Entscheidungsstichwort (Thema)

Entnahme eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch Nutzungsänderung

 

Leitsatz (NV)

Duldet der Eigentümer die Nutzung eines betrieblichen Grundstücks zu privaten Zwecken eines Dritten, so setzt die Entnahme aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Nutzungsänderung voraus, daß der Nutzende eine gesicherte Rechtsposition erwirbt. Die Absicht einer dauerhaften Nutzungsänderung bedarf insbesondere dann der Bestätigung durch weitere äußerliche Merkmale oder durch eine eindeutige Erklärung des Steuerpflichtigen, wenn diese Willensentschließung (wie bei der Gewinn ermittlung nach Durchschnittssätzen) nicht durch einen Buchungsvorgang deutlich gemacht werden kann.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 13a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und ermittelte seinen Gewinn für die dem Streitjahr 1986 zugrundeliegenden Wirtschaftsjahre nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Jahre 1975 gestattete der Kläger seiner Schwester die Nutzung einer bis dahin als Obstgarten genutzten Teilfläche seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs von 335 qm, die er weiterhin als notwendiges Betriebsvermögen behandelte. Die Schwester errichtete dort in den Jahren 1975 bis 1977 eine Garage. Mit notarieller Urkunde vom 8. Mai 1987 überließ der Kläger die bebaute Teilfläche seiner Schwester unentgeltlich, mit der Maßgabe, daß Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren mit dem Tag der Beurkundung auf die Erwerberin übergehen. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr berücksichtigte der Kläger die Veräußerung der Teilfläche nicht.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) sah in der Übertragung des Grundstücks eine Entnahme und ermittelte für das Wirtschaftsjahr 1986/1987 einen Entnahmegewinn von 72 516 DM, der zur Hälfte in die Veranlagung für das Streitjahr einging.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, das Grundstück sei mit der Schenkung gewinnrealisierend entnommen worden.

Der Kläger rügt mit seiner vom Senat zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor, die Grundstücksfläche sei im Streitjahr bereits Privatvermögen gewesen, weil sie durch Bebauung mit einer Garage entnommen worden sei. Die auf Dauer angelegte Nutzungsänderung und die unentgeltliche Nutzungsüberlassung sei als private Verwendung und damit als Entnahme anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung führe die Bebauung eines Grundstücks zu privaten Zwecken zwangsläufig zu einer Entnahme (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. März 1980 VIII R 151/76, BFHE 131, 290, BStBl II 1980, 740; vom 8. Juli 1987 VIII R 213/84, BFH/NV 1989, 289, und vom 18. Oktober 1989 X R 99/87, BFH/NV 1990, 424).

Der Kläger hat den während des Revisionsverfahrens ergangenen Einkommensteuer- Änderungsbescheid 1986 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§ 68 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einspruchsbescheid aufzuheben und die Einkommensteuer herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Der während des Revisionsverfahrens bekanntgegebene Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1986 ist auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens geworden (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO). Der Senat hält es nicht für geboten, das angefochtene Urteil aus diesem Grunde aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 127 FGO). Die Sache ist entscheidungsreif. Streitig ist nur noch die Frage, ob die Übertragung des mit der Garage bebauten Grundstücks im Streitjahr zu einer Entnahme geführt hat. Die dazu getroffenen Tatsachenfeststellungen des FG sind durch den neuen Bescheid nicht berührt worden (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674, und vom 24. Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 9).

2. Der nach § 68 FGO zum Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung gewordene Einkommensteuer-Änderungsbescheid ist rechtmäßig. Zutreffend hat das FA in der Schenkung des Grundstücksteils vom 8. Mai 1987 eine Entnahme gesehen und den Gewinn daraus dem Kläger zugerechnet.

a) Wie der Senat wiederholt entschieden hat, verlieren landwirtschaftlich genutzte Grundstücke ohne eindeutige Entnahmehandlung oder einen entsprechenden Rechtsvorgang (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) nicht ihre Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen (vgl. etwa Urteile vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448; vom 12. November 1992 IV R 41/91, BFHE 170, 311, BStBl II 1993, 430, und vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87). Danach liegt eine Entnahme durch einen Rechtsvorgang immer dann vor, wenn sich die Rechtszuständigkeit für das Wirtschaftsgut, wie im Falle der Grundstücksschenkung, ändert (Senatsurteile vom 5. Mai 1983 IV R 43/80, BFHE 139, 36, BStBl II 1983, 631, und in BFH/NV 1994, 87).

b) Im Zeitpunkt der Schenkung an die Schwester konnte der Kläger den Grundstücksteil auch noch entnehmen, denn er war bis zu diesem Tag als Betriebsvermögen in seinem Eigentum verblieben. Aus einem bloßen Einverständnis mit einem Bauvorhaben läßt sich nicht ableiten, daß der Besitzer den Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das auf fremdem Grund und Boden errichtete Gebäude ausschließen kann und mithin wirtschaftlicher Eigentümer i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geworden ist (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1987 III R 188/81, BFHE 152, 125, BStBl II 1988, 493 m. w. N.). Unstreitig ist der Kläger daher bis zur Übertragung dieser Teilfläche auf seine Schwester Eigentümer der später überlassenen Parzelle geblieben und hat zudem das Eigentum an der darauf errichteten Garage nach §§ 93, 946 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hinzuerworben.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers läßt sich eine Entnahme vor der Veräußerung des Grundstücksteils aber auch nicht durch schlüssiges Verhalten oder einen entsprechenden Rechtsvorgang belegen. Der Senat kann offenlassen, ob der Kläger die Bebauung der Teilfläche bereits im Jahre 1975 gestatten konnte. Insoweit widersprechen die Feststellungen des FG dem Inhalt der Akten, wonach der Kläger erst zum 23. Juni 1978 Eigentümer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Wege vorweggenommener Erbfolge geworden ist. Es bedarf auch keiner Entscheidung der Frage, ob im Streitfall die zur bilanzmäßigen Behandlung von Grundstücksteilen des notwendigen Privatvermögens entwikelen Ausnahmegrundsätze wegen des Rechtsgedankens, auf dem die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG beruht (vgl. etwa Senatsurteil vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448), auch bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen Anwendung finden; denn im Zeitpunkt der Nutzungsänderung konnte danach das ganze Grundstück als Betriebsvermögen behandelt werden, wenn es mehr als zur Hälfte betrieblich genutzt wurde (BFH-Urteile vom 12. Februar 1976 IV R 188/74, BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663; vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315; vom 2. Oktober 1980 IV R 42/79, BFHE 131, 497, BStBl II 1981, 63; vom 21. Juli 1982 I R 97/78, BFHE 136, 393, BStBl II 1983, 288, und vom 8. Juli 1987 VIII R 213/84, BFH/NV 1989, 289; Abschn. 14 Abs. 5 der Einkommensteuer- Richtlinien -- EStR -- 1975 bzw. Abschn. 14 Abs. 4 EStR 1978/1984).

d) Nach dem vom FG festgestellten unstreitigen Sachverhalt geht der Senat nicht von einer auf Dauer angelegten Nutzungsänderung aus. Mit der Duldung des Baus einer Garage auf dem zuvor landwirtschaftlich genutzten Teilstück hat der Grundstücksteil zwar die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen verloren. Wie der Senat jedoch mit Urteil vom 17. Januar 1974 IV R 93/70 (BFHE 111, 322, BStBl II 1974, 240) entschieden hat, kann eine eindeutige Entnahmehandlung durch Nutzungsänderung nicht angenommen werden, wenn ein Grundstücksteil zwar eigenen Wohnzwecken zugeführt wird, aber Umstände vorliegen, die zweifelhaft erscheinen lassen, daß eine dauernde Nutzung zu Wohnzwecken beabsichtigt ist.

Im Streitfall herrscht die Besonderheit, daß der Grundstücksteil nicht vom Kläger als Eigentümer zu Wohnzwecken genutzt wurde, sondern, daß er diese Nutzung nur geduldet hat. Im Unterschied zu dem durch BFH in BFHE 111, 322, BStBl II 1974, 240 entschiedenen Fall handelt es sich im übrigen auch nicht um Wohnraum, sondern um eine Garage, für die auch eine betriebliche Nutzung denkbar erscheint. In einem solchen Fall der Duldung einer Nutzung setzt die Annahme einer nicht nur vorübergehenden Nutzungsänderung nach Auffassung des Senats voraus, daß der Nutzende eine gesicherte Rechtsposition erwirbt, nach der ihm die Nutzungsbefugnis nicht ohne weiteres gegen seinen Willen entzogen werden kann (BFH-Urteil vom 20. November 1980 IV R 117/79, BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68 zur Einräumung eines Nutzungsrechts); zumindest aber müssen Vereinbarungen über die Dauer der Nutzungsbefugnis getroffen sein. Im Streitfall ist dies ersichtlich nicht geschehen. Der tatsächliche Geschehensablauf läßt vielmehr den Schluß zu, daß bei Überlassung des Grundstücksteils von Anfang an beabsichtigt war, zu gegebener Zeit auch das Eigentum daran zu übertragen. Insoweit ist die in der Duldung des Garagenbaus liegende Nutzungsänderung nur vorübergehender Natur, die sich nur als Vorstufe zu dem am 8. Mai 1987 vollzogenen endgültigen Eigentumsübergang darstellt. Eine andere Beurteilung wäre dann geboten, wenn der Kläger dem FA eine beabsichtigte dauerhafte Nutzungsänderung angezeigt hätte. Eine Nutzungsänderung ist zwar für sich genommen ein objektives Beweisanzeichen; ob diese Änderung der Verhältnisse nach dem Willen der Beteiligten jedoch dauerhaft sein soll, bedarf wie jede innere Tatsache der Bestätigung durch weitere äußerliche Merkmale (vgl. etwa BFH- Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 zu C IV 3. c (2) bb) oder durch eine eindeutige Erklärung des Steuerpflichtigen. Diese ist um so mehr geboten, als der Kläger bei Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen seine auf eine dauernde Nutzungsänderung gerichtete Willensentschließung jedenfalls nicht durch einen Buchungsvorgang deutlich machen kann.

e) Unter diesen Umständen kann es deshalb dahinstehen, ob es sich auch insoweit um bindende Tatsachenfeststellungen handelt, als das FG ausgeführt hat, der Kläger habe die Teilfläche noch nach 1975 in seinen Gewinnermittlungen als notwendiges Betriebsvermögen ausgewiesen. Die Revision hat hiergegen eingewandt, daß ein Ausweis von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens wie Grundstücken bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a EStG nicht erfolgt. Allerdings lassen sich entsprechende Folgerungen auch aus den Feststellungen eines über Jahre unveränderten Ansatzes der für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen maßgebenden landwirtschaftlichen Flächen ziehen. Im Streitfall hat dies das FG dem FA folgend festgestellt. Allein der Umstand jedoch, daß der Kläger bis zur Veräußerung der Fläche weder ausdrücklich eine Entnahme erklärt noch eine dauernde Nutzungsänderung der Fläche angezeigt hat, genügt für die Annahme, daß das Grundstück bis zu seiner Veräußerung Betriebsvermögen geblieben ist.

f) Aus den BFH-Urteilen in BFHE 131, 290, BStBl II 1980, 740, und in BFH/NV 1989, 289, auf die sich der Kläger berufen hat, ergibt sich nichts anderes. Im Urteil in BFHE 131, 290, BStBl II 1980, 740 ging der BFH gerade von einer Entnahme aus, weil der Kläger die private Vermietung eines Kellers und mehrerer Garagen dem FA ausdrücklich erklärt hatte, während im Urteil in BFH/NV 1989, 289 der Kläger seine Entschließung, einen zur privaten Nutzung überlassenen Grundstücksteil als Betriebsvermögen zu behandeln, durch einen Buchungsvorgang deutlich gemacht hatte. Auch das vom Kläger herangezogene BFH- Urteil in BFH/NV 1990, 424 geht von der äußerlichen Erkennbarkeit der Entnahmehandlung aus.

Nach alledem hat das FA zu Recht einen Entnahmegewinn angesetzt und, da die Voraussetzungen des § 14 a Abs. 4 EStG schon mangels Antrags nicht vorliegen, der Besteuerung unterworfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 2, 138 Abs. 2 FGO. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten waren die Kosten nach § 138 Abs. 2 FGO der Behörde insoweit aufzuerlegen, als sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Der nicht erledigte Teil des Rechtsstreits war weiterzuführen. Die Kostenentscheidung hat einheitlich zu ergehen (BFH-Beschluß vom 30. November 1987 VIII B 3/87, BFHE 151, 354, BStBl II 1988, 183). Zwar hat der Kläger nicht ausdrücklich die Hauptsache für erledigt erklärt. In dem Antrag, den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, sieht der Senat jedoch eine Erledigungserklärung durch schlüssiges Verhalten. Danach waren die Kosten des Verfahrens dem Kläger zu 97 v. H. und dem FA zu 3 v. H. aufzuerlegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420531

BFH/NV 1995, 873

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