Entscheidungsstichwort (Thema)

Besitzzeitanrechnung nach Einbringung eines Betriebes zu Zwischenwerten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Betrieb oder ein Teilbetrieb gemäß § 20 Abs.1 UmwStG 1977 in eine Kapitalgesellschaft zu Zwischenwerten eingebracht, so werden Besitzzeiten i.S. des § 6b Abs.1 Satz 1 EStG des einbringenden Gesellschafters der Kapitalgesellschaft nicht angerechnet.

2. Es ist weder § 23 Abs.1 i.V.m. § 5 Abs.2 Satz 2 noch § 15 Abs.5 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977 analog anwendbar.

 

Orientierungssatz

1. Die in § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG 1983 geregelte Besitzzeit ist zumindest auch personenbezogen zu verstehen. Dies bedeutet, daß die Vorschrift nur den Steuerpflichtigen begünstigt, dem das Wirtschaftsgut während des gesamten Sechsjahreszeitraums persönlich zuzurechnen war (vgl. BFH-Urteil vom 10.7.1980 IV R 136/77; Literatur). Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen nur insoweit möglich, als sie gesetzlich vorgesehen sind.

2. § 15 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1977 setzt eine Rücklagenbildung vor Umwandlung voraus (vgl. Literatur). Diese Vorschrift betrifft nicht das Eintreten in die Besitzzeit des Rechtsvorgängers.

 

Normenkette

EStG 1983 § 6b Abs. 4 Nr. 2, Abs. 1 S. 1; UmwStG 1977 § 5 Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 5 S. 1, § 20 Abs. 1, § 23 Abs. 1, § 15 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 06.11.1990; Aktenzeichen X-K 10/88)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die zum 1.November 1981 durch Umwandlung eines Einzelunternehmens gemäß §§ 56a ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) gegründet wurde. Zu dem auf die Klägerin übertragenen Geschäftsvermögen gehörte das Grundstück nebst aufstehender Werkhalle in G, X-Straße 5. Es war von dem einbringenden Einzelkaufmann im Jahre 1976 für 144 418 DM angeschafft worden und hatte dessen Einzelunternehmen gedient. In der der Umwandlung zugrunde liegenden Bilanz waren Grundstück und Werkhalle zusammen mit 95 332,65 DM bewertet worden.

In ihrer Eröffnungsbilanz bewertete die Klägerin Grundstück und Werkhalle zusammen mit 157 600,25 DM. Sie verkaufte Grundstück und Werkhalle durch notariellen Kaufvertrag vom 26.Oktober 1983 zum 1.Januar 1984. Dabei erzielte sie einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 239 790 DM. In Höhe dieses Betrages bildete sie eine Rücklage gemäß § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG), die sie in Höhe von 194 305 DM mit den Herstellungskosten für einen Erweiterungsbau auf einem anderen Grundstück verrechnete.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte der Rücklage gemäß § 6b EStG die steuerliche Anerkennung. Dadurch ergab sich abweichend von der Körperschaftsteuererklärung (*= Verlust in Höhe von 38 175 DM) ein Gewinn der Klägerin in Höhe von 156 870 DM. Gegen den entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid vom 22.Juli 1987 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 222, veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 6b EStG, 23 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) 1977.

Es beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 6.November 1990 X-K 10/88 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 6b Abs.4 Nr.2 EStG 1984 setzt der Abzug eines Betrages bis zur Höhe von 80 v.H. des bei der Veräußerung eines Grundstücks (Gebäudes) entstandenen Gewinns von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Ersatzwirtschaftsguts gemäß § 6b Abs.1 Satz 1 EStG 1984 u.a. voraus, daß das veräußerte Grundstück (Gebäude) mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehörte. Entsprechendes gilt für die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage gemäß § 6b Abs.3 Satz 1 EStG. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, weil die Klägerin das veräußerte Grundstück (Gebäude) erst am 1.November 1981 erworben hatte und zum 1.Januar 1984 wieder veräußerte. Die Besitzzeiten des Rechtsvorgängers können der Klägerin nicht angerechnet werden.

2. Die in § 6b Abs.4 Nr.2 EStG 1984 geregelte Besitzzeit ist zumindest auch personenbezogen zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.Juli 1980 IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84, 88). Dies bedeutet, daß die Vorschrift nur den Steuerpflichtigen begünstigt, dem das Wirtschaftsgut während des gesamten Sechsjahreszeitraums persönlich zuzurechnen war (vgl. Schmidt, Finanz-Rundschau --FR-- 1978, 353, 360). Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen nur insoweit möglich, als sie gesetzlich vorgesehen sind (vgl. § 6b Abs.8 EStG, § 15 Abs.5 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs.2 Satz 2, §§ 17, 23 Abs.1, 24 Abs.1 UmwStG 1977, § 82 des Städtebauförderungsgesetzes --StBauFG--, aufgehoben durch Art.2 Nr.1 und 15 des Gesetzes über das Baugesetzbuch --BauGB-- vom 8.Dezember 1986, BGBl I 1986, 2191). In diesem Sinne kann eine Besitzzeitanrechnung bei der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebes oder einer Betriebsstätte in Betracht kommen (Rechtsgrundlage: § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--). Ferner ist an die entsprechende Anwendung des sog. Tauschgutachtens zu denken (vgl. BFH-Gutachten vom 16.Dezember 1958 I D 1/57 S, BFHE 68, 78, BStBl III 1959, 30). Entsprechendes sollte in den Fällen formwechselnder Umwandlungen (§§ 362 ff. des Aktiengesetzes --AktG--) gelten. Schließlich kann eine Ausnahme auch in den Fällen einer Ersatzbeschaffung gemäß Abschn.35 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- (vgl. Abschn.41c Abs.6 Satz 1 EStR) bzw. in den Fällen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (vgl. Abschn.41c Abs.5 EStR) angenommen werden. Jedoch fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die Annahme einer Ausnahmeregelung, wenn ein Betrieb oder Teilbetrieb eingebracht wird und die Buchwerte nicht fortgeführt werden.

3. a) Die steuerlichen Folgen der Einbringung eines Betriebes (Teilbetriebes) sind in §§ 20 bis 23 UmwStG 1977 geregelt. § 23 Abs.1 UmwStG 1977 verweist nur für den Fall auf § 5 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977, daß die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert (§ 20 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977) ansetzt. Daraus muß im Umkehrschluß gefolgert werden, daß § 5 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977 nicht anzuwenden ist, wenn die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Teilwert oder --wie im Streitfall-- mit einem Zwischenwert ansetzt (§ 23 Abs.2 und 3 UmwStG 1977).

b) Aus dem Wortlaut des § 23 Abs.2 UmwStG 1977 ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift ist § 15 Abs.3 UmwStG 1977 auf die Fälle der Einbringung von Betriebsvermögen zu einem Zwischenwert sinngemäß anzuwenden. § 15 Abs.3 Satz 1 UmwStG 1977 betrifft jedoch nur den Fall, daß die übernehmende Kapitalgesellschaft bezüglich einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklage in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt. Die Vorschrift setzt also eine Rücklagenbildung vor Umwandlung voraus (vgl. Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rz.6170). Sie betrifft nicht das Eintreten in die Besitzzeit des Rechtsvorgängers. Die entsprechende Besitzzeitanrechnung ist nur in § 5 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977 geregelt. § 23 Abs.2 UmwStG 1977 verweist auch nicht auf § 15 Abs.5 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977. Daran sind die Gerichte gebunden.

c) Zwar hat die im Schrifttum herrschende Meinung (vgl. Widmann/Meyer, a.a.O., Rz.7504 m.w.N.) zu § 20 Abs.2 i.V.m. § 7 Abs.3 UmwStG 1969 eine andere Auffassung vertreten. Dem Gesetzgeber des UmwStG 1977 stand es jedoch frei, die Frage abweichend vom UmwStG 1969 zu regeln. Da § 23 Abs.2 UmwStG 1977 abweichend von § 20 Abs.2 UmwStG 1969 gefaßt wurde, muß von einer anderen Regelung ausgegangen werden.

d) Zwar ist die Regelung in § 23 Abs.2 UmwStG 1977 im Vergleich zu der des § 15 Abs.5 UmwStG 1977 insoweit inkonsequent, als letztere Vorschrift eine Besitzzeitanrechnung auch dann erlaubt, wenn das eingebrachte Vermögen zu Zwischen- oder Teilwerten angesetzt wird. § 15 Abs.5 UmwStG 1977 regelt jedoch nur den Vermögensübergang von einer Körperschaft auf eine andere. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift, die schon wegen ihres Ausnahmecharakters nicht auf den Streitfall übertragen werden kann.

e) Bei dieser Sachlage besteht für die Annahme einer Gesetzeslücke kein Raum. Mit Rücksicht auf die Verweisung nur auf § 15 Abs.3 UmwStG 1977 geht § 23 Abs.2 UmwStG 1977 von dem Grundsatz aus, daß die übernehmende Kapitalgesellschaft nur insoweit in die Rechtsstellung des einbringenden Gesellschafters eintritt, als dieser bestimmte Besteuerungstatbestände bereits vor der Einbringung verwirklicht hatte und daraus für die Zeit nach der Einbringung steuerliche Konsequenzen zu ziehen sind. Hätte die Kapitalgesellschaft auch in bezug auf die Besitzzeiten in die Rechtsstellung des einbringenden Gesellschafters eintreten sollen, so hätte dies in § 23 Abs.2 UmwStG 1977 --z.B. durch Verweisung auf § 5 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977-- geregelt werden müssen. Das Fehlen einer Regelung läßt weder den Schluß auf eine Gesetzeslücke noch eine analoge Anwendung des § 5 Abs.2 Satz 2 UmwStG 1977 zu.

4. Kommt deshalb im Streitfall eine Besitzzeitanrechnung zugunsten der Klägerin nicht in Betracht, so durfte die Klägerin weder die Herstellungskosten ihres Erweiterungsbaues um den realisierten Veräußerungsgewinn gemäß § 6b Abs.1 EStG mindern noch eine Rücklage gemäß § 6b Abs.3 Satz 1 EStG bilden. Da das FG insoweit von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig. Deshalb war die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64469

BFH/NV 1992, 69

BStBl II 1992, 988

BFHE 168, 43

BFHE 1993, 43

BB 1992, 1760

BB 1992, 1760-1761 (LT)

DB 1992, 2223-2224 (LT)

DStR 1992, 1279 (KT)

DStZ 1992, 601 (KT)

HFR 1992, 632 (LT)

StE 1992, 498 (K)

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