Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung bei mittelbarer Beteiligung

 

Leitsatz (NV)

Zur sachlichen und personellen Verflechtung im Falle der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung bei mittelbarer Beteiligung der Besitz-Gesellschafter an der Betriebsgesellschaft.

 

Normenkette

GewStG § 9 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kommanditgesellschaft mit der X-GmbH als Komplementärin ohne Einlage und den Kommanditisten R und Z mit einer Einlage von je 40000 DM, D und G mit einer Einlage von je 10000 DM sowie der Y-GmbH mit einer Einlage von 2000 DM. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Vermietung eines einzigen Grundstücks in A mit Gebäuden und Betriebsvermögen. Mieterin ist die B-GmbH und Co. KG, die darin einen Möbeleinzelhandel betreibt. An dieser KG hat die C-GmbH und Co. KG (Beteiligungsgesellschaft) einen Anteil von 60 v.H., an der wiederum R, Z, D und G beteiligt sind.

Nach einer das Streitjahr umfassenden Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin als Besitzgesellschaft und der Mieterin B-GmbH und Co. KG an. Er versagte deshalb die von der Klägerin beantragte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und Satz 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und gewährte nur die pauschale Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Zwar lägen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung im Streitfall nicht vor, die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags sei jedoch wegen § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG zu versagen. Es fehle an der für die Annahme einer sachlichen Verflechtung erforderlichen besonderen Gestaltung des Grundstücks (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1985 VIII R 342/82, BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299). Im Streitfall sei der der Betriebsgesellschaft überlassene Grundbesitz (Lager-, Ausstellungs- und Verkaufshalle) nicht für die Zwecke der Betriebsgesellschaft besonders ausgestattet worden. Das im Wege der Amtshilfe eingeschaltete FA E habe zwar festgestellt, daß das Grundstück in den Jahren 1979 und 1980 nach teilweisem Abbruch neu ausgebaut und erweitert worden sei; besondere Bedürfnisse des Betriebsunternehmens seien dabei aber nicht berücksichtigt worden. Dies stehe in Einklang mit der allgemeinen Erfahrung, daß die zum Betrieb eines Möbeleinzelhandels notwendigen La-ger-, Ausstellungs- und Verkaufsräume einer besonderen Ausgestaltung nicht bedürften. Eine besondere, zweckangepaßte bauliche Gestaltung lasse sich auch nicht den Bewertungsakten entnehmen. Daran ändere weder das Vorhandensein von 150 Stellplätzen für PKW noch die verkehrsgünstige Ortsrandlage oder die Größe des Gebäudes. Es handele sich vielmehr um ein beliebig austauschbares Grundstück. Bei dieser Sachlage könne offenbleiben, ob die Voraussetzungen der personellen Verflechtung erfüllt seien.

Die erweiterte Kürzung sei aber nach § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG zu versagen, weil der zur Nutzung überlassene Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters diene. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Grundbesitz von einer Personengesellschaft genutzt werde, an der Gesellschafter des Grundstücksunternehmens beteiligt seien. Hinsichtlich der Beteiligung der C-GmbH und Co. KG an der Mieterin seien die Gesellschafter der Personengesellschaft Unternehmer des Gewerbebetriebs und nicht die Personengesellschaft als solche; daraus aber folge die mittelbare Beteiligung der Kommanditisten der Grundbesitz-KG an der Miet-KG. Darin liege kein unzulässiger Durchgriff, den der BFH nur für den Fall angenommen habe, daß die beherrschenden Gesellschafter des Grundstücksunternehmens als Besitzkapitalgesellschaft zugleich beherrschend an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt seien (Hinweis auf BFH-Urteil vom 1. August 1979 I R 111/78, BFHE 129, 57, BStBl II 1980, 77).

Mit ihrer dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt dazu vor: Die Entscheidung des FG, im Streitfall liege eine Betriebsaufspaltung nicht vor, sei nicht zur Nachprüfung durch die Revision gestellt. Aber auch die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG sei nicht anwendbar, denn spätestens mit dem Beschluß des BFH vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691) seien mittelbar Beteiligte an Personengesellschaften nicht deren Mitunternehmer. Die geänderte Rechtsprechung des BFH sei auch im Streitfall zu beachten. Das GewStG verwende in § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG den Begriff des Gesellschafters. Daraus ergebe sich, daß kein Gesellschafter der Vermieter-KG zugleich Gesellschafter der Mieter-KG sei. Diese Auffassung werde nicht zuletzt auch durch die Gesetzesänderung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 bestätigt, wonach der mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte Gesellschafter dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichstehe und als Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen sei, an der er unmittelbar beteiligt ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im Streitjahr zu versagen war. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ergibt sich dies jedoch daraus, daß die Grundstücksverwaltung der Klägerin eine gewerbliche Betätigung ist, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entfaltet wird.

1. Nach der Rechtsprechung des BFH übt eine Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung keine Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, sondern eine ihrer Natur nach gewerbliche und daher nicht begünstigte Tätigkeit aus (BFH-Urteile vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686; vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688, und vom 11. Dezember 1974 I R 260/72, BFHE 114, 433, BStBl II 1975, 266).

2. Die Grundstücksverwaltung durch die Klägerin ist eine gewerbliche Tätigkeit, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entfaltet wird. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn das verpachtete Unternehmen (Besitzgesellschaft) mit dem pachtenden (Betriebsgesellschaft) sachlich und personell verflochten ist (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347, und vom 27. August 1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134 jeweils m.w.N.).

a) Entgegen der Auffassung des FG liegen die Voraussetzungen der sachlichen Verflechtung vor, denn das vermietete Grundstück ist wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft. Nach der Rechtsprechung des BFH sind bebaute Grundstücke nicht nur dann wesentliche Betriebsgrundlage, wenn sie auf die Bedürfnisse des Betriebsunternehmens besonders zugeschnitten sind (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 5. September 1991 IV R 113/90, BFHE 165, 420, BStBl II 1992, 349 m.w.N.), sondern auch dann, wenn sie - wie ein Geschäftslokal des Einzelhandels - die örtliche und sachliche Grundlage der betrieblichen Organisation bilden, die Eigenart des Betriebs bestimmen und wenn die Ausübung des Gewerbes ohne ein entsprechendes Objekt nicht möglich ist (BFH-Urteile in BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347; vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334, und vom 12. Februar 1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723). Die individuelle Gestaltung des Grundstücks für die Bedürfnisse des Betriebsunternehmens ist nur einer von mehreren Umständen, die bei Prüfung des besonderen wirtschaftlichen Gewichts zu beachten sind (BFH-Urteil vom 17. November 1992 VIII R 36/91, BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233).

Die Voraussetzungen für ein solches besonderes wirtschaftliches Gewicht des Grundstücks liegen nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), im Streitfall vor. Auf dem Grundstück befinden sich die zum Betrieb eines Möbeleinzelhandels notwendigen Lager-, Ausstellungs- und Verkaufsräume einschließlich einer Anzahl von 150 Stellplätzen für PKW. Ist allein schon das Geschäftslokal im Einzelhandel regelmäßíg eine wesentliche Betriebsgrundlage (BFH in BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723), so wird diese Eigenschaft noch durch die verkehrsgünstige Ortsrandlage und die Größe des Gebäudes, aber auch den Umstand unterstrichen, daß das Gebäude nach teilweisem Abbruch in den Jahren 1979 und 1980 neu ausgebaut und erweitert wurde.

Das FG hat hieraus zwar geschlossen, daß es sich um ein beliebig austauschbares Grundstück handele, dabei jedoch außer acht gelassen, daß die Ausübung des Betriebs in einem anderen Gebäude stets mit einer Verlegung des Betriebs einherginge, die einschneidende Veränderungen der betrieblichen Struktur zur Folge hätte (BFH-Urteile in BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723, und vom 4. November 1992 XI R 1/92, BFHE 169, 452, BStBl II 1993, 245). Im übrigen kommt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht darauf an, ob der Betrieb auch in einem anderen gemieteten oder gekauften Gebäude ausgeübt werden könnte (Urteil vom 26. März 1992 IV R 50/91, BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830).

b) Auch die personelle Verflechtung ist im Streitfall gegeben. Eine personelle Verflechtung ist zu bejahen, wenn eine oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrschen, daß sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 15 Anm. 144, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Im Streitfall handelt es sich um eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung, bei der die Gesellschafter der Besitzgesellschaft R, Z, D und G allerdings nicht unmittelbar an der Betriebsgesellschaft beteiligt sind. Die Herrschaft über die Betriebsgesellschaft kann aber - wie im Streitfall - auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden (vgl. etwa BFH-Urteile vom 14. August 1974 I R 136/70, BFHE 114, 98, BStBl II 1975, 112, und vom 10. November 1982 I R 178/77, BFHE 137, 67, BStBl II 1983, 136). Infolge Zwischenschaltung der Beteiligungsgesellschaft stellt sich in diesen Fällen nicht die Frage, ob die Rechtsfolgen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Betriebsaufspaltung verdrängen (Senatsurteil vom 27. August 1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134 zu II.1. b).

Im Streitfall beherrscht die Personengruppe aus R, Z, D und G die Klägerin zu 100/102 und die Betriebsgesellschaft über die beteiligungsidentische C-GmbH und Co. KG zu 60/100 und kann somit ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in beiden Unternehmen durchsetzen. Anhaltspunkte dafür, daß sich aus Stimmrechtsregelungen eine Einschränkung der Einflußmöglichkeiten ergab (vgl. Schmidt, a.a.O., § 15 Anm. 144d a.E.), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Da die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung im Streitfall zu bejahen sind, war die Revision aus diesem Grunde zurückzuweisen. Einer Entscheidung der vom FG bejahten Frage, ob § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags entgegensteht, weil der Grundbesitz von einer Personengesellschaft genutzt wird, an der Gesellschafter des Besitzunternehmens beteiligt sind, bedarf es nach alledem nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419422

BFH/NV 1994, 265

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