Leitsatz (amtlich)

Das Entgelt, das anläßlich der Übernahme einer Baulast i. S. von § 99 Abs. 1 BauO NW (GVBl NW A 1962, 373) mit dem Inhalt, eine Grundstücksfläche als Stellplatz für Kfz nutzen zu lassen, von dem Nutzungsberechtigten an den Eigentümer des Baulastgrundstücks gezahlt wird, ist beim Empfänger entweder eine Einnahme aus Vermietung und Verpachtung oder eine Einnahme aus einer Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3 Nrn. 6-7, §§ 21, 22 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer des Grundstücks A in K, das mit einem Mietwohnhaus bebaut ist und dessen hinter dem Gebäude liegender Teil unbebaut war. 1965 verpflichtete er sich gegenüber der S-AG, 112 qm des rückwärtigen Grundstücksteils als Einstellplatz für neun Kfz zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig übernahm er diese Verpflichtung auch gegenüber der Stadt K - Bauordnungsamt - als öffentlich-rechtliche Verpflichtung und zugunsten des Grundstücks B in K, des sog. Baugrundstücks, auf dem die S-AG 1961 ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet hatte. Die zivilrechtliche und die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Klägers gehen dahin, die 112 qm große Teilfläche seines Grundstücks, des sog. Baulastgrundstücks, "dauernd von baulichen Anlagen und sonstigen Hindernissen freizuhalten und durch den jeweiligen Eigentümer des Baugrundstücks als Stellplatz oder als Platz zur Herstellung von neun Garagen für neun Kraftfahrzeuge nutzen zu lassen". Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung wurde in das Baulastenverzeichnis der Stadt K eingetragen; sie ist auch dem Rechtsnachfolger des Klägers gegenüber wirksam. Als Gegenleistung für die Baulastübernahme erhielt der Kläger von der S-AG 25 000 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hielt das Entgelt für eine Einnahme aus einer Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG, rechnete es den übrigen Einkünften des Klägers hinzu und erließ einen entsprechenden Berichtigungsbescheid.

Der Sprungklage gab das FG statt und führte dazu im wesentlichen aus:

Der streitige Betrag gehöre nicht zu den Einkünften i. S. von § 22 Nr. 3 EStG, da der Kläger ihn für einen Vermögensverlust erhalten habe. Mit der Übernahme der Baulast sei der Grundstücksteil zwar nicht veräußert, wirtschaftlich gesehen aber das Eigentumsrecht an der Teilfläche ausgehöhlt worden. Der Kläger oder sein Rechtsnachfolger könnten diesen Grundstücksteil nicht mehr anders nutzen. Damit sei ein objektiver und endgültiger Wertverlust eingetreten, weil ein nennenswerter Grundstückspreis nicht mehr erzielt werden könne und die Teilfläche an einer allgemeinen Bodenwertsteigerung nicht mehr teilnehme. Deshalb sei die Übernahme der Baulast einer Veräußerung des Grundstücksteils gleichzustellen.

Selbst wenn das Entgelt als Einnahme aus einer Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG angesehen werde, müsse die Klage Erfolg haben. Der Einnahme seien dann Werbungskosten in Höhe des aufgeopferten Vermögenswertes, der in der Nutzungsmöglichkeit liege, gegenüberzustellen. Es bestehe kein Anlaß, Einnahme und Aufwand nicht als gleichwertig anzusehen.

Mit der Revision des FA wird unrichtige Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG gerügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

1. Das vom Kläger bezogene Entgelt ist entweder als Einnahme im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 3 Nr. 6, § 21 EStG) - wozu der Senat neigen würde - oder als Einnahme aus einer Leistung (§ 22 Nr. 3 EStG) zu behandeln und in jedem Falle in voller Höhe steuerpflichtig.

a) Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger die Verpflichtung, die Teilfläche seines Grundstücks von baulichen Anlagen freizuhalten und sie durch den Eigentümer des sog. Baugrundstücks als Stellplatz für Kfz nutzen zu lassen, sowohl der Stadt K als auch der S-AG gegenüber übernommen. Der Kläger ist damit Verpflichtungen unterschiedlicher Rechtsnatur und mit unterschiedlichen Rechtsfolgen eingegangen.

Bei der Verpflichtung gegenüber der Stadt K handelt es sich um die Übernahme einer Baulast, die in § 99 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1962 - BauO NW - (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Ausgabe A 1962 S. 373 [396]) ihre Rechtsgrundlage hat. Danach ist eine Baulast die durch Erklärung des Grundstückseigentümers gegenüber der Bauaufsichtsbehörde übernommene öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu einem sein Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen. Diese Baulast entsteht allein durch einseitige Erklärung des Grundstückseigentümers gegenüber der Baubehörde und schafft keinerlei Rechtsbeziehungen zwischen verschiedenen Grundstückseigentümern (vgl. Thiel-Rößler-Schumacher-Dittus-Klose, Baurecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar zur Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Anm. 2 zu § 99).

Bei der Verpflichtung gegenüber der S-AG handelt es sich, wenn sie gegen Entgelt übernommen wurde, um den Teil eines Miet- oder Pachtverhältnisses oder eines miet- oder pachtähnlichen Verhältnisses, wobei es unerheblich ist, ob die Verpflichtung für dauernd eingegangen wurde und das Entgelt in einer einmaligen Leistung besteht (vgl. z. B. RGZ 121, 11; Mezger in Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. 4 zu § 567 und Anm. 13 zu § 536).

b) Aus den Feststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, ob der Kläger das Entgelt von der S-AG entweder allein für die Übernahme der Baulast - Verpflichtung gegenüber der Stadt K - oder allein für die Verpflichtung gegenüber der S-AG oder für die Übernahme beider Verpflichtungen erhalten hat. Weiterer Feststellungen hierzu bedarf es jedoch nicht, weil das Entgelt in jedem Fall Einnahme im Rahmen einer Einkunftsart des Einkommensteuergesetzes bleibt und - wie unter c) ausgeführt - in voller Höhe steuerpflichtig ist.

aa) Wurde das Entgelt allein für die Übernahme der öffentlich-rechtlichen Baulast erbracht, dann ist es eine Einnahme aus einer Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG.

Rechtlich zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß von § 22 Nr. 3 EStG Entgelte im Rahmen eines Veräußerungsvorgangs nicht erfaßt werden (vgl. z. B. Urteil des BFH vom 9. April 1965 VI 82/63 U, BFHE 82, 319, BStBl III 1965, 361). Unhaltbar ist jedoch die Auffassung des FG, im vorliegenden Falle sei die Übernahme der Baulast einer Veräußerung der Teilfläche des Grundstücks gleichzusetzen. Abgesehen davon, daß für die Annahme einer Veräußerung hier kein Erwerber festgestellt werden kann - die Baubehörde wollte und konnte mit der Entgegennahme der Erklärung die Teilfläche nicht erwerben -, läßt die Übernahme einer Baulast mit der gegebenen Rechtsnatur und dem Inhalt, einen Grundstücksteil durch einen anderen als Stellplatz für Kfz nutzen zu lassen, auch nicht die Annahme zu, daß ein Vermögenswert hingegeben worden sei. Der Kläger blieb nach wie vor bürgerlich-rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Teilfläche. Er entschied sich lediglich für eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit der Teilfläche, und zwar freiwillig. Dabei kann nicht einmal gesagt werden, daß der Kläger oder sein Rechtsnachfolger die Teilfläche für immer nur noch in der einmal gewählten Form nutzen können. Denn auch bei für "dauernd" übernommenen Baulasten kann nach § 99 Abs. 3 BauO NW die Behörde auf die Baulast verzichten; sie muß es, wenn die Verhältnisse sich derart geändert haben, daß keine Notwendigkeit für die Baulast mehr besteht (vgl. Thiel-Rößler-Schumacher-Dittus-Klose, a. a. O., Anm. 2 zu § 99). Aus demselben Grund läßt sich auch nicht sagen, daß die Teilfläche wertlos geworden sei und an einer allgemeinen Bodenwertsteigerung nicht mehr teilnehmen könne. Soweit eine Wertminderung des Grundstücks eingetreten sein sollte, wäre dies unerheblich. Wie im BFH-Urteil vom 17. Oktober 1968 IV 84/65 (BFHE 94, 369, BStBl II 1969, 180) ausgesprochen wurde, sind nach der neueren Rechtsprechung des BFH Vergütungen für die Einräumung beschränkter dinglicher Rechte an nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder zu den sonstigen Einkünften zu rechnen und nicht als steuerfreie Entschädigungen für eine Wertminderung der belasteten Grundstücke zu behandeln. Dieser Grundsatz über die einheitliche Behandlung der Vergütung hat auch in den Fällen zu gelten, in denen das Entgelt für die Übernahme einer öffentlich-rechtlichen Baulast geleistet wird.

bb) Wurde das Entgelt allein für die Übernahme der Verpflichtung gegenüber der S-AG gezahlt, dann ist es eine Einnahme aus Vermietung und Verpachtung.

Für die steuerliche Zuordnung von Einnahmen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nicht nur auf die bürgerlich-rechtliche Form und Bezeichnung der von den Beteiligten geschlossenen Verträge, sondern auf den wirtschaftlichen Inhalt abzustellen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob ein Veräußerungsvorgang gegeben ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1973 VIII R 78/70, BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130). Bei einer vom Kläger der S-AG gegenüber eingegangenen Verpflichtung mit dem wesentlichen Inhalt, die Teilfläche als Einstellplatz für Kfz nutzen zu lassen, kann es nicht zweifelhaft sein, daß sie bei Entgeltlichkeit Teil eines Miet- oder Pachtverhältnisses ist. Verträge dieser Art werden - wie oben unter a) ausgeführt - bereits nach bürgerlichem Recht zumindest als miet- oder pachtähnliche Verhältnisse angesehen.

cc) Hat der Kläger das Entgelt von der S-AG sowohl für die Übernahme der öffentlich-rechtlichen Baulast als auch für die Nutzungsüberlassung erhalten, dann richtet sich die steuerliche Zuordnung der Einnahme zu den hier allein in Betracht kommenden Einkunftsarten Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte nach dem Teil der Leistung des Klägers, die der Gesamtleistung das Gepräge gibt. Denn ein einheitliches Entgelt für eine aus mehreren Elementen bestehende Leistung kann nur nach dem wesentlichen Inhalt der Gesamtleistungen qualifiziert werden. Ob dies hier die Übernahme der öffentlich-rechtlichen Baulast oder der Nutzungsüberlassung war, braucht nach den Umständen des Streitfalls nicht entschieden zu werden, weil es sich wiederum um eine in jedem Falle in voller Höhe zu versteuernde Einnahme aus einer sonstigen Leistung oder aus Vermietung und Verpachtung handeln würde.

c) Das vom Kläger bezogene Entgelt ist, gleichgültig ob als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung oder als Einnahme aus einer sonstigen Leistung, in voller Höhe steuerpflichtig, weil es mehr als 500 DM beträgt - was im Hinblick auf § 22 Nr. 3 Satz 2 EStG von Bedeutung sein könnte - und der Einnahme keine Werbungskosten gegenüberzustellen sind. Wenn das FG Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG darin gesehen hat, daß der Kläger die Nutzungsmöglichkeit an der Teilfläche aufgegeben habe, so ist dem nicht zu folgen. Der Kläger hat keine Nutzungsmöglichkeit aufgegeben, er hat sich vielmehr für eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit, nämlich Überlassung zur Nutzung an einen anderen, entschieden.

2. Die Vorentscheidung, die zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war danach aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden und weist die Klage ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71683

BStBl II 1976, 62

BFHE 1976, 550

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