Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Abschreibung der durch die Einführung der Niederlassungsfreiheit für Apotheker entwerteten veräußerlichen und vererblichen Apothekenbetriebsrechte (Privilegien, Realrechte, Realkonzessionen) ist das Vorhandensein eines in dem Bilanzposten "Betriebsrecht" mitbewerteten Geschäftswert zu berücksichtigen. Das gilt auch für die nicht entgeltlich erworbenen Betriebsrechte, die in der DMEB gemäß § 75 DMBG mit dem Einheitswert (§ 58 BewG) ausgewiesen wurden.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der gesonderten Gewinnfeststellung die Teilwertabschreibung eines Apothekenbetriebsrechts im Jahre 1957 auf 0 DM. Der Steuerpflichtige erwarb im ersten Halbjahr 1948 von seinem Vater das Betriebsrecht der Apotheke zum Preis von 70.000 RM. Es handelte sich um eine persönliche Konzession mit Präsentationsrecht (Realkonzession). Die Apotheke war im Zeitpunkt des Erwerbs des Rechts kriegszerstört und noch nicht wiedereröffnet. Der Kaufpreis lehnte sich an den Einheitswert des Betriebsrechts am 1. Januar 1946 von 72.000 RM an. Nach dem Wiederaufbau des Apothekengebäudes, dessen Eigentümer der Vater des Steuerpflichtigen geblieben war, eröffnete der Steuerpflichtige die Apotheke am 2. August 1948. Mit Rücksicht auf die Einführung der Niederlassungsfreiheit und die dadurch hervorgerufene Entwertung der Apothekenbetriebsrechte (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 1956 I C 221/54, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1957 S. 356 und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956 1 BvF 3/53, NJW 1956 S. 1025, und vom 11. Juni 1958 1 BvF 596/56, NJW 1958 S. 1035) war das Finanzamt mit einer Abschreibung des Realrechts auf ein Drittel des Wertes von 70.000 RM, d. h. auf 23.300 DM, zum 31. Dezember 1956 einverstanden. Nunmehr begehrte der Steuerpflichtige die Vollabschreibung auf 0 DM in seiner Bilanz vom 31. Dezember 1957.

Mit seiner Berufung gegen den dieses Begehren ablehnenden Bescheid des Finanzamts hatte der Steuerpflichtige Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus, nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs unterscheide sich das Apothekenbetriebsrecht wesensmäßig von einem Firmenwert. Es sei mehr als der Geschäftswert und enthalte die Konzession zur Ausübung eines Gewerbebetriebs. Das veräußerliche und vererbliche Apothekenbetriebsrecht selbst stelle ein einheitliches Wirtschaftsgut dar, das eine Aufspaltung in ein Apothekenbetriebsrecht und in einen etwa in ihm enthaltenen Geschäftswert nicht gestatte (Urteile des Bundesfinanzhofs I 136/52 S vom 10. März 1953, BStBl 1953 III S. 139, Slg. Bd. 57 S. 351; IV 232/52 U vom 12. März 1953, BStBl 1953 III S. 155, Slg. Bd. 57 S. 394; III 78/55 U vom 17. August 1956, BStBl 1956 III S. 297, Slg. Bd. 63 S. 256). Werde die Betriebserlaubnis wertlos, so könne auch nicht ein Teil des Apothekenbetriebsrechts als Geschäftswert weiterbestehen. Da die Betriebsrechte am 31. Dezember 1957 in vollem Umfang wertlos gewesen seien, sei der Steuerpflichtige berechtigt, das letzte Drittel des Konzessionswerts nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG am 31. Dezember 1957 auf 0 DM abzuschreiben. Die Ansetzung eines Geschäftswerts an Stelle des abgeschriebenen Betriebsrechts komme nicht in Frage. Es ergebe sich schon nach der Sachlage nichts für einen zusätzlich erworbenen Geschäftswert. Die einen Firmenwert kennzeichnenden Merkmale, wie die werbende Kraft eines Firmennamens, Fertigungsgeheimnisse, Qualität und Ruf der Erzeugnisse, hätten bei der Apotheke des Vaters des Steuerpflichtigen am 1. Januar 1946 und bei der übernahme des Betriebsrechts im ersten Halbjahr 1948 durch den Steuerpflichtigen nicht vorgelegen. Aber auch wenn man entgegen der Auffassung der Kammer trotz der Wertlosigkeit der Betriebserlaubnis die Möglichkeit der Weiterführung eines etwa in ihr enthaltenen Geschäftswerts bejahe, müsse das Recht hier auf 0 DM abgeschrieben werden. Denn ein auf einen Geschäftswert entfallender Teil der gesamten Anschaffungskosten von 70.000 RM sei nicht nachweisbar.

Der Bundesminister der Finanzen trat dem Verfahren bei. In seiner Stellungnahme führte er im wesentlichen aus, die durch die rechtliche Aushöhlung der Apothekenrealrechte eingetretene Entwertung führe nicht ohne weiteres zu einer Vollabschreibung. Die Betriebsrechte enthielten in der Regel einen Geschäftswert. Dieser Geschäftswert komme bei der Abschreibung der Betriebsrechte wieder zum Vorschein und sei in der Bilanz fortzuführen. Die Abschreibung des Geschäftswerts richte sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Durch die generelle Zulassung einer Abschreibung auf ein Drittel des Werts der Betriebsrechte dürfte der Einführung der Niederlassungsfreiheit im allgemeinen ausreichend Rechnung getragen worden sein. Eine Vollabschreibung sei nur zulässig, wenn sich feststellen lasse, daß jeglicher Geschäftswert entfallen sei. Zu einer anderen Auffassung berechtigten auch nicht die besonderen Verhältnisse des Streitfalles. Auch bei dem ruhenden Apothekenrecht des Streitfalles könnten der Geschäftswert und der Seltenheitswert nicht getrennt behandelt werden. Auch der Seltenheitswert verkörpere wie der Geschäftswert die Gewinnaussichten eines Unternehmens, die sich aus den verschiedensten Faktoren ergäben. Der Wegfall des Seltenheitswerts bei gleichzeitigem Zuwachs an sonstigem Geschäftswert könne deshalb keine Abschreibung begründen. Im übrigen sei es durchaus nicht sicher, daß die Aufwendungen der Steuerpflichtigen für das Apothekenbetriebsrecht nur den Seltenheitswert abgegolten hätten. Wenn ein Betrieb durch Kriegsereignisse zur Schließung gezwungen werde, so verflüchtige sich sein Geschäftswert nicht sofort. Alles das, was den Geschäftswert ausmache, könne bei der Wiedereröffnung innerhalb angemessener Zeit nach wie vor wertbestimmend bleiben. Nichts anderes könne für die vom Vater des Steuerpflichtigen betriebene Apotheke gelten. Eine Aufspaltung des gezahlten Entgelts von 70.000 RM sei nicht möglich und auch nicht zulässig.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Berufung als unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Apothekenbetriebsrechte zerfielen bis zur Einführung der Niederlassungsfreiheit für Apotheken in zwei Gruppen, die auch steuerlich von Bedeutung sind.

1. Die Personalkonzessionen Sie waren eine unveräußerliche und unvererbliche öffentlich-rechtliche Betriebserlaubnis. Sie konnten jederzeit widerrufen werden und fielen beim Tode des Konzessionärs an den Staat zurück. Eine Apotheke, die auf Grund einer persönlichen Konzession betrieben wurde, konnte an einen anderen Apotheker nur veräußert werden, wenn diesem ein persönliches Betriebsrecht verliehen worden war. Die Konzession wurde nach bestimmten gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Vorschriften verliehen, bei denen die Bedürfnisprüfung für die weitere Gründung einer neuen Apotheke die Hauptrolle spielte. Bei der Verleihung waren auch andere Merkmale von Bedeutung, die in der Person der Bewerber begründet waren, z. B. das Approbationsdienstalter. Durch dieses Konzessionierungssystem wurde die Vermehrung der bereits bestehenden Apotheken praktisch verhindert.

Die veräußerlichen und vererblichen Betriebsrechte

Zu ihnen gehörten die Privilegien, Realrechte und Personalkonzessionen mit Präsentationsrecht (Realkonzessionen). Sie gaben dem Inhaber insofern eine besondere Rechtsstellung, als er auf Grund des bestehenden Betriebsrechts in der Auswahl seines Nachfolgers frei war.

Diese Betriebsrechte waren selbständige Berechtigungen oder Rechtspositionen, die für ihren Inhaber besondere Vermögenswerte darstellten. Sie wurden im Gegensatz zu den unter 1. bezeichneten Personalkonzessionen auch nach § 58 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) bewertet; Maßstab für die Bewertung war nach § 58 Abs. 4 BewG der gemeine Wert.

II. Für die einkommensteuerliche Beurteilung spielten die Personalkonzessionen keine Rolle. Sie waren und sind keine Wirtschaftsgüter. Das ist allseitig anerkannt.

Hingegen wurden Privilegien, Realrechte und Realkonzessionen auch in den Ertragsteuerbilanzen der Apotheker als Wirtschaftsgüter behandelt, die nach allgemeinen Grundsätzen zu bewerten waren (§ 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG). Bei der Veräußerung von Apotheken, die auf Grund eines veräußerlichen und vererblichen Betriebsrechts betrieben werden konnten, wurden von den Erwerbern nicht unerhebliche Entgelte bezahlt, die in ihren Bilanzen als Apothekenbetriebsrechte zu aktivieren und nach Teilwertgrundsätzen abzuschreiben waren. In den DM-Eröffnungsbilanzen (DMEB) vom 21. Juni 1948 sind die veräußerlichen und vererblichen Apothekenbetriebsrechte mit ihren Einheitswerten (§ 58 BewG) angesetzt worden, soweit nicht auf Grund eines Ansatzes in der RM- Schlußbilanz (RMSB) höhere Werte auch in der DMEB zulässig waren. Der Ausweis in der DMEB war anders als bei Geschäftswerten eines Unternehmens auch dann zulässig, wenn das Apothekenbetriebsrecht nicht entgeltlich erworben worden war (vgl. hierzu die Urteile des Bundesfinanzhofs I 136/52 S und IV 232/52 U für die Apothekenbetriebsrechte; im Gegensatz hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs I 154/54 U vom 14. Juni 1955, BStBl 1955 III S. 221, Slg. Bd. 61 S. 61, für einen Geschäftswert).

III. Die Einführung der Gewerbefreiheit in der amerikanisch besetzten Zone im Jahre 1949 erweiterte für Apotheker die Möglichkeiten, Betriebsrechte zu erwerben. Diese Entwicklung wurde in der Praxis und durch gesetzliche Maßnahmen gehemmt, indem im allgemeinen sowohl in der amerikanisch besetzten Zone als auch in den übrigen Teilen der Bundesrepublik den Konzessionserteilungen weiterhin Bedürfnisprüfungen vorausgingen. Erst im Jahre 1956 wurde durch das Bundesverwaltungsgericht und im Jahre 1958 durch das Bundesverfassungsgericht eindeutig geklärt, daß jede Beschränkung der Niederlassungsmöglichkeit für Apotheker dem Art. 12 des Grundgesetzes (GG) widerspreche und verfassungswidrig sei. Bis zum Ergehen dieser Entscheidungen hielt die Mehrzahl der Apotheker wenigstens die Möglichkeit einer Kompromißlösung zwischen unbeschränkter Niederlassungsfreiheit und strenger Bedürfnisprüfung für nicht ausgeschlossen und erstrebenswert. Beim Wechsel von Apotheken mit veräußerlichem und vererblichem Betriebsrecht wurden nach wie vor nicht unerhebliche Beträge bezahlt. Von einer endgültigen Entwertung der Betriebsrechte kann man erst - und das wird auch kaum in Zweifel gezogen - ab dem Ergehen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahre 1956 sprechen. Das Bundesapothekengesetz 1960 zog aus den genannten Entscheidungen die Konsequenzen und führte die völlige Niederlassungsfreiheit für Apotheker ein. Die bereits bestehenden veräußerlichen und vererblichen Betriebsrechte ließ das Bundesapothekengesetz formell bestehen.

IV. Die unter III. geschilderte Entwicklung führte zunächst dazu, die veräußerlichen und vererblichen Betriebsrechte in der amerikanisch besetzten Zone schon im Jahre 1949 pauschal auf 1/3 des letzten Einheitswerts (im allgemeinen des Ansatzes in der DMEB) abschreiben zu lassen. Die Finanzverwaltung erließ entsprechende Anordnungen. Für die Bilanzen ab 1956 folgten die anderen Länder der Bundesrepublik mit ähnlichen Regelungen. Eine Abschreibung der Betriebsrechte auf 0 DM wurde auch ab 1956 von den Finanzverwaltungen abgelehnt, da die Betriebsrechte grundsätzlich auch Geschäftswerte mitumfaßten, die auf etwa 1/3 des Einheitswerts des Apothekenbetriebsrechts zu bemessen und jedenfalls in den Fällen, in denen sich die wirtschaftliche Lage der Apotheke trotz der Einführung der Niederlassungsfreiheit nicht verschlechtert hat, in den Bilanzen fortzuführen seien.

V. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Abschreibung der veräußerlichen und vererblichen Apothekenbetriebsrechte auf 1/3 des letzten Einheitswerts ließ in nicht veröffentlichten Entscheidungen im wesentlichen die Auffassung der Finanzverwaltung unbeanstandet, weil es sich weitgehend um Würdigung tatsächlicher Verhältnisse handelte. Sie ging davon aus, daß den Apothekenbetriebsrechten infolge der zunächst noch nicht voll geklärten Lage ein gewisser Wert beizumessen sei, der im allgemeinen eine Vollabschreibung auf 0 DM, die vor dem Jahre 1956 von den Steuerpflichtigen in der Regel auch nicht begehrt wurde, nicht gestatte.

VI. Eine Abschreibung der veräußerlichen und vererblichen Apothekenbetriebsrechte auf 0 DM begründen die Betriebsrechtsinhaber jetzt damit, daß durch die nunmehr festgestellte endgültige Wertlosigkeit der Betriebsrechte für einen Ansatz in der Ertragsteuerbilanz kein Raum sei. Der Ansatz eines etwa im bisherigen Apothekenbetriebsrecht mitumfaßten Geschäftswerts sei nicht zulässig. Sie berufen sich hierfür auf Entscheidungen des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs, in denen zum Wesen des veräußerlichen und vererblichen Apothekenbetriebsrechts ausgeführt werde, daß es sich um ein eigenes Recht handele, das etwas anderes darstelle als der Geschäftswert, das allerdings auch einen etwaigen Geschäftswert mitumfassen könne. Bei der Bewertung des Apothekenrealrechts könne dieses nicht in ein eigentliches Betriebsrecht und in den darin enthaltenen Geschäftswert aufgespalten werden (vgl. hierzu die Entscheidungen der Einkommensteuersenate des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs VI A 666/32 vom 25. April 1933, RStBl 1933 S. 639; I 136/52 S und IV 232/52 U; des Bewertungssenats III 58/38 vom 30. November 1939, RStBl 1940, S. 619; III 78/55 U). Die Einheit des Apothekenbetriebsrechts verbiete es, nach völliger Aushöhlung seines Inhalts einen etwa darin enthaltenen Geschäftswert in den Bilanzen fortzuführen. Hilfsweise wird von den Steuerpflichtigen in der Regel noch geltend gemacht, daß es Geschäftswerte bei Apotheken nicht gebe und nicht gegeben habe.

VII. Die Abschreibung des Apothekenbetriebsrechts auf 0 DM ist nur in den Fällen berechtigt, in denen die Apotheke keinen Geschäftswert hat. Enthielt das in der DMEB vom 21. Juni 1948 ausgewiesene Betriebsrecht einen Geschäftswert oder wurde bei einem Erwerb nach dem 20. Juni 1948 im Kaufpreis für das Realrecht ein Geschäftswert vergütet, so kann nur auf diesen Geschäftswert abgeschrieben werden. Erst wenn sich auch dieser Geschäftswert ganz oder teilweise verflüchigt hat, kann eine weitere Abschreibung in Betracht kommen.

Auch Apotheken können Geschäftswerte haben. Hierbei ist kein Unterschied zwischen Apotheken mit Personalkonzession und mit veräußerlichen und vererblichen Betriebsrechten zu machen. Geschäftswerte für Apotheken ergaben sich während des Bestehens des Konzessionierungssystems in der nunmehr aufgegebenen Form daraus, daß sie ihren Betrieb ohne eine ins Gewicht fallende Konkurrenz führen konnten. Jede gutgehende Apotheke, und das waren die meisten, konnte sich infolge der tatsächlich bestehenden Konkurrenzlosigkeit entwickeln und war vor allem auch, solange ein Abbau des bestehenden Konzessionierungssystem nicht zu befürchten war, für die Zukunft in ihrer wirtschaftlichen Lage gesichert. Es kann hiernach nicht bezweifelt werden, daß Apotheken in großem Umfang Geschäftswerte gehabt haben und noch haben.

Bei den frei veräußerlichen und vererblichen Apothekenbetriebsrechten wurde der Geschäftswert vom Erwerber einer Apotheke nicht besonders ausgeschieden, sondern im Posten Betriebsrecht in der Bilanz ausgewiesen. Auch bei der Bewertung der Apothekenbetriebsrechte nach § 58 BewG wurde offensichtlich die Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Geschäftswerts nicht aufgeworfen. Die Apothekenbetriebsrechte im Sinne des § 58 BewG wurden nach einer Faustregel im allgemeinen mit 90 % bis 110 % des durchschnittlichen Umsatzes der letzten drei Jahre bewertet, gleichgültig, ob sich im Umsatz der Apotheke ein besonderer Geschäftswert widerspiegelte oder nicht. Das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 666/32 führt aus, daß das Betriebsrecht nur deshalb einen Wert habe, weil mit einer Kundschaft zu rechnen sei. Das Wesen des veräußerlichen und vererblichen Betriebsrechts bestand darin, daß sein Inhaber die Apotheke jederzeit entgeltlich auf einen Dritten übertragen und er sich hierbei denjenigen Bewerber aussuchen konnte, der ihm infolge der Knappheit vorhandener veräußerlicher und vererblicher Betriebsrechte den größten Preis bot. Für den Erwerber eines solchen Rechtes spielte bei der Bewertung eine entscheidende Rolle, welchen Geschäftswert die Apotheke im Augenblick des Erwerbs hatte, d. h. mit welchen Ertragsaussichten er für die Zukunft rechnen konnte. Darüber hinaus bezahlte der Erwerber für das Betriebsrecht deshalb etwas, weil er sich durch die Möglichkeit dieses Erwerbs die ihm genehme Apotheke aussuchen und er in den Besitz einer Apotheke gelangen konnte, die er, hätte er auf die öffentlich-rechtliche Konzessionserteilung warten müssen, erst viel später oder überhaupt nicht erhalten hätte.

Die Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs über die Einheitlichkeit und Nichtausspaltbarkeit des Betriebsrechts bezog sich auf Fälle, in denen das Betriebsrecht noch bestand und vollwertig war. Beim Wegfall der Umstände, die den eigentlichen Inhalt des Betriebsrechts ausmachen, verliert der im Rahmen der Bilanzposition "Betriebsrecht" ausgewiesene Geschäftswert jedoch nicht seine selbständige Bewertbarkeit. Bei der im Bilanzrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die zu einer der Wirklichkeit Rechnung tragenden Gewinnermittlung führen soll, müssen die auf ein Wirtschaftsgut gemachten aktivierungspflichtigen Aufwendungen solange und insoweit aktiviert bleiben, als der mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts erstrebte Nutzen dem Betrieb erhalten bleibt. Soweit im Bilanzposten für ein immaterielles Wirtschaftsgut der Wert des Unternehmens im ganzen und seine Ertragsaussichten unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins eines Geschäftswertes mit angesetzt sind, müssen die hierfür gemachten Aufwendungen als Geschäftswert auch dann bestehen bleiben, wenn das Wirtschaftsgut mit der Bezeichnung, unter der es in der Bilanz aktiviert worden ist, nicht mehr fortgeführt werden kann. So führte der Reichsfinanzhof z. B. in der Entscheidung VI 73/39 vom 17. Mai 1939, RStBl 1939 S. 799, zur bilanzmäßigen Behandlung eines käuflich erworbenen Hefekontingents u. a. wörtlich folgendes aus:

"Nach dem Vorbringen der Pflichtigen, das sich mit der Auskunft der Wirtschaftlichen Vereinigung deckt, handelt es sich bei dem Kontingent um ein befristetes Recht. In derartigen Fällen kann das Recht auch nach seinem Erlöschen als Wirtschaftsgut in Form des Geschäftswerts fortbestehen. Die überführung des Werts des Kontingents in den Geschäftswert setzt aber voraus, daß bereits zur Zeit ein dem Kontingentswert entsprechender Geschäftswert sich gebildet hat, daß man also in dem Kaufpreis für das Kontingent die Anschaffungskosten eines Geschäftswerts erblicken kann".

Diese zu billigende Auffassung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Einzelbewertung. Sie kommt, worauf das bezeichnete Urteil mit Recht hinweist, nur in Betracht, wenn und soweit ein bereits vorhandener Geschäftswert erworben und mit in dem Wirtschaftsgut bewertet wurde, und wenn nach Abschreibung des Wirtschaftsguts der erworbene Geschäftswert noch vorhanden ist.

Dem Einwand des Steuerpflichtigen, er habe im Januar 1948 nur ein ruhendes Realrecht und kein Unternehmen erworben, so daß er auch keinen Geschäftswert bezahlt habe, ist folgendes entgegenzuhalten: Das Apothekenbetriebsrecht verkörpert den Betrieb der Apotheke selbst. Wer ein Apothekenbetriebsrecht erwirbt, erwirbt damit gleichzeitig den Betrieb der Apotheke, mag er dabei andere Wirtschaftsgüter wie z. B. das Warenlager nicht mit erwerben. Im Streitfall bestand im Zeitpunkt des Erwerbs des Realrechts durch den Steuerpflichtigen der Betrieb der Apotheke im wesentlichen nur aus diesem Realrecht; andere Wirtschaftsgüter waren fast nicht vorhanden; die Einrichtung war vollständig zerstört.

Bei dem Erwerb des Steuerpflichtigen handelt es sich deshalb um den Erwerb eines Unternehmens als solchen. Die Grundsätze über die steuerliche Behandlung der durch die Einführung der Niederlassungsfreiheit ausgehöhlten Apothekenbetriebsrechte gelten jedoch nicht nur für den Fall des entgeltlich erworbenen Betriebsrechts, sondern vor allem auch für die in einer DMEB angesetzten Apothekenbetriebsrechte (vgl. unter 4). Hierbei ist gleichgültig, ob sie vor der Währungsumstellung entgeltlich oder z. B. im Wege des Erbfalls erworben worden waren.

Der Senat sieht keinen Anlaß, den beim Erwerb des Betriebsrechts bezahlten Geschäftswert bloß deshalb nicht als eigenes Wirtschaftsgut anzusehen, weil er in der Bilanz unter der Bezeichnung "Apothekenbetriebsrecht" und nicht getrennt von diesem unter der Bezeichnung "Geschäftswert" aufgeführt ist. Wenn jemand eine gutgehende Apotheke erwirbt - gleichgültig, worauf die gute Rentierlichkeit des Betriebs beruht -, so bezahlt er im allgemeinen einen Geschäftswert. Dieser Geschäftswert verändert seinen Charakter und sein Wesen nicht dadurch, daß der Erwerber gleichzeitig für das Betriebsrecht selbst etwas bezahlt und nunmehr Geschäftswert und Betriebsrecht in einem einheitlichen Bilanzposten ausweist, weil beide nur schwer voneinander zu trennen sind.

Mit diesen Darlegungen sind auch die Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen eine unangebrachte Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise widerlegt. Das Betriebsrecht ist grundsätzlich ein vom Geschäftswert getrennt zu haltendes Wirtschaftsgut. Was in einem Bilanzposten wirklich enthalten ist, muß durch sorgfältige Prüfung festgestellt werden. Hierbei hat die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht nur steuerlich, sondern auch handelsrechtlich ihre Bedeutung. Sie ist besonders im Streitfall keine gegen den Steuerpflichtigen gerichtete Erfindung des Steuerrechts, sondern die Auslegungsmethode, die der wirtschaftlichen Bedeutung der Begriffe "Vermögensgegenstand" im handelsrechtlichen und "Wirtschaftsgut" im steuerlichen Bilanzrecht am besten gerecht wird. Die Einordnung in das aktienrechtliche Gliederungsschema richtet sich nach dem materiellen Inhalt des Vermögensgegenstandes. Das Gliederungsschema des § 131 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) stellt nur Mindestanforderungen. Es bestehen keine Bedenken dagegen, das Apothekenbetriebsrecht wie einen Geschäftswert zu behandeln und in einem besonderen Posten auszuweisen, der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 129 Abs. 1 Satz 1 AktG) weiterzuführen ist.

Die allgemein für in der DM-Zeit entgeltlich erworbene Betriebsrechte entwickelten Grundsätze müssen auch für die in der DMEB zum 21. Juni 1948 ausgewiesenen Betriebsrechte gelten, für die Anschaffungskosten nicht nachweisbar sind oder die vor dem 21. Juni 1948 erworben wurden. Die mit der Umstellung vom RM auf DM und mit der Aufstellung der DMEB eingeleitete Abrechnungsperiode der DM-Zeit hat die Verbindung zwischen den Werten der DMEB und deren historischen Anschaffungskosten unterbrochen. Als Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in der DMEB ausgewiesenen Wirtschaftsgüter gelten die in diese eingestellten Werte. Es wird so angesehen, als seien die in der DMEB angesetzten Wirtschaftsgüter mit den dafür ausgewiesenen Beträgen angeschafft oder hergestellt worden. Auch für die Apothekenbetriebsrechte gelten also die in der DMEB bilanzierten Werte als Anschaffungskosten. Diese Werte enthalten Geschäftswerte, sofern sie mit Beträgen ausgewiesen sind, die beim käuflichen Erwerb des Betriebsrechts am 21. Juni 1948 aufzuwenden gewesen wären. Das ist in der Regel der Einheitswert nach § 58 BewG, mit dem das Betriebsrecht im allgemeinen auch in der DMEB angesetzt ist. Hiergegen kann nicht eingewendet werden, die unentgeltlich erworbenen Betriebsrechte könnten einen Geschäftswert deshalb nicht enthalten, weil nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 154/54 U der originäre Geschäftswert in der DMEB nicht angesetzt werden dürfe. Denn beim Ansatz der Apothekenbetriebsrechte in der DMEB wird kein Unterschied gemacht zwischen entgeltlich und unentgeltlich erworbenen Betriebsrechten. Alle in den DMEB ausgewiesenen Apothekenbetriebsrechte aber müssen auch bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang sie einen Geschäftswert enthalten, gleichbehandelt werden. Als Anschaffungskosten des Geschäftswerts gilt der Teil des Ansatzes des Betriebsrechts in der DMEB, der bei einem entgeltlichen Erwerb in diesem Zeitpunkt auf den Geschäftswert entfallen wäre.

In welcher Höhe in dem Bilanzposten "Apothekenbetriebsrecht" ein Geschäftswert enthalten ist, ist im Einzelfall oft schwer zu beantworten. In einem dem Bundesfinanzhof vorliegenden Fall bejahte die Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen Deutscher Apotheker das Bestehen eines Geschäftswerts für Apotheken auch nach der Einführung der Niederlassungsfreiheit in Höhe von 25 % bis 35 % des Jahresumsatzes. Nach einem vom Steuerpflichtigen erwähnten anderen Gutachten in einer Zivilrechtssache kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß gegenwärtig die Apotheken Geschäftswerte zwischen 0 % und 50 % der Umsätze und darüber haben können. Es kann hiernach der Finanzverwaltung im allgemeinen darin gefolgt werden, daß eine Abschreibung der Apothekenbetriebsrechte auf weniger als 1/3 der letzten Einheitswerte, die in der DMEB angesetzt sind, nur dann in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, daß sich die Ertragslage seiner Apotheke infolge der Einführung der Niederlassungsfreiheit tatsächlich so erheblich verschlechterte, daß kein Erwerber im Zeitpunkt der begehrten Abschreibung einen einem Drittel des Einheitswerts entsprechenden Geschäftswert bezahlen würde. Dabei ist den allgemeinen Grundsätzen über die Geschäftswertabschreibung entsprechend zu beachten, daß bei der Würdigung der Ertragslage sämtliche Umsätze und Erträge der Apotheke berücksichtigt werden müssen, auch soweit sie zum Ausgleich eines Rückganges in reinen Apothekerwaren durch die Erstreckung des Geschäfts auf Drogeriewaren entstanden sind. Denn die Rechtsprechung hat daran festgehalten, daß bei der Bewertung des Geschäftswerts weggefallene Faktoren durch neu hinzukommende Faktoren ausgeglichen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 61/57 U vom 15. April 1958, BStBl 1958 III S. 330, Slg. Bd. 67 S. 151).

VIII. Im Streitfall nahm das Finanzgericht mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse an, der Steuerpflichtige habe beim Erwerb des Betriebsrechts von seinem Vater einen darin enthaltenen Geschäftswert nicht mitbezahlt. Der Steuerpflichtige hatte sich für diese Auffassung im wesentlichen darauf gestützt, daß es sich um eine im Zeitpunkt des Erwerbs des Betriebsrechts noch zerstörte und nicht wiederaufgebaute Apotheke gehandelt habe. In einem solchen Falle könne von dem Vorhandensein eines Geschäftswerts keine Rede sein. Das im Streitfall um so weniger, als auch die Zerstörung der Umgebung bewirkt habe, daß die Einwohner vor und nach der Zerstörung gewechselt hätten. Ein daneben sich etwa auf den Namen und den Ruf einer Apotheke stützender Firmenwert liege bei ihm nicht vor. Es kann angenommen werden, daß sich das Finanzgericht mit der Feststellung, ein besonderer Geschäftswert sei nicht nachweisbar, diese Auffassung des Steuerpflichtigen zu eigen gemacht hat. Dieser rechtlichen Würdigung der Ausführungen des Steuerpflichtigen kann nicht zugestimmt werden.

Ob der Preis für ein Betriebsrecht einer zerstörten Apotheke einen Geschäftswert enthält, muß nach den Verhältnissen des Falles geprüft werden. Es ist nicht angängig, von vornherein davon auszugehen, daß ein solcher Geschäftswert darin nicht enthalten oder zumindest in einer Weise schwer feststellbar sei, daß er unberücksichtigt bleiben könne. Es mußte vielmehr festgestellt werden, ob die Apotheke des Steuerpflichtigen eine gutgehende Apotheke zu der Zeit war, als sie noch von seinem Vater vor ihrer Zerstörung durch Kriegsereignisse betrieben wurde. Betrachtet man die in der Eröffnungsbilanz vom 2. August 1948 im Verhältnis zum ausgewiesenen Betriebsrecht angesetzten Werte für Warenbestand und Einrichtung und die schon im Jahre 1949 und später erzielten Umsätze und Gewinne, so ist der Schluß gerechtfertigt, daß das Betriebsrecht von 70.000 RM tatsächlich einen Geschäftswert enthalten hat. Es ist sonst kaum verständlich, daß der Steuerpflichtige einen so hohen Preis für das Betriebsrecht bezahlte, wenn er nicht auf Grund der Verhältnisse in der Vergangenheit damit hätte rechnen können, daß die von ihm neu zu eröffnende Apotheke entsprechende Umsätze und Gewinne abwerfen werde.

Da die Vorinstanz von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Der Senat entscheidet selbst. Es sind keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, daß ausnahmsweise sowohl der am 21. Juni 1948 als auch der am 31. Dezember 1957 vorhandene Geschäftswert nicht in etwa 1/3 des Einheitswerts vom 21. Juni 1948 betrug.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410957

BStBl III 1963, 565

BFHE 1964, 669

BFHE 77, 669

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