Leitsatz (amtlich)

1. Hat das FG im ersten Rechtsgang den Einheitswert und die Vermögensteuer gegenüber dem Einheitswertbescheid und dem Vermögensteuerbescheid herabgesetzt, so sind im zweiten Rechtsgang das FG und der BFH nicht gehindert, den Einheitswert und die Vermögensteuer über die Beträge des erstinstanzlichen finanzgerichtlichen Urteils hinaus bis zur Höhe der angefochtenen Verwaltungsakte zu erhöhen. Das Verbot der Verböserung gilt hinsichtlich der Entscheidung des FG im ersten Rechtsgang nicht.

2. Die vertragliche Verpflichtung eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens, zu einem späteren Zeitpunkt die Versorgungsanlagen abzubrechen, kann nur in der entsprechend der Restlaufzeit abgezinsten Höhe berücksichtigt werden. Abbruchkosten für die am Stichtag bestehenden Anlagen können nach den Wertverhältnissen des jeweiligen Stichtags als Betriebsschuld abgezogen werden. Lohnkostensteigerungen, die nach dem jeweiligen Stichtag eintreten, können nicht berücksichtigt werden. Ebensowenig kann der Vermögensverlust in die Rückstellung einbezogen werden.

 

Normenkette

FGO § 126 Abs. 5; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Streitig ist, ob und in welcher Höhe die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) eine Rückstellung für im Staatsvertrag von 1913 übernommene Verpflichtungen zur Entfernung aller mit der Elektrizitätsversorgung zusammenhängenden Anlagen bilden kann. Im ersten Rechtsgang hat der erkennende Senat im Urteil vom 29. November 1968 III 237/64 (BFHE 94, 501, BStBl II 1969, 228) dahin entschieden, daß die Entfernungslast nach dem Staatsvertrag unbedingt entstanden und dementsprechend dem Grunde nach abzugsfähig sei. Zur Höhe der Entfernungslast hat der Senat dahin entschieden, daß sie nach den Gegebenheiten des Stichtages zu schätzen sei und daß die Anerkennung einer abzugsfähigen Schuld dem Grunde nach nicht einer Abzinsung der geltend gemachten betragsmäßigen Last auf das Jahr 1988 entgegenstehe, da die Entfernungslast erst zu diesem Zeitpunkt fällig sei. Dem FG war in der zurückverweisenden Entscheidung aufgetragen worden, zu prüfen, wie die Entfernungslast bewertungsmäßig auf den 1. Januar 1954 zu berücksichtigen sei.

Im zweiten Rechtsgang hat das FG den von ihm im ersten Rechtsgang mit ... DM festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf ... DM herabgesetzt. Das FG hat hierzu folgendes ausgeführt:

Die Entfernungslast setze sich aus dem Vermögensverlust, der der Klägerin beim Abbau der entfernungspflichtigen Anlagen nach dem Bestande vom 1. Januar 1954 entstehe, sowie aus den beim Abbau der zu entfernenden Anlagen entstehenden Kosten zusammen. Diese Entfernungslast mindere als Betriebsschuld das Rohvermögen der Klägerin. Die Vorinstanz begründet ihre Auffassung noch mit dem Hinweis darauf, daß der BFH in der Körperschaftsteuersache der Klägerin eine sich nach dem jeweiligen Vermögensverlust berechnende Rückstellung anerkannt habe (siehe Entscheidung vom 27. November 1968 I 162/64, BFHE 94, 383, BStBl II 1969, 247). Darüber hinaus seien aber auch bewertungsrechtlich die eigentlichen Entfernungskosten in die Rückstellung einzubeziehen, die die Klägerin nunmehr geltend mache und deren Berücksichtigung sich aus der vorgenannten Bestimmung des Staatsvertrages ableite.

Zur Höhe der Entfernungslast geht die Vorinstanz davon aus, daß der sog. Brutto-Herstellungswert der Anlagen, d. h. die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der jeweiligen Anschaffung oder Herstellung zugrunde zu legen sei. Das FG folgte insoweit den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, denen der Beklagte und Revisionskläger (FA) nicht widersprochen hatte. Der Brutto-Herstellungswert errechnete sich hiernach auf insgesamt ... DM. Der durch lineare Abschreibung (ohne Lohnkostensteigerungen) errechnete Buchwert zum 31. Dezember 1987 betrage für diese Wirtschaftsgüter ... DM. Dem Begehren der Klägerin, den Lohnkostenanteil des Buchwerts der entfernungspflichtigen Anlagen um die Lohnkostensteigerungen zu erhöhen, die bis 31. Dezember 1987 ggf. eintreten würden, könne nicht entsprochen werden. Dies würde dem bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzip widersprechen. Der normale Herstellungswert der Baulichkeiten müsse an jedem Feststellungszeitpunkt nach dem jeweils vorhandenen Anlagebestand und den jeweiligen Wertverhältnissen geschätzt werden. Steuerrechtlich könne eine fortschreitende Geldentwertung sozusagen im voraus nicht anerkannt werden.

Die Vorinstanz ist daher der Meinung, daß der Lohnkostenanteil der Abbruchkosten (Wert 1. Januar 1954) um einen Zuschlag von 50 v. H. erhöht werden müsse. Dadurch werde berücksichtigt, daß die Abbruchkosten am 1. Januar 1988 anfallen und daß sich bereits am 1. Januar 1954 eine deutliche Tendenz der Lohnsteigerung abgezeichnet habe. Nach der Branchenerfahrung betrage bei der Abbauverpilichtung der Klägerin der Materialanteil etwa 1/3 des Lohnanteils der Abbaukosten.

Auf Grund dieser Erwägungen errechnete das FG sodann den Wert der Entfernungslast zum 1. Januar 1988 wie folgt:

Vermögenseinbuße infolge der Entfernung der Anlage ... DM

Abbruchkosten, Lohnkostenanteil ... DM

+ Zuschlag von 50 v. H. ... DM

Materialkostenanteil ... DM

Gesamtsumme ... DM

Dieser Wert sei auf den Stichtag 1. Januar 1954 abzuzinsen; bei einer Laufzeit von 34 Jahren betrage der Vomhundertsatz 16,196.

Die Vorinstanz stellte dementsprechend den Einheitswert für das Betriebsvermögen der Klägerin auf den 1. Januar 1954 fest.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Gerügt wird Verfahrensmangel und Verletzung des Stichtagsprinzips. Beantragt wird Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage, hilfsweise, Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Das FA ist der Meinung, daß der BFH die Möglichkeit habe, im zweiten Rechtsgang erneut zu prüfen, ob die Verpflichtung der Klägerin nicht aufschiebend bedingt sei.

Das FA sieht einen Verfahrensmangel darin, daß das FG zu Unrecht eine Bindung an die Rechtsauffassung des BFH insofern angenommen habe, als es in die Berechnung der Rückstellung die Abbruchs- und Wiederinstandsetzungskosten zuzüglich des Wertverlustes einbezogen habe. Nach Meinung des FA können nur die Abbruch- und Wiederinstandsetzungskosten rückstellungsfähig sein, während der Wertverlust eine Frage des Teilwerts der einzelnen Wirtschaftsgüter sei. Hierzu habe der BFH keine abschließende rechtliche Beurteilung vorgenommen.

Das FA hält die angefochtene Entscheidung auch nicht vereinbar mit dem Stichtagsprinzip. Nach seiner Meinung ist in die Berechnung der Rückstellung nur der Anlagenteil einzubeziehen, der am 1. Januar 1954 bereits bestand und im Jahre 1988 noch vorhanden sein werde. Anlagen, die am Stichtag noch nicht gebaut seien, könnten ebensowenig wie Anlagen, die am 1. Januar 1988 nicht mehr vorhanden wären, eine Entfernungslast begründen.

Das FA hält sodann die Berücksichtigung eines Vermögensverlustes nicht für möglich. Vorsorglich trägt es zur Höhe der Berechnung vor, daß es zwar möglich sei, den Brutto-Herstellungswert zum Ansatz zu bringen. Die Verpflichtung zur Erneuerung der Anlagen könne aber nicht mit dem Abzug eines Schrottwertes kompensiert werden. Dieser Aufwand entstehe erst nach dem Stichtag und sei somit nicht berücksichtigungsfähig. Auch der Zuschlag zum Lohnkostenanteil von 50 v. H. sei nicht gerechtfertigt und mit dem Stichtagsprinzip nicht vereinbar.

Das FA führt sodann weiter aus, das FG habe nicht berücksichtigt, daß der Klägerin aus dem Staatsvertrag beachtliche Rechte zuständen, die bewertungsrechtlich bisher noch keinen Niederschlag gefunden hätten. Der Staatsvertrag räume der Klägerin auf die Dauer von 75 Jahren das Recht ein, gegen eine jährliche Anerkennungsgebühr von nur 100 DM Starkstromleitungen mit Zubehör auf, über und unter Staatsgrund und anderen staatseigenen Anlagen zu führen. Damit habe die Klägerin ein Nutzungsrecht erworben, dem eine entsprechende Gegenleistung nur zu einem geringen Teil gegenüberstehe. Auf dieses Rechtsverhältnis seien die Grundsätze über Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften anzuwenden, was im Streitfall zu einer wesentlichen Verminderung des Rückstellungsbetrages führen müsse.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision. Nach ihrer Meinung waren das FG und nunmehr der BFH im zweiten Rechtsgang an die im Urteil im ersten Rechtsgang getroffene Entscheidung gebunden, daß es sich bei der Entfernungslast um eine unbedingt entstandene Verpflichtung der Klägerin handle. Das FG habe auch zutreffend sowohl den Vermögensverlust als auch die eigentlichen Entfernungskosten berücksichtigt. Sie ist im übrigen der Meinung, daß das Verböserungsverbot dergestalt gelte, daß FG und BFH im zweiten Rechtsgang keinen niedrigeren Betrag als den der vom FG im ersten Rechtsgang anerkannten Rückstellung berücksichtigen dürften.

Das FG sei bei seiner Berechnung zutreffend davon ausgegangen, daß außer den reinen Entfernungskosten auch der Vermögensverlust zu berücksichtigen sei. Beide Positionen seien untrennbar miteinander verbunden. Sie bildeten zusammen die "Entfernungslast".

Zur Berücksichtigung der Lohnkostensteigerung bei den Entfernungskosten hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß der vom FG berücksichtigte Aufschlag von 50 v. H. eigentlich zu niedrig sei. Folge man der Vorinstanz, so bedeute das nämlich, daß bis zum Jahre 1988 nur ein Lohnkostenanstieg von etwa 1 v. H. jährlich zugrunde gelegt sei. Demgegenüber wies die Klägerin darauf hin, daß bereits 1973 die Lohnkostensteigerung 740 v. H. gegenüber 1954 betragen habe, was einer jährlichen Steigerung von 7 bis 8 v. H. entspreche.

Das FA hat in der mündlichen Verhandlung die Berechnung des FG im Hinblick auf die Lohnkostensteigerung zwar bestritten, das Zahlenwerk als solches, insbesondere auch den Ansatz von 1/3 Materialaufwand bei der Berechnung der Entfernungskosten anerkannt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Entgegen der Meinung des FA ist der erkennende Senat an die im ersten Rechtsgang von ihm getroffene Entscheidung gebunden, daß die Verpflichtung der Klägerin zur Entfernung ihrer Anlagen im Jahre 1988 unbedingt besteht und daher auch zu dem hier streitigen Stichtag 1. Januar 1954 dem Grunde nach zur Bildung einer Rückstellung führen kann. Das FA beruft sich insoweit zu Unrecht auf den Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) vom 6. Februar 1973 GmS-OGB 1/72 (BFHE 109, 206). Wie der GmS-OGB hierbei ausgeführt und in Nr. 3 seines Rechtssatzes herausgestellt hat, kann ein oberster Gerichtshof des Bundes, wenn er seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und nunmehr erneut mit derselben Sache befaßt wird, von der im ersten Rechtsgang vertretenen Rechtsauffassung abweichen. Dieser Fall liegt aber hier nicht vor. Der Senat ist hinsichtlich der Berücksichtigung von unbedingten oder bedingten Verpflichtungen bei der Bewertung des Betriebsvermögens in einem Vergleichsfall bisher nicht abgewichen.

Es liegt auch kein Fall des vorletzten Absatzes des Beschlusses des GmS-OGB vor. Dort hat der GmS-OGB es zwar für denkbar gehalten, daß eine Einschränkung der Bindungswirkung für das Revisionsgericht in dem neu zu entscheidenden Fall wünschenswert wäre, wenn es seine Rechtsauffassung erst anläßlich der zweiten Entscheidung in dieser Sache ändern wolle. Der GmS-OGB hat diese Frage ausdrücklich unentschieden gelassen. Der erkennende Senat ist aber der Meinung, daß ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt. Der erkennende Senat hat im ersten Rechtszug entschieden, daß das FG die vertraglichen Bestimmungen des Staatsvertrages zutreffend ausgelegt und hierbei allgemein zu beachtende Auslegungsgrundsätze nicht verletzt hat. Nur wenn letzteres nicht der Fall gewesen wäre, hätte der Senat prüfen können, ob er sich an seine Rechtsauffassung gebunden hielt oder nicht.

2. Ist sonach bei der weiteren rechtlichen Beurteilung die Auffassung zugrunde zu legen, daß es sich bei der Verpflichtung der Klägerin zur Entfernung ihrer Anlagen um eine unbedingt entstandene Last handelt, so kann doch der Auffassung des FG, daß bei der Berechnung der Höhe dieser Verpflichtung sowohl der Vermögensverlust als auch die reinen Entfernungskosten zu berücksichtigen seien, nicht gefolgt werden. In dieser Frage ging der Senat bei seiner Entscheidung, ohne dies ausdrücklich ausgesprochen zu haben, von der bisherigen Rechtsprechung aus. Hierzu ist zunächst folgendes zu bemerken:

a) Zur bewertungsrechtlichen Behandlung von Abbruchverpflichtungen im Zusammenhang mit den auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäuden hat der Senat ausgeführt, daß eine solche vertraglich vereinbarte Abbruchverpflichtung bei der Feststellung des Einheitswerts des Gebäudes berücksichtigt werden kann. Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, daß bei der Ermittlung des Teilwerts der der Stromversorgung dienenden Anlagen auf fremdem Grund und Boden die vertraglich vereinbarte Abbruchverpflichtung wertmindernd berücksichtigt werden könnte. Die Ausführungen der Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat stellen neues tatsächliches Vorbringen dar, das nicht berücksichtigt werden kann (§ 118 Abs. 2 FGO).

b) Der Senat hat in der Entscheidung vom 31. Januar 1964 III 178/61 U (BFHE 78, 458, BStBl III 1964, 178, unter II.) ausdrücklich ausgeführt, daß von der Frage der Bewertung der Gebäude mit dem Teilwert die Frage unterschieden werden muß, ob für eine auf der Abbruchverpflichtung beruhenden Belastung, die eine Folge des Abbruchs selbst ist, ein Schuldposten in die Vermögensaufstellung eingestellt werden kann. Der Senat hat die auf der Abbruchverpflichtung beruhende Belastung als Betriebsschuld anerkannt, die bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens abgezogen werden kann.

Diese Rechtsauffassung steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats über die Behandlung einer sog. Heimfallverbindlichkeit (vgl. BFH-Entscheidung vom 9. Oktober 1964 III 14/62 U, BFHE 80, 454, BStBl III 1964, 638). Ähnlich wie im vorliegenden Streitfall hatte auch im Falle des Urteils III 14/62 U die Klägerin die von ihr errichteten und zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuübereignenden Baulichkeiten in jeder Beziehung einwandfrei zu unterhalten und zu erhalten. Der Unterschied zum Streitfall besteht aber darin, daß die Gebäulichkeiten in diesem Zeitpunkt bei Ablauf des Vertrages an den früheren Grundstückseigentümer zurückzuübertragen waren, während die Klägerin ihre Anlagen nach Ablauf des Vertrages abbrechen muß. Es handelt sich somit um einen anderen Sachverhalt, der mit dem vorliegenden, bei dem es um die Bewertung einer abzugsfähigen Schuld für eine unbedingt eingegangene Verpflichtung zum Abbruch am Stichtag bestehender Anlagen handelt, nicht verglichen werden kann.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Vermögensverlust bei der Berechnung der Höhe des Schuldabzugs infolge der Entfernungsverpflichtung nicht berücksichtigt werden kann.

c) Der Senat vermag dem FG auch hinsichtlich der Berechnung der Rückstellung, soweit sie sich auf die reinen Abbruchkosten bezieht, nicht in vollem Umfang zu folgen.

Wie der BFH im Urteil III 178/61 U und in der Entscheidung vom 7. August 1970 III R 119/67 (BFHE 100, 122, BStBl II 1970, 842) entschieden hat, ist bei der Ermittlung der mutmaßlichen zukünftigen Abbruchkosten nur von dem Betrag auszugehen, der nach den Verhältnissen des Feststellungszeitpunkts für die Trennung aufzuwenden wäre. An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch für den vorliegenden Streitfall fest. Damit kann entgegen der Meinung der Klägerin und des FG die künftige Lohnsteigerung in keinem Fall berücksichtigt werden. Eine Einbeziehung der möglichen Kostensteigerung würde sowohl dem Stichtagsprinzip als auch dem Nominalwertprinzip (siehe BFH-Urteil vom 14. Mai 1974 VIII R 95/72, BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572) widersprechen. Der Senat vermag auch den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat über die Berechnung der künftigen Lohnsteigerung aus mehreren Gründen nicht zu folgen. Einmal konnte aus der Sicht des hier maßgebenden Stichtags 1. Januar 1954 nach den damals gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht damit gerechnet werden, daß die Lohnkostensteigerung allein bis 1974, wie die Klägerin vorträgt, bereits rd. 700 v. H. betragen würde. Zum anderen kann eine Lohnkostensteigerung wegen des für das Bewertungsrecht maßgebenden Stichtagsprinzips auch nicht unter dem Gesichtspunkt Berücksichtigung finden, daß zu der allgemeinen Produktionssteigerung einerseits die Lohnsteigerung und daneben noch eine gesonderte Inflationsrate errechnet würde. Derartige Überlegungen mehr spekulativer Art über künftige Entwicklungen können auf den Stichtag nicht zurückbezogen werden. Lohnkostensteigerungen, die bis zu späteren Stichtagen eingetreten sind, können erst zu diesen Stichtagen der Bewertung zugrunde gelegt werden.

d) Entgegen der Auffassung des FA kann bei der Berechnung der Höhe der Rückstellung nicht berücksichtigt werden, daß der Belastung ein Nutzungsrecht gegenüberstehe, das nur zu einem geringen Teil als Gegenleistung angesehen werden könnte. Das FA hat seine Meinung unter Hinweis auf den Ansatz von Ansprüchen und Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften begründet. Dieser Auffassung kann jedoch nicht zugestimmt werden. Sie würde einerseits dem Grundsatz der Einzelbewertung widersprechen, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bewertungsrecht gilt (vgl. Entscheidung vom 12. Juli 1968 III 181/64, BFHE 93, 323, BStBl II 1968, 794). Die Grundsätze über die Behandlung schwebender Geschäfte sind andererseits nur bei gegenseitigen Verträgen anzuwenden, bei denen sich zunächst die Ansprüche und Verpflichtungen der beiden Vertragspartner ausgleichen, dieses Gleichgewicht jedoch dann dadurch verlorengeht, daß einer der Vertragspartner eine Vorleistung erbringt. Das trifft jedoch im Streitfall nicht zu. Bei richtiger Betrachtung steht bei dem Versorgungsunternehmen dem vom Staat eingeräumten Nutzungsrecht die von dem Unternehmen für das Vertriebsgebiet übernommene Anschluß- und Versorgungspflicht gegenüber. Innerhalb des betroffenen Gebietes sind aber Staat und Gemeinden nicht oder nur in ganz geringem Umfang Abnehmer des Stromes. Schon aus diesem Grunde können auch die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes und die "Allgemeinen Versorgungsbedingungen" nicht in Betracht gezogen werden. Aus dem gleichen Grunde braucht der Senat auch nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine Enteignung der Versorgungsanlagen wahrscheinlich ist oder nicht, da diese Frage auf die Berechnung der Höhe der Rückstellung keinen Einfluß hat. Es erübrigt sich daher auch ein Eingehen auf das von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgelegte Sachverständigengutachten.

3. Nach obigen Ausführungen berechnet sich nunmehr die abzugsfähige Rückstellung wie folgt:

Abbruchkosten: Lohnkostenanteil ohne Zuschlag ... DM

Materialkostenanteil ... DM

Summe ... DM

Dieser Betrag stellt die Kosten dar, die für die Anlagen und nach den Wertverhältnissen 1954 im Jahre 1988 aufzuwenden wären. Da die Abbruchkosten erst zu diesem Termin zu zahlen sind, ist der Betrag abzuzinsen. Dies bedeutet entgegen der Meinung der Klägerin nicht, daß damit eine Abzinsung auf das Jahr 1920 zurückerfolgt. Der einschlägige Vomhundertsatz beträgt nach der Hilfstafel 1 zum BewG 1934 für eine Laufzeit von 34 Jahren 16,196. Damit errechnet sich der Gegenwartswert der Abbruchverpflichtung und damit die Rückstellung auf ... DM. Der Einheitswert ist damit wie folgt festzustellen: ...

4. Entgegen der Meinung der Klägerin steht diese Steuerfestsetzung nicht im Widerspruch zum Verböserungsverbot im Hinblick darauf, daß das FG in der Entscheidung im ersten Rechtsgang den Einheitswert auf ... DM und die Vermögensteuer auf ... DM festgesetzt und seinerzeit nur die Klägerin Revision eingelegt hatte. Der Senat hatte im ersten Rechtsgang das Urteil des FG aufgehoben. Damit bestand das Verbot der Verböserung nur noch gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt. Sowohl das FG wie auch der BFH sind im zweiten Rechtsgang an die Entscheidung des FG im ersten Rechtsgang somit nicht mehr gebunden (vgl. Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 127 Tz. 20).

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 110

BFHE 1976, 257

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