Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Das auf Grund des Eigentums an einem Grundstück bestehende Recht zur Gewinnung von Lehm ist jedenfalls dann ein selbständig zu bewertendes Mineralgewinnungsrecht im Sinne von § 58 Abs. 1 BewG a. F., wenn der Eigentümer mit dem Abbau des Lehms begonnen hat.

 

Normenkette

BewG § 58 Abs. 1, § 100/2

 

Tatbestand

Das Finanzamt setzte für den Bf., der eine Ziegelei betreibt, auf den 1. Januar 1948 einen Einheitswert einer sich auf das Lehmvorkommen beziehenden Gewerbeberechtigung gemäß § 58 BewG alter Fassung fest.

Der Bf. wandte ein, ein Mineralgewinnungsrecht im Sinne dieser Vorschrift liege nicht vor. Lehm rechne nicht zu den Mineralien im geologisch-mineralogischen Sinn. Dazu gehörten nur die stofflich (chemisch und physikalisch) einheitlichen natürlichen Bestandteile der Erdkruste. Diese Begriffsmerkmale erfülle Lehm nicht. Außerdem gewinne er den Lehm nicht auf Grund eines besonderen Rechtes, sondern auf Grund seines Eigentums. Der Bundesfinanzhof habe zwar für den Fall einer Verpachtung eines aus dem Eigentum fließenden Ausbeutungsrechtes die Entstehung eines Mineralgewinnungsrechtes angenommen, dabei aber die Frage ausdrücklich offengelassen, ob ein solches auch zu bejahen sei, wenn der Eigentümer das Vorkommen selbst Ausbeute. Im übrigen schließe er sich den gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in der Literatur erhobenen Bedenken an. Er weise insbesondere auf die Aufsätze und Besprechungen von Wündisch (vgl. Finanz-Rundschau 1961 S. 419; 1962 S. 95, 284 und 372 sowie 1963 S. 191) hin, wonach es nicht möglich sei, von dem einheitlichen Eigentumsrecht einzelne Befugnisse als Mineralgewinnungsrecht abzuspalten.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Nach Einlegung der Rb. trat der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren bei. Er führte in seiner Stellungnahme aus: Die Streitfrage, ob auch das Ausbeutungsrecht des Eigentümers als Mineralgewinnungsrecht anzusehen sei, sei durch die mit dem Gesetz zur änderung des Bewertungsgesetzes vom 10. August 1963 - ändG- BewG 1963 - (BGBl 1963 I S. 676) erfolgte Neufassung des § 58 BewG beseitigt worden. Demnach sei die Eigentümerberechtigung auch dann als selbständiges Wirtschaftsgut zu bewerten, wenn der Eigentümer die Lagerstätte selbst abbaue. Wie sich aus der Neufassung und der Gesetzesbegründung dazu ergebe, habe der Gesetzgeber nicht die bestehende Rechtslage ändern, sondern im Sinne einer Bestätigung der bisherigen Verwaltungspraxis klarstellen wollen. Es beständen deshalb keine Bedenken, den neuen § 58 BewG zur Auslegung des früheren Rechts mit heranzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Finanzamt und Finanzgericht haben zur Recht das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung im Sinne von § 58 BewG alter Fassung bejaht. Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift gilt als Gewerbeberechtigung im Sinne des BewG die Berechtigung, deren Ausübung allein schon ein Gewerbe begründen würde, z. B. das Mineralgewinnungsrecht. Der Bf. bestreitet zu Unrecht, daß die tatsächlichen Verhältnisse in seinem Fall zur Annahme eines Mineralgewinnungsrechtes führen.

Unzutreffend ist zunächst sein Einwand, Lehm sei kein "Mineral" im Sinne des BewG. Es mag zwar richtig sein, daß Minerale im geologisch-mineralogischen Sinn nur die stofflich (chemisch und physikalisch) einheitlichen natürlichen Bestandteile der Erdkruste sind und Lehm nach dieser Definition nicht zu den Mineralien, sondern zu den sog. Steinen und Erden gehört. Der Begriff "Mineral" wird jedoch schon im Bergrecht nicht in diesem strengen wissenschaftlichen Sinn verwendet. So zählt § 1 des Allgemeinen Berggesetzes für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 unter Mineralien nicht nur Stoffe auf, die nach obiger Definition Mineralien sind, wie Gold, Silber, Quecksilber, Eisen usw., sondern auch Stoffe wie Steinkohle, Braunkohle, Kalisalze, auf die die genannte Definition nicht zutrifft. Ebenso rechnet beispielsweise die Verordnung über die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Bodenschätze vom 31. Dezember 1942 (RGBl 1943 I S. 17) eine ganze Reihe von Steinen und Erden zu den mineralischen Bodenschätzen.

In der Rechtsprechung zum steuerlichen Bewertungsrecht wurde der Begriff "Mineral" ebenfalls nicht im streng geologisch- mineralogischen Sinne verstanden; vielmehr wurden zu den Mineralien auch die Steine und Erden gerechnet (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs III 242/59 S vom 22. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 420, Slg. Bd. 71, S. 454 für Basalt; III 110/58 S vom 4. November 1960, BStBl 1961 III S. 250, Slg. Bd. 72 S. 682 für Kali; III 301/59 S vom 13. Januar 1961, BStBl 1961 III S. 122, Slg. Bd. 72 S. 323 für Kies; III 452/58 U vom 27. Januar 1961, BStBl 1961 III S. 150, Slg. Bd. 72 S. 408 für Erdöl; III 406/59 U vom 12. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 2, Slg. Bd. 76 S. 1 für Kies). Der Senat hält an dieser weiten Auslegung des Begriffs "Mineral" in § 58 BewG fest. Der Zweck dieser Vorschrift geht dahin, von den der Grundsteuer unterliegenden Betriebsgrundstücken diejenigen Berechtigungen auszunehmen, deren Ausübung für sich allein schon ein Gewerbe begründen würde und die deshalb ihrer Natur nach das gegebene Objekt für die Gewerbesteuer bilden (vgl. die Begründung zu § 45 Abs. 1 Ziff. 1 Abs. 3 des Reichsbewertungsgesetzes - RBewG - 1931). Dieser Zweck erlaubt es nicht, die Ausbeutungsrechte an Steinen und Erden anders zu behandeln als die Ausbeutungsrechte an Mineralien im geologisch-mineralogischen Sinne. Die Berechtigung, Lehm zu gewinnen, eignet sich ihrer Natur nach ebenso mehr für die Gewerbesteuer als für die Grundsteuer wie die Berechtigung beispielsweise zur Gewinnung eines Metalls. So hat auch der Gesetzgeber in der Begründung zu § 45 Abs. 1 Ziff. 1 Abs. 3 RBewG 1931 - der ersten Vorschrift über Mineralgewinnungsrechte - ausdrücklich ausgeführt, daß zu den Mineralien insbesondere Steinkohle, Braunkohle, Kalisalze sowie andere Salze, ferner auch Ton, Kies und Sand gehören.

Da Lehm verunreinigter Ton ist, also zu den Steinen und Erden gerechnet werden muß, ist er ein Mineral im Sinne des § 58 BewG.

Das Gesagte gilt in ähnlicher Wiese für den Begriff "Mineralgewinnungsrecht". Nach seinem Wortsinn fällt darunter sowohl das vom Eigentum am Grund und Boden losgelöste Ausbeutungsrecht (Bergwerkseigentum, dingliches Ausbeutungsrecht) als auch das Gewinnungsrecht auf Grund des Eigentums am Grund und Boden. Diese Auslegung wird bestätigt, wenn man sich den dargestellten Zweck der Vorschrift vergegenwärtigt. Das Ausbeutungsrecht an einem Mineral ist "seiner Natur nach ebenso das geeignete Objekt für die Gewerbesteuer", wenn es auf Grund des Eigentums am Grund und Boden besteht, wie wenn es auf Grund eines vom Eigentum am Grund und Boden losgelösten Rechtes ausgeübt wird. Es ist kein Grund einzusehen, warum - vom Standpunkt einer zweckmäßigen Abgrenzung der der Grundsteuer unterliegenden Gegenstände von den zur Gewerbesteuer heranzuziehenden Gegenständen aus gesehen - das Recht, ein bestimmtes Mineral auszubeuten, je nachdem verschieden behandelt werden sollte, ob es auf Grund des Eigentums am Grund und Boden oder auf Grund eines davon losgelösten Rechtes ausgeübt wird.

Für die Auslegung der Vorschrift des § 58 Abs. 1 BewG alter Fassung ist demnach ihr Wortlaut und ihr Sinn maßgebend. Nicht kommt es darauf an, ob das aus dem Eigentum fließende Ausbeutungsrecht auch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts selbständig Gegenstand des Rechtsverkehrs sein kann. Die Frage, ob ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut im Sinne des Bewertungsrechts vorliegt, ist nicht entscheidend nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern in erster Linie nach den Vorschriften des steuerlichen Bewertungsrechts zu beurteilen. Der vom Bf. unter Hinweis auf die genannten Aufsätze von Wündisch erhobene Einwand, man könne den Begriff "Mineralgewinnungsrecht" nicht so auslegen, daß von dem nach dem bürgerlichen Recht einheitlichen Gegenstand "Eigentum an einem Grundstück" eine einzelne, sich auf Grund des Eigentums ergebende Befugnis entgegen den Vorschriften des bürgerlichen Rechts als selbständiger Gegenstand abgespalten werde, ist daher nicht durchschlagend.

Ergänzend sei auf § 58 Abs. 2 BewG, wonach auch mit dem Eigentum an einem Grundstück verbundene Gewerbeberechtigungen nicht als Bestandteile eines Betriebsgrundstücks gelten, hingewiesen. Diese Bestimmung läßt den Willen des Gesetzgebers erkennen, u. U. Teile eines Grundstücks, die als wesentliche Bestandteile nach bürgerlichem Recht nur zusammen mit dem Grundstück Gegenstand des Rechtsverkehrs sein können (vgl. §§ 93, 96 BGB; Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, Randbemerkung 3 zu § 96 BGB), steuerlich als selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter anzusehen.

Das aus dem Eigentum fließende Recht zur Ausbeutung von Lehm ist daher grundsätzlich ein Mineralgewinnungsrecht im Sinne des § 58 Abs. 1 BewG alter Fassung (so auch das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 200/32 vom 20. Dezember 1933, RStBl 1934 S. 184, Slg. Bd. 35 S. 56).

Voraussetzung für die Bewertbarkeit ist allerdings, daß das aus dem Eigentum fließende Mineralgewinnungsrecht als selbständiges Wirtschaftsgut im Rechtsverkehr in Erscheinung getreten ist. Dies kann beispielsweise durch Verpachtung geschehen. Für diesen Fall hat der erkennende Senat das aus dem Eigentum fließende Mineralgewinnungsrecht bereits in ständiger Rechtsprechung als selbständiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 58 BewG alter Fassung anerkannt (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs III 242/59 S vom 22. Juli 1960, a. a. O.; III 406/59 U vom 12. Oktober 1962, a. a. O.). Der Senat trägt keine Bedenken, ein selbständiges Wirtschaftsgut auch dann anzunehmen, wenn - wie im Streitfall - der Eigentümer die Bodenschätze selbst gewerblich ausbeutet. Es mag zweifelhaft sein, von welchem Zeitpunkt ab in einem solchen Fall die Entstehung eines selbständigen Wirtschaftsgutes anzunehmen ist. Eine Erörterung dieser Frage kann jedoch im vorliegenden Fall unterbleiben, da nach Aktenlage am Bewertungsstichtag mit dem Abbau der Bodenschätze bereits begonnen war. In diesem Fall ist stets das Vorliegen eines Mineralgewinnungsrechts des Eigentümers zu bejahen (ebenso das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 200/32 vom 20. Dezember 1933, a. a. O.).

Eine Auslegung des § 58 Abs. 1 BewG alter Fassung ergibt demnach, daß die aus dem Eigentum fließende Berechtigung zur Gewinnung von Lehm als selbständig bewertbares Mineralgewinnungsrecht zu betrachten ist, sobald der Eigentümer mit dem Abbau begonnen hat. Für diese Auslegung kommt es nicht darauf an, daß der Gesetzgeber inzwischen § 58 BewG geändert hat, um die im vorliegenden Fall einschlägigen Rechtsfragen zu klären. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob - wie der Bundesminister der Finanzen meint - die in dem neuen § 58 BewG zum Ausdruck kommenden Grundsätze zur Auslegung des früheren Rechts mit herangezogen werden können.

Die Bewertung des Mineralgewinnungsrechts ist nach den Richtlinien des Präsidenten des Landesfinanzamts Köln für die Bewertung von Lehm und Ton vom 26. Februar 1936 erfolgt. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 301/59 S vom 13. Januar 1961, a. a. O., hätten der Bewertung die Wertverhältnisse auf den Feststellungszeitpunkt (1. Januar 1948) zugrunde gelegt werden müssen. Da jedoch Umstände, die einen anderen als den festgestellten Einheitswert ergäben, im Streitfalle weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind und wegen des lange zurückliegenden Feststellungszeitpunkts, der noch in der RM-Zeit liegt, auch kaum mehr ermittelt werden könnten, sieht der Senat insoweit von einer Beanstandung der Vorentscheidung ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411279

BStBl III 1964, 521

BFHE 1965, 127

BFHE 80, 127

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