Leitsatz (amtlich)

  1. Die Vergünstigung des § 9 Abs. 1 GrEStG kann einem Gläubiger, der bei Fälligkeit seines Pfandrechts ernstlich Erfüllung verlangt, aber nicht befriedigt wird, nicht allein deshalb versagt werden, weil das Pfandrecht im übrigen nicht gefährdet war und der Gläubiger selbst die Zwangsvollstreckung zwecks Befriedigung seines Rechts betrieben hat.
  2. Ist bei der Zwangsversteigerung mit einem ausreichenden Erlös nicht zu rechnen, so kann in einem solchen Fall auch der freihändige Erwerb des Gläubigers nach § 9 Abs. 3 GrEStG begünstigt sein (vgl. jedoch § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).
  3. Dem Bürgen einer durch das Grundpfandrecht gesicherten Forderung (ß 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GrEStG) kann nicht stets entgegengehalten werden, das Grundpfandrecht habe schon bei Übernahme der Bürgschaft keine genügende Deckung gewährt.
 

Normenkette

GrEStG § 9 Abs. 3, 1, 5

 

Streitjahr(e)

1959

 

Tatbestand

Frau A. M. und Frau B. N. (Tochter der Klägerin und Revisionsbeklagten) waren je zur unabgeteilten Hälfte Miteigentümerinnen eines Grundstücks im Einheitswert von 9.500 DM. Dieses Grundstück war zugunsten einer Bank mit zwei Grundschulden von je 50.000 DM belastet, die der Sicherung eines Kredits dienen sollten, welche die Bank den Eigentümerinnen gewährt hatte. Für diesen Kredit hatte sich die Klägerin verbürgt. Die Bank hat sie wegen eines Betrags von 49.532 DM in Anspruch genommen. Nach Zahlung dieses Betrags hat die Bank am 9. Oktober 1958 die Grundschulden an die Klägerin abgetreten. Am 8. April 1959 haben die Eigentümerinnen das Grundstück an die Klägerin gegen Verzicht auf deren Rückgriffsforderung verkauft.

Das Finanzamt (FA) hat den Erwerb von der Tochter gemäß § 3 Nr. 6 GrEStG von der Grunderwerbsteuer freigestellt, der Klägerin aber wegen des Erwerbs der anderen Miteigentumshälfte die Befreiung gemäß § 9 Abs. 3 GrEStG auch im Einspruchsverfahren versagt. Das Finanzgericht (FG) hat die Klägerin auch insoweit von der Steuer freigestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die - noch als Rb. eingelegte - Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt: Die Verkäuferinnen hätten sich in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen befunden. Das Grundstück sei im wesentlichen ihr einziges Wertobjekt gewesen. Es hätte kaum damit gerechnet werden können, daß die Klägerin bei einer Versteigerung des Grundstücks wegen ihrer Forderung voll befriedigt worden wäre. Ein Anhalt dafür, daß die Klägerin das Pfandrecht zur Ersparung von Abgaben bei einem beabsichtigten Erwerb des Grundstücks erworben hätte, bestehe nicht.

Diese Feststellungen reichen, zusammen mit der aus anderen Ausführungen des FG zu erschließenden Prämisse, daß die Klägerin ernstlich auf Erfüllung ihrer Rückgriffsforderung drängte, für die Anwendung des § 9 Abs. 3, Abs. 1 GrEStG aus. Denn § 9 Abs. 3 GrEStG bezweckt, zu verhindern, daß Grundstücke allein deshalb versteigert werden müssen, um sich die Grunderwerbsteuerfreiheit gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG zu sichern. Da der Erwerb der Klägerin in der Zwangsversteigerung unter im übrigen gleichen Bedingungen gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG steuerfrei gewesen wäre, ist es auch der vorliegende freihändige Erwerb (ß 9 Abs. 3 GrEStG).

Dagegen wendet der Beklagte ein, im vorliegenden Fall sei eine Versteigerung des Grundstücks nicht zu besorgen, folglich auch das Grundpfandrecht nicht gefährdet gewesen. Das ist indessen nur bedingt richtig. Zwar waren die Grundschulden als solche nicht von dritter Seite gefährdet, wenn sie - wie der Beklagte behauptet - die einzige Belastung des Grundstücks waren. Dieser Umstand nahm aber der Klägerin nicht das Recht, bei Fälligkeit der Grundschulden (ß 1193 BGB) Befriedigung aus dem Grundstück zu verlangen (ß 1191 Abs. 1 BGB); insoweit geht der Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs II 194/57 U vom 21. Dezember 1960 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 72, S. 444; BStBl III 1961, 163 (165) fehl), weil in dem dort entschiedenen Fall die Hypothekenforderung gestundet war. Da eine Grundschuld, soweit der Gläubiger bei Fälligkeit nicht befriedigt wird, letztlich nur durch Zwangsversteigerung realisiert werden kann, darf § 9 GrEStG nicht allein deshalb nicht angewandt werden, weil der Erwerber selbst die Zwangsversteigerung betrieben hat oder betreiben müßte. Ist, wie im vorliegenden Fall das FG bindend (ß 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat, mit einem ausreichenden Versteigerungserlös nicht zu rechnen, so kann auch der freihändige Erwerb durch den Gläubiger eines fälligen, sonst aber nicht gefährdeten Grundpfandrechts eine "Rettung seines Rechts" im Sinne des § 9 Abs. 3, Abs. 1 GrEStG darstellen.

Der Gefahr, daß dieser Weg mißbräuchlich beschritten werde, beugt § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Denn danach ist die Vergünstigung ausgeschlossen, wenn auch nur ein Anhalt besteht, daß der Pfandgläubiger das Pfandrecht zur Ersparung von Abgaben bei dem beabsichtigten Erwerb des Grundstücks erworben hat. Diesen Anhalt hat das FG im vorliegenden Fall aber mit Recht ausgeschlossen. Zwar sind die - im Unterschied zu Hypotheken (ß 1113 Abs. 1 BGB; vgl. § 1153 BGB) - nicht akzessorischen Grundschulden auf die Klägerin nicht schon gemäß § 774 Abs. 1 Satz 1, §§ 412, 401 Abs. 1 BGB übergegangen, nachdem sie als Bürgin die Bank wegen ihrer Forderung befriedigt hatte. Deren Erwerb ist aber gleichwohl eine Folge ihres Einstehens als Bürgin und beruht nicht auf einem unabhängig davon vorhandenen Willen, die Grundschulden und durch deren Einsatz das Grundstück zu erwerben.

Daher geht auch der weitere Einwand des Beklagten fehl, der Wert der der Klägerin zustehenden Grundschulden sei bereits vor ihrem Erwerb gefährdet gewesen. Denn dieser Vorhalt mag die Bank treffen, welche diese Grundschulden zunächst erworben hatte; er trifft aber nicht die Klägerin. Diese konnte, als sie die Grundpfandrechte von der Bank erwarb, nicht mehr frei wählen; sie hatte auf alle Fälle für ihre Bürgschaft einzustehen und mußte zufrieden sein, als Gegenwert für ihre Zahlung die Grundschulden zu erhalten. Daß sie sich früher für möglicherweise sonst nicht genügend abgesicherte Forderungen verbürgt hat, kann ihr schon nach dem Grundgedanken des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegengehalten werden. Denn das Bedürfnis, eine bereits durch ein Grundpfandrecht gesicherte Forderung zusätzlich noch durch eine Bürgschaft zu sichern, tritt regelmäßig auf, wenn das Grundpfandrecht selbst keine absolute Sicherheit gewährt. Gleichwohl begünstigt § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GrEStG denjenigen, der "Bürgschaft für eine einem Grundpfandrecht zugrunde liegende Verbindlichkeit übernommen hat", in gleicher Weise wie den Grundpfandgläubiger. Einem Grundpfandgläubiger (ß 9 Abs. 5 Satz 1 GrEStG) kann folglich nicht entgegengehalten werden, daß er den Erwerb seines Pfandrechts der Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung verdankt, die er eingegangen ist, obwohl der Betrag des die Hauptforderung sichernden Pfandrechts den Wert des Grundstücks übersteigt. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Anhalt dafür bestände, daß der Steuerpflichtige die Kausalkette, die schließlich zu seinem Grundstückserwerb führte, vorhergesehen hätte und die Bürgschaftsverpflichtung deshalb eingegangen wäre, um bei dem beabsichtigten Erwerb des Grundstücks Abgaben zu sparen (ß 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).

Somit hat das FG zu Recht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3, Abs. 1 GrEStG bejaht. Die Revision des Beklagten war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425812

BFHE 1967, 99

BFHE 87, 99

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