Leitsatz (amtlich)

Im Falle des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG ist der Vergütungsgläubiger (Steuerschuldner) befugt, eine Freistellungsbescheinigung nach § 73h EStDV zu beantragen.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2; EStG § 50a Abs. 4; EStDV § 73h

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger ist Komponist, dem über die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) Tantiemen zufließen. Er hat die österreichische Staatsangehörigkeit. Anfang 1966 verzog er nach Italien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) lehnte den Antrag des Klägers ab, ihn gemäß § 73h EStDV in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 DBA-Italien vom 31. Oktober 1925 (RGBl II, 1146) vom Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG, § 73f EStDV freizustellen, weil das DBA-Italien nur auf deutsche und italienische Staatsangehörige anwendbar sei. Die Beschwerde zur OFD und die Klage zum FG (vgl. EFG 1971, 59) blieben erfolglos.

Der Kläger macht mit der Revision geltend: Das DBA-Italien sei auch auf Angehörige von Drittstaaten anwendbar (Seuffert, StuW I 1938 Sp. 203; Urteil des Hessischen FG I 213/69 vom 29. Januar 1971, EFG 1971, 166). Das Urteil des RFH IV 233/38 vom 19. April 1939 (RFH 46, 323, RStBl 1939, 878), auf das sich die Finanzverwaltung stütze, entspreche nicht mehr der heutigen Rechtsauffassung, wenn es sich auf die Einkommensteuer-Veranlagungsrichtlinien 1934 berufe. Der Widersinn des Staatsangehörigkeitsprinzips zeige sich gerade in seinem Fall. Er sei bis 1945 deutscher Staatsangehöriger gewesen. Obwohl er nicht mehr in hoheitlichen Beziehungen zu einem deutschen Staate stehe, solle er wegen dieses Umstandes in Deutschland Steuern zahlen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Revision ist zulässig, weil der Wert des Streitgegenstands 1 000 DM übersteigt (§ 115 Abs. 1 FGO). Das FG hat, einer entsprechenden Berechnung der OFD folgend, für Streitwertzwecke einen Wert von 10 v. H. der Steuerabzugsbeträge angesetzt, die im Jahre 1966 ohne Erteilung einer Freistellungsbescheinigung hätten einbehalten werden müssen. Daran ist zutreffend, daß der Vorteil einer Steuervergünstigung, die für unbestimmte Zeit beantragt wird und unter den Voraussetzungen des § 96 AO widerrufen werden kann, mit dem Betrag des jährlichen Nutzens anzusetzen ist (Beschluß des BFH VII B 41/67 vom 18. Juli 1968, BFH 93, 215, BStBl II 1968, 743), wobei hier aus Vereinfachungsgründen die Steuerersparnis des ersten Veranlagungszeitraums zugrunde gelegt werden durfte. Es ist allerdings zweifelhaft, ob der Nutzen nur 10 v. H. der Steuerersparnis beträgt. Das vorliegende Verfahren trägt keinen vorläufigen Charakter. Die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG unterliegen, wird bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug abgegolten, wenn die Einkünfte nicht Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind (§ 50 Abs. 4 EStG). Eine Veranlagung findet insoweit nicht statt (BFH-Urteil I 153/61 S vom 29. Januar 1964, BFH 78, 428, BStBl III 1964, 165). Entsprechendes gilt, wenn der Steuerabzug wegen des Vorliegens einer Freistellungsbescheinigung unterbleibt. Die aufgeworfene Frage braucht indes nicht abschließend entschieden zu werden. Der Wert des Streitgegenstands liegt schon nach der Berechnung des FG über 1 000 DM.

2. Das FG ist stillschweigend von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Das ist nicht zu beanstanden. Die Freistellungsbescheinigung nach § 73h EStDV ist schon deswegen in einem gesonderten Antrags- und Klageverfahren geltend zu machen, weil in den Fällen des § 50a EStG kein Veranlagungsverfahren stattfindet. Antrags- und klagebefugt ist - obwohl der Steuerabzug (bzw. dessen Unterlassung) dem Vergütungsschuldner (hier der GEMA) obliegt - der Kläger als Steuerschuldner (siehe auch BFH-Urteil I R 73/67 vom 10. März 1971, BFH 102, 242, BStBl II 1971, 589). Wenn auch bei nicht ordnungsmäßiger Einbehaltung oder Abführung der Steuer der Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen ist (§ 73g EStDV), ist doch der Steuerschuldner in erster Linie an der Erteilung der Freistellungsbescheinigung interessiert. Er muß damit rechnen, daß der Vergütungsschuldner im Falle eines Haftungsbescheids bei ihm Regreß nimmt.

§ 73h EStDV gewährt, sofern die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen vorliegen, einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Freistellungsbescheinigung. Gegen die Ablehnung der Bescheinigung war gemäß § 229 Nr. 6 AO der Einspruch gegeben. Die OFD durfte sonach nicht als Beschwerdebehörde tätig werden. Nach den Grundsätzen des Urteils des Senats I R 176/69 vom 18. März 1970 (BFH 99, 14, BStBl II 1970, 556) berührt indes dieser Fehler nicht die Zulässigkeit der Klage.

3. Die Freistellungsbescheinigung ist zu Recht versagt worden. Art. 7 DBA-Italien ist auf den Kläger nicht anwendbar. Der Senat hat erst vor kurzem eingehend begründet, daß das DBA-Italien nur für die Staatsangehörigen der vertragschließenden Staaten gilt (BFH-Urteil I R 202/67 vom 15. September 1971, BFH 103, 557, 562 f., BStBl II 1972, 281). Hierauf wird verwiesen. Das Vorbringen des Klägers gibt dem Senat keinen Anlaß, von seiner Auffassung abzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70219

BStBl II 1973, 15

BFHE 1973, 6

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