Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkunftsermittlung bei teilweiser Vermietung des Einfamilienhauses an die Lebensgefährtin

 

Leitsatz (NV)

1. Schließt der Eigentümer eines Einfamilienhauses über bestimmte Räume einen Mietvertrag mit seiner Lebensgefährtin, so ist der Vertrag einkommensteuerrechtlich jedenfalls dann nicht anzuerkennen, wenn sich die Beteiligten tatsächlich, insbesondere durch die gemeinschaftliche Nutzung der gesamten Wohnung, so verhalten, als sei kein Mietvertrag abgeschlossen. Die von der Lebensgefährtin an den Eigentümer geleisteten Zahlungen bilden dann keine Einnahmen i. S. v. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

2. Eine Selbstnutzung des Einfamilienhauses i. S. v. § 21 Abs. 2 Alt. 1 i. V. m. § 21 a EStG liegt auch insoweit vor, als der Eigentümer in das Haus Freunde oder Bekannte aufnimmt, ohne daß dem ein einkommensteuerrechtlich anzuerkennendes Mietverhältnis zugrunde liegt. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind in diesem Fall ausschließlich nach § 21 a EStG zu ermitteln.

 

Normenkette

EStG 1979 § 21 Abs. 1-2, § 21a

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der unverheiratete Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb mit Kaufvertrag ein als Einfamilienhaus bewertetes, zunächst vermietetes Reihenhaus, in das er am . . . einzog. Durch Vertrag vom . . . 1979 vermietete er die im Souterrain und im ersten Stock gelegenen Räume mit insgesamt 73 qm, nämlich vier Zimmer, eine Küche, ein Bad und eine Mansarde für . . . DM monatlich ab 15. Juni 1979 an Frau X, mit der er schon früher zusammengewohnt hatte. Das Erdgeschoß von 33 qm, bestehend aus Küche, Wohn- und Schlafzimmer sowie einer mit einer Waschgelegenheit versehenen Toilette, verblieben ihm nach dem Mietvertrag zur eigenen Nutzung.

Der Kläger nutzte das Einfamilienhaus gemeinschaftlich mit Frau X.

Erstmals für 1979 erklärte er in seiner Einkommensteuererklärung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die er für den nach dem Mietvertrag eigengenutzten Teil (rd. 31 v. H.) durch Pauschalierung des Nutzungswerts gemäß § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1981, für den vermieteten Teil (rd. 69 v. H.) durch Gegenüberstellung der Einnahmen und der anteiligen Werbungskosten ermittelte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Berechnung bei der Einkommensteuerfestsetzung für 1979 bis 1981. Für das Streitjahr 1982 ermittelte der Kläger seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in gleicher Weise und machte in seiner Einkommensteuererklärung für den nach dem Mietvertrag nicht vermieteten Teil des Einfamilienhauses einen Werbungskostenüberschuß von . . . DM und für den Rest einen solchen von . . . DM geltend. Das FA berechnete die Einkünfte bei der Einkommensteuerfestsetzung für 1982 dagegen insgesamt nach § 21 a EStG. Das führte zu einem Werbungskostenüberschuß von . . . DM.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus: Auch die gemeinschaftliche Nutzung einer Wohnung durch den Eigentümer zusammen mit einem Dritten sei - wie jede Mitbenutzung im Rahmen eines gemeinschaftlichen Wohnens - eine Selbstnutzung durch den Eigentümer. Das Gesetz sehe für die gemeinsame Mitbenutzung eines Einfamilienhauses durch den Eigentümer und Dritte keine Aufteilung der Nutzungswertermittlung vor. Liege eine gemeinschaftliche Nutzung vor, so komme es nicht darauf an, ob die Mitbenutzung durch den Dritten entgeltlich oder unentgeltlich erfolge. In jedem Fall sei der Nutzungswert nach § 21 a EStG zu ermitteln. Im Streitfall habe der Kläger das Einfamilienhaus zusammen mit seiner Bekannten bewohnt; er habe deshalb das Haus in der Weise selbst genutzt, daß er es gemeinschaftlich mit einem Dritten bewohnt habe. Das FA sei auch nicht gehindert gewesen, im Rahmen der Veranlagung für das Streitjahr 1982 seine frühere Rechtsauffassung zu ändern.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 21 a EStG 1981. Das FG gehe davon aus, daß eine Selbstnutzung im Sinne dieser Vorschrift auch bei der Mitbenutzung der Wohnung durch Dritte vorliege, weil das EStG für diese Fälle keine Aufteilung der Nutzungswertermittlung vorsehe. Die Auffassung des FG stütze sich ausschließlich auf die Unterstellung, dem Gesetzgeber habe das Problem bekannt sein müssen. Das EStG enthalte indes insoweit eine Regelungslücke, die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu schließen sei. Auch die Auffassung des FG, das FA könne bei Dauerschuldverhältnissen den Sachverhalt bei jeder Veranlagung unterschiedlich beurteilen, sei rechtsirrig.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung ausschließlich nach § 21 Abs. 2 Alternative 1, § 21 a Abs. 1 bis 3 EStG 1981 zu ermitteln sind.

1. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind nicht anteilig durch Überschußrechnung zu ermitteln. Der Kläger hat keine Einkünfte i. S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 EStG erzielt. Der zwischen ihm und Frau X abgeschlossene Mietvertrag ist der Besteuerung schon deshalb nicht zugrunde zu legen, weil er nicht tatsächlich durchgeführt worden ist. Nach dem Mietvertrag hatte der Kläger die im Souterrain, im ersten Stock und in der Mansarde gelegenen Räume seines Hauses an Frau X vermietet. Das FG hat dagegen festgestellt, daß der Kläger nicht nur - wie vereinbart - die ihm nach dem Mietvertrag verbleibenden Räume nutzte, sondern die gesamte Wohnung zusammen mit Frau X. Die Vertragsparteien haben sich so verhalten, als sei kein Mietvertrag abgeschlossen. Darüber hinaus hat Frau X nach den unangefochtenen und damit bindenden Feststellungen des FG die Miete nicht, wie vertraglich vereinbart, monatlich im voraus bezahlt, sondern jeweils von ihr für den Kläger verauslagte Beträge mit der Miete verrechnet und Differenzbeträge - teilweise im Abstand von zwei Monaten - bar an diesen gezahlt. Dies rechtfertigt den Schluß, daß es sich bei den von Frau X geleisteten Zahlungen nicht um Einnahmen des Klägers i. S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, sondern um Ausgleichszahlungen, die dem Bereich der Lebensführung zuzurechnen sind. Sie sind einkommensteuerrechtlich nicht von Bedeutung.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Nutzungswert der Wohnung ausschließlich nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 i. V. m. § 21 a EStG zu ermitteln. Der Kläger hat die Wohnung in seinem Einfamilienhaus selbst genutzt. Zur Selbstnutzung durch den Steuerpflichtigen gehört auch die Mitbenutzung der Wohnung durch die mit dem Steuerpflichtigen in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen (Senatsurteil vom 21. Januar 1988 IX R 86/84, BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938). Dasselbe gilt bei der Aufnahme von Freunden oder Bekannten in die eigene Wohnung jedenfalls dann, wenn ihr - wie hier - kein einkommensteuerrechtlich anzuerkennendes Mietverhältnis zugrunde liegt.

3. Das FA war an die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Vorjahren nicht gebunden. Aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung folgt, daß es für jeden Steuerabschnitt die Grundlagen der Besteuerung neu festzusetzen und zu prüfen hat. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es an die Sachbehandlung in früherer Zeit grundsätzlich nicht gebunden und kann jeder Veranlagung eine gewandelte Rechtsauffassung zugrunde legen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520, 522, m. w. N., Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 1989 1 BvR 1269/89, StE 1990, 71).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422776

BFH/NV 1990, 773

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