Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren bei gleichzeitigem Antrag nach § 68 FGO und Einspruch gegen Änderungsbescheid nach Klageerhebung; zu den Voraussetzungen einer Ehegatten-Mitunternehmerschaft in der Land- und Forstwirtschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Ergeht während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid und wird dieser gleichzeitig sowohl mit dem Einspruch angefochten als auch zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, so hat der Antrag nach § 68 FGO Vorrang (Fortführung des BFH- Urteils vom 8. Oktober 1985 VIII R 78/82, BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302).

2. Zur stillschweigenden Begründung einer Mitunternehmerschaft zwischen Landwirts-Ehegatten genügt es nicht, daß der Grund und Boden dem einen Ehegatten gehört, während der andere als Pächter landwirtschaftlicher Flächen, als Käufer von Maschinen und als Inhaber von Geschäftskonten auftritt.

3. Aktien einer Zucker AG sind notwendiges Betriebsvermögen eines land-und forstwirtschaftlichen Betriebs.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 13 Abs. 5, § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die in den Streitjahren 1985 bis 1987 im Güterstand der Gütertrennung lebten. Sie pachteten zunächst gemeinsam von der Mutter der Klägerin einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Diesen Betrieb erhielt die Klägerin später im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Auflösung des Pachtverhältnisses zu Eigentum. Dazu gehörten auch Aktien einer Zucker AG.

Als Pächter hatten die Kläger den Hof gemeinsam bewirtschaftet. In dieser Zeit erwarb der Kläger auf seinen Namen Aktien der Zucker AG, die in den Bilanzen ausgewiesen wurden. Auch nach der Übertragung des Betriebs auf die Klägerin erwarb der Kläger in den Jahren 1974, 1977 und 1978 weitere Aktien der Zuker AG, die ebenfalls in den Bilanzen als Betriebsvermögen ausgewiesen wurden.

Inhaber der Geschäftskonten bei der Bank, dem Landhandel, der Zucker AG u. a. m. ist allein der Kläger, mit Ausnahme eines Bankkontos, das auf den Namen beider Kläger geführt wird. Auch die Fahrzeuge, Zugmaschinen und Pkw sind auf den Kläger zugelassen. Soweit über zugepachtete Flächen schriftliche Verträge geschlossen wurden, wurden sie vom Kläger unterzeichnet.

Zum 1. Juli 1985 wurden die auf den Namen des Klägers lautenden Aktien der Zucker AG mit ihrem Buchwert ausgebucht und bald darauf veräußert. Der Erlös wurde in der Buchführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs als Einlage erfaßt.

Nach einer bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, zwischen den Klägern bestehe eine Mitunternehmerschaft, mit der Folge, daß die Aktien des Klägers als Betriebsvermögen und der Veräußerungserlös im Wirtschaftsjahr 1985/86 als Betriebseinnahme zu erfassen war. Der Veräußerungsgewinn wurde in eine Rücklage nach § 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingestellt und es ergingen die angefochtenen Feststellungsbescheide für die Streitjahre.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 303 veröffentlichten Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus, zwischen Ehegatten sei auch ohne ausdrücklichen (schriftlichen oder mündlichen) Gesellschaftsvertrag und ohne daß ein Gemeinschaftsverhältnis vorliege, eine verdeckte Mitunternehmerschaft anzunehmen. Dies folge aus der Überlassung der Eigentumsflächen durch die Klägerin und der Einbringung von Wirtschaftsgütern sowie zugepachteter Flächen durch den Kläger. Der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien des Klägers sei daher zu Recht als Betriebseinnahme erfaßt worden. Dabei könne es dahinstehen, ob die Aktien des Klägers zum notwendigen Betriebsvermögen gehörten, denn sie seien jedenfalls gewillkürtes Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebs.

Die Kläger rügen mit ihrer vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA bezieht sich auf die Gründe der Vorentscheidung und ist mit dem FG der Auffassung, die Kläger hätten als Mitunternehmer gemeinschaftlich Einkünfte aus einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft erzielt. Aus diesem Grunde sei auch der Gewinn aus der Veräußerung der Zucker-Aktien im Rahmen der angefochtenen Gewinnfeststellung der Mitunternehmerschaft zu erfassen.

Während des Revisionsverfahrens ergingen aufgrund einer Betriebsprüfung geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für das Streitjahr 1987 und die Folgejahre 1988 bis 1991. Mit Schriftsätzen vom 26. Januar 1994 haben die Kläger Einspruch gegen die am 10. Januar 1994 zur Post gegebenen geänderten Feststellungsbescheide erhoben und beantragt, "den geänderten Feststellungsbescheid 1987 bis 1991 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens" zu machen. Dagegen hat das FA eingewandt, der am 28. Januar 1994 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei unzulässig, weil das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren mit dem Eingang des Einspruchs am 27. Januar 1994 bereits anhängig gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet.

1. Entgegen der Auffassung des FA ist der geänderte Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1987 Gegenstand des Verfahrens geworden. Zwar haben die Kläger ihren Antrag mißverständlich formuliert; den Antrag, "den geänderten Feststellungsbescheid 1987 bis 1991 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens" zu machen, legt der Senat jedoch im Sinne einer Beschränkung auf das Streitjahr 1987 aus. Dieser Antrag ist fristgerecht, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Änderungsbescheids eingegangen (§ 68 Satz 2 FGO).

Allerdings haben die Kläger gleichzeitig Einspruch gegen den "Feststellungsbescheid 1987 bis 1991" eingelegt. Ob es sich hierbei um ein Versehen gehandelt hat und die Kläger nur den Feststellungsbescheid 1987 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens machen, die Feststellungsbescheide 1988 bis 1991 aber mit dem Einspruch anfechten wollten, kann dahinstehen. Über einen gleichzeitig eingelegten Einspruch gegen den Feststellungsbescheid 1987 kann nämlich sachlich nicht mehr entschieden werden, nachdem der ihm zugrundeliegende Bescheid durch den Antrag nach § 68 FGO in ein anderes Verfahren gelangt ist (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, 552, BStBl II 1985, 354, 356, und vom 8. Oktober 1985 VIII R 78/82, BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302). Der BFH hat daher entschieden, daß ein nach Einlegung des Einspruchs gegen den Zweitbescheid gestellter Antrag nach § 68 FGO die konkludente Rücknahme des Einspruchs beinhaltet (BFH in BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302; vom 15. März 1990 IV R 32/89, BFH/NV 1991, 37; vgl. auch BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 IV R 184/84, BFHE 148, 422, BStBl II 1987, 303; vom 31. Oktober 1990 II R 45/88, BFHE 162, 215, BStBl II 1991, 102). Für dieses Ergebnis hat der BFH (in BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302) den verfahrensökonomischen Zweck des § 68 FGO angeführt, die gerichtliche Überprüfung eines Änderungsbescheids ohne Durchführung eines Vorverfahrens zu ermöglichen und zugleich die Gefahr einer Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu vermeiden.

Diese Erwägungen gelten ebenso für den Fall, daß Einspruch und Antrag nach § 68 FGO -- wie von den Klägern im Streitfall -- gleichzeitig gestellt wurden. Der im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach bei gleichzeitiger Einlegung eines Einspruchs und Antragstellung nach § 68 FGO beide Rechtsschutzbegehren mangels Bestimmtheit unzulässig seien (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 68 Rdnr. 28), vermag der Senat nicht zu folgen. Die dafür herangezogene Begründung, mit Einführung der Monatsfrist in § 68 Satz 2 FGO durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGO- Änderungsgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109, BStBl I 1993, 90) habe sich auch das Auslegungsverständnis zu § 68 FGO grundlegend verändert, verkennt die erwähnte verfahrensökonomische Zielsetzung der Vorschrift. Wie der III. Senat des BFH mit Beschluß vom 11. Februar 1994 III B 127/93 (BFHE 173, 14) unter Hinweis auf BTDrucks 12/1061, S. 15 überzeugend ausgeführt hat, wollte der Gesetzgeber lediglich die Folgen aus der bislang bestehenden Möglichkeit vermeiden, den Antrag nach § 68 FGO zeitlich unbefristet zu stellen. Die Kläger haben den Antrag aber innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellt.

2. Das angefochtene Urteil und die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1985 bis 1987 sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). FA und FG sind zu Unrecht davon ausgegangen, daß bei den Klägern in den Streitjahren die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG für die Annahme einer Mitunternehmerschaft vorgelegen haben.

a) Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 439, BStBl II 1984, 751) wird eine steuerliche Mitunternehmerschaft nur durch ein Gesellschaftsverhältnis oder ein wirtschaftlich damit vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis begründet, das den Mitunternehmern ein Unternehmerrisiko auferlegt und Unternehmerinitiative einräumt. Auch Ehegatten können danach nur Mitunternehmer eines Betriebs sein, wenn zwischen ihnen ein Gesellschaftsvertrag zustandegekommen ist, der den gleichen Anforderungen genügt, die nach der Rechtsprechung des BFH an alle Verträge zwischen nahen Angehörigen zu stellen sind. Steuerlich können solche Verträge nur berücksichtigt werden, wenn sie rechtswirksam zustandegekommen sind, einem Fremdvergleich standhalten und tatsächlich vollzogen werden (BFH-Urteil vom 14. August 1986 IV R 341/84, BFHE 147, 449, BStBl II 1987, 23 m. w. N.).

Allerdings ist der Senat in ständiger Rechtsprechung auch dann von einer Mitunternehmerschaft zwischen Landwirtsehegatten ausgegangen, wenn kein ausdrücklicher Gesellschaftsvertrag und auch kein der Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis vorliegt, sondern der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitz entweder den Eheleuten gemeinsam oder jedem Ehegatten ein erheblicher Teil des landwirtschaftlichen Grundbesitzes zu Alleineigentum oder zu Miteigentum gehört und die Eheleute in der Landwirtschaft gemeinsam arbeiten (Urteile vom 7. Oktober 1982 IV R 186/79, BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73; vom 30. Juni 1983 IV R 206/80, BFHE 138, 561, BStBl II 1983, 636; vom 2. Februar 1989 IV R 96/87, BFHE 156, 163, BStBl II 1989, 504; vom 26. November 1992 IV R 53/92, BFHE 170, 94, BStBl II 1993, 395, und vom 27. Januar 1994 IV R 26/93, BFHE 173, 543, BStBl II 1994, 462).

Diese Rechtsprechung beruht auf der besonderen Funktion des Grund und Bodens für die Landwirtschaft, der bei bestimmungsgemäßer Nutzung nicht nur Gebrauchsvorteile, sondern vor allem Früchte i. S. von § 99 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hervorbringt, die dem Eigentümer zufallen, wenn dieser nicht einem anderen die Aneignung gestattet hat (§§ 953, 956 BGB). Sie kann daher nicht auf andere Fallgestaltungen mit der Folge übertragen werden, daß auch ohne Vereinbarung eines Gesellschaftsverhältnisses oder Bestehen eines wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses eine Mitunternehmerschaft unterstellt wird. Nach der Rechtsprechung des Senats genügt es daher nicht, daß der eine Ehegatte die in seinem Alleineigentum stehenden landwirtschaftlichen Flächen zur Bewirtschaftung überläßt, während der andere nur seine Arbeitskraft und Kapitalbeiträge einbringt oder anstelle eigenen Grundvermögens landwirtschaftliche Flächen hinzupachtet (BFH in BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73). Als ebenfalls nicht ausreichend hat es der Senat angesehen, daß der andere Ehegatte das für eine Bewirtschaftung des Hofes erforderliche Inventar (Urteil in BFHE 170, 94, BStBl II 1993, 395) oder die ihm zu Eigentum übertragene Hofstelle zur Verfügung stellt (Urteil in BFHE 173, 543, BStBl II 1994, 462).

b) Im Streitfall haben FA und FG daher zu Unrecht auch ohne ausdrücklich vereinbarten Gesellschaftsvertrag eine Mitunternehmerschaft zwischen den Klägern angenommen. Die Kläger waren zwar ursprünglich als Pächter Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs; als Pächter hatte der Kläger auch bereits im eigenen Namen Aktien der Zucker AG erworben. Die gemeinsame Durchführung des Pachtverhältnisses mag auch Grundlage eines Gesellschaftsverhältnisses und einer Ehegatten-Mitunternehmerschaft gewesen sein. Nachdem dieser Pachtbetrieb dann allerdings unter Auflösung des Pachtverhältnisses im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Klägerin übergegangen war, bezog diese von diesem Zeitpunkt an persönliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger daneben auf von ihm gepachteten Flächen ebenfalls eine Landwirtschaft betrieb oder ob er -- wie die Revision meint -- nur im Auftrag der Klägerin gehandelt hat. In beiden Fällen wären die Zucker-Aktien notwendiges Betriebsvermögen gewesen (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 26. Mai 1993 IV B 184/92, BFH/NV 1994, 614). Soweit der Kläger den Betrieb der Klägerin mitbewirtschaftet hat, spricht alles für eine rein fak tische Bewirtschaftung auf familiärer Grundlage im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft (Senatsurteil in BFHE 156, 163, BStBl II 1989, 504). Nach den Feststellungen des FG hat insbesondere die Klägerin auch keine Vereinbarung mit dem Kläger darüber getroffen, daß diesem die Nutzung des Hofes als Pächter oder im Wege eines Wirtschaftsüberlassungsvertrages übertragen wurde.

3. Nach alledem durften die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung nicht ergehen. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO) ebenso wie die Einspruchsentscheidung und die angefochtenen Feststellungsbescheide aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419985

BFH/NV 1995, 114

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