Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1) § 5 ErbStG bezweckt nur, eine Möglichkeit der Erbschaftsbesteuerung für solche Erwerbe zu schaffen, die zwar tatsächlich von Todes wegen anfallen, zivilrechtlich aber keinen Erbanfall darstellen. Daran, daß der übergang von Gesamtgutsanteilen einen Vorgang darstellt, der grundsätzlich den familienrechtlichen Vorschriften des BGB unterliegt, hat sich durch § 5 ErbStG nichts geändert.

2) § 5 Abs. 3 StAnpG gilt, wie sich aus § 5 Abs. 2 StAnpG ergibt, nicht nur für die in Abs. 3 a. a. O. ausdrücklich aufgeführten, sondern für alle Fälle der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit.

 

Normenkette

ErbStG §§ 5, 34, 31; StAnpG § 5 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist testamentarischer Alleinerbe seines Vaters (Erblasser). Letzterer war mit seiner Mutter (Großmutter des Bf.) und seinen Geschwistern bzw. einem Schwersterssohn an der nach dem Ableben seines Vaters eingetretenen fortgesetzten Gütergemeinschaft (fGg) beteiligt; der Anteil des Erblassers an der fGg betrug 1/10. Gemäß § 1490 Satz 2 BGB ist der Bf. an die Stelle des Erblassers in der fGg getreten. Zum Gesamtgut der fGg gehören unter anderem Gesellschaftsanteile an der X.-GmbH im Nennbetrag von 2.760.000 DM. Der Erblasser hat in seinem Testament bestimmt, daß seine Ehefrau den Nießbrauch an den zu seinem Nachlaß gehörenden GmbH-Anteilen haben soll und zwar a) bis zum vollendeten 21. Lebensjahr des Sohnes (Bf.) in voller Höhe, b) bis zum vollendeten 31. Lebensjahr des Sohnes (Bf.) zu 2/3, c) bis zu ihrem Lebensende zu 1/3. Der Bf. hat - spätestens in seinem wegen dem weiteren vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid vom 11. Juli 1951 eingelegten Einspruch - beantragt, die Besteuerung des in den GmbH-Anteilen bestehenden Erbanfalles gemäß § 34 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) auszusetzen. Dem Einspruch und der Berufung ist insoweit kein Erfolg beschieden gewesen. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird erneut Aussetzung der Versteuerung hinsichtlich der GmbH-Anteile begehrt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß - wenn auch aus anderen als den vorgebrachten Gründen - zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Zuzustimmen ist der angefochtenen Entscheidung darin, daß § 5 ErbStG nur bezweckt, eine Möglichkeit der Erbschaftsbesteuerung für solche Erwerbe zu schaffen, die zwar tatsächlich von Todes wegen anfallen, zivilrechtlich aber keinen Erbanfall darstellen und damit erbschaftsteuerrechtlich nicht unter § 2 Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG einzureihen sind. Für die Auffassung der Rb., daß mit Rücksicht auf die vom Zivilrecht abweichende Regelung des § 5 ErbStG über den Anfall von Gesamtgutsanteilen die familienrechtlichen Vorschriften auch hinsichtlich des vorliegendenfalls der Mutter des Bf. vermachten Nießbrauchs an den dem Bf. anteilig zustehenden GmbH-Anteilen unmaßgeblich seien, läßt sich aus § 5 ErbStG nichts herleiten; daran, daß der übergang von Gesamtgutsanteilen einen Vorgang darstellt, der grundsätzlich den familienrechtlichen Vorschriften des BGB unterliegt, hat sich durch § 5 ErbStG nichts geändert. Demgegenüber kann sich der Bf. auch nicht auf die durch das Gutachten des Reichsfinanzhofs Band 3 S. 249 der Amtl. Slg. eingeleitete ständige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs berufen, nach der auf Gesetz beruhende familienrechtliche Nutzungsrechte erbschaftsteuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Die übertragung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall scheitert daran, daß dem überlebenden Ehegatten (hier der Mutter des Erblassers - Großmutter des Bf. -) in der fGg zwar ein weitgehendes Verwaltungs- und Verfügungsrecht, aber kein eigentliches Nutzungsrecht zusteht, wie die Vorentscheidung zutreffend ausführt. Entgegen der Auffassung der Rb. ist also der vorliegende Fall den vom Reichsfinanzhof entschiedenen Fällen nicht analog. Hiernach kann (auch) die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten in der fGg vorliegendenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Das Finanzgericht ist deshalb bei der rechtlichen Beurteilung des Nießbrauchsvermächtnisses und demzufolge des Aussetzungsantrags nach § 34 ErbStG grundsätzlich zutreffend von den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ausgegangen. Die angefochtene Entscheidung führt mit Recht aus, daß der Erblasser als an der fGg beteiligter Abkömmling nicht wirksam über seinen Anteil an den zum Gesamtgut gehörenden GmbH- Anteilen verfügen (ihn mit einem Nießbrauch belasten) konnte. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts folgt dies allerdings nicht aus §§ 1487, 1442 BGB, weil die letztere Bestimmung nicht für letztwillige Verfügungen gilt (Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 1940 Bd. IV Anm. 2 zu § 1142 auf S. 212; Staudinger BGB, 9. Aufl. 1926 Bd. IV 1 Anm. 2 a a Abs. 5 zu § 1142 auf S. 431), vielmehr ergibt sich die dargelegte Rechtsfolge aus der durch § 1490 Satz 2 und 3 bestimmten Unvererblichkeit des Gesamtgutsanteils eines Abkömmlings (Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 1940 Bd. IV Anm. 3 zu § 1490 auf S. 255; Staudinger BGB, 9. Aufl. 1926 Bd. IV 1 Anm. 2 Abs. 2 zu § 1490 auf S. 553). Zutreffend führt die Vorentscheidung weiter aus, daß wegen der Unwirksamkeit des Nießbrauchsvermächtnisses und der daraus folgenden rechtlichen Unmöglichkeit der Leistung (Nießbrauchsverschaffung) §§ 2171, 308 BGB maßgebend sind. Für die Anwendung dieser Vorschriften entnimmt das Finanzgericht in unangreifbarer Tatsachenwürdigung dem Testament den Willen des Erblassers zur Aufrechterhaltung des Vermächtnisses für den Fall der späteren Behebung der Unmöglichkeit zur Leistung (Nießbrauchsverschaffung). Richtig ist die von der angefochtenen Entscheidung hieraus gezogene Schlußfolgerung, daß das Nießbrauchsvermächtnis aufschiebend bedingt ist. Aufschiebende Bedingung ist die Behebung der Unmöglichkeit (§ 308 Abs. 1 BGB) der Nießbrauchsverschaffung, wie sich aus den vom Finanzgericht insoweit zutreffend angeführten Worten aus § 308 Abs. 2 BGB "unter einer anderen aufschiebenden Bedingung" ergibt. Somit entsteht die Erbschaftsteuerschuld für den aufschiebend bedingten Erwerb (Nießbrauchsvermächtnis) der Mutter des Bf. gemäß § 14 Abs. 1 Ziff. 1 a ErbStG erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung (Behebung der Unmöglichkeit der Nießbrauchsverschaffung - durch Auflösung der fGg -). Liegt bis zu diesem Zeitpunkt aber kein Erwerb der Mutter des Bf. vor, so kann andererseits auch von einer Belastung des Bf. durch das - zivilrechtlich noch nicht wirksam zur Entstehung gelangte - Nießbrauchsrecht der Mutter des Bf. nicht die Rede sein; die Belastung des Bf. ist vielmehr - ebenso wie der Erwerb seiner Mutter - aufschiebend bedingt und daher gemäß § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht zu berücksichtigen. Das Finanzgericht hat deshalb grundsätzlich zutreffend ausgesprochen, daß das erbschaftsteuerlich nicht zum Abzug zuzulassende Nießbrauchsvermächtnis keine Aussetzung der Versteuerung nach § 34 ErbStG für den anteiligen Erwerb der GmbH- Anteile begründen kann.

Es geht nun aber zu weit, wenn die angefochtene Entscheidung die zivilrechtliche Rechtslage auch steuerlich auf jeden Fall entscheidend sein läßt. Hierbei ist übersehen, daß nach dem allgemein für das Steuerrecht geltenden Grundsatz der Maßgeblichkeit dessen, was ist, nicht dessen, was sein sollte, gemäß § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts insoweit und solange ohne Bedeutung ist, als die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen. Dies gilt, wie sich aus § 5 Abs. 2 StAnpG ergibt, nicht nur für die in Abs. 3 a. a. O. ausdrücklich aufgeführten, sondern für alle Fälle der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit (Kühn, Reichsabgabenordnung - AO -, 3. Aufl. 1954 Anm. 4 zu § 5 StAnpG auf S. 575; Riewald, AO, Bd. I Anm. 5 zu § 5 StAnpG auf S. 68/69; Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO, Anm. 6 zu § 5 StAnpG). Die Vorentscheidung unterliegt daher wegen der Möglichkeit unrichtiger Nichtanwendung des § 5 Abs. 3 StAnpG der Aufhebung.

Die Sache ist nicht spruchreif, da sich aus den Akten nicht ergibt, wie von den Beteiligten verfahren wird, d. h. ob der Mutter des Bf. tatsächlich die Erträge aus den dem Bf. als an den fGg Beteiligten anteilig zustehenden GmbH-Anteilen - kraft Zustimmung der über das Gesamtgut der fGg verwaltungs- und verfügungsberechtigten Großmutter des Bf. als des überlebenden Ehegatten der ursprünglichen allgemeinen Gütergemeinschaft, unter Umständen noch kraft Zustimmung auch der übrigen Beteiligten an der fGg - zufließen. Die Sache geht daher zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück, das nunmehr die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird.

Das von der Vorentscheidung hilfsweise geäußerte Bedenken, daß das Nießbrauchsrecht nicht auf einem real abgeteilten 1/10 Anteil an den GmbH-Anteilen ruhe, und das weitere Bedenken, es werde dem Bf. nicht der gesamte Ertrag der anteiligen GmbH-Anteile entzogen, greifen nicht durch. In ersterer Hinsicht hat der Reichsfinanzhof in seinen von der Vorentscheidung angeführten Urteilen Bd. 38 S. 13 (16) und Bd. 48 S. 196 (201/2) der Amtl. Slg. keine reale Abteilung, sondern nur die Möglichkeit zur Aussonderung des belasteten Vermögens (der in sich geschlossenen Vermögensmasse) gefordert, und zwar, wie diese Entscheidungen erkennen lassen, nur in dem Sinn, daß es sich um individuell bestimmbare Vermögensteile handeln muß. Diese Voraussetzung ist aber bei den hier in Betracht kommenden anteiligen GmbH-Anteilen gegeben. Auch die zu dem weiteren Bedenken des Finanzgerichts Anlaß gebende, ebenfalls in den oben angeführten beiden Urteilen niedergelegte Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs, daß dem die Aussetzung nach § 34 ErbStG beantragenden Steuerpflichtigen infolge des Nutzungsrechts eines anderen "bis auf weiteres" (Bd. 38 S. 16 oben) weder die Verfügung über die Substanz noch über die Erträge des belasteten Vermögens möglich sein dürfe, schließt vorliegendenfalls - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - eine Aussetzung der Versteuerung nicht aus. Bei der durch die maßgebende Testamentsbestimmung zeitlich gestaffelten Höhe des vermachten Nießbrauchs verbleibt dem Bf. jedenfalls bis zu seinem vollendeten 21. Lebensjahr keinerlei Ertrag aus den anteiligen GmbH-Anteilen; mehr hat aber der Reichsfinanzhof, wie seine oben angeführten Worte "bis auf weiteres" ergeben, auch nicht gefordert, er hat nicht vorausgesetzt, daß dem Belasteten für die ganze Dauer des Nutzungsrechts kein Ertrag aus dem belasteten Vermögen verbleibe, sondern nur eine zeitweise völlige Ertraglosigkeit für den belasteten Steuerpflichtigen verlangt. Der Bf. kann demnach aber vorliegendenfalls eine Aussetzung der Versteuerung über die Vollendung seines 21. Lebensjahres hinaus nicht verlangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424088

BStBl III 1954, 159

BFHE 1954, 648

BFHE 58, 648

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