Daß § 51 Abs. 1 Nr. 2p EStG eine einheitliche Gesamtregelung darstellen solle, auf Grund deren die darin vorgesehenen Maßstäbe für die Bemessung der AfA in einem Zusammenhang stünden und demgemäß sämtlich in der zu erlassenden Durchführungsverordnung zu regeln seien, so daß diese sonst ungültig wäre, braucht der Vorschrift nicht entnommen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413022

BStBl II 1972, 337

BFHE 1972, 318

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