Leitsatz (amtlich)

Eine medizinisch-technische Assistentin übt keine arztähnliche heilberufliche Tätigkeit aus.

 

Normenkette

UStG 1967 § 4 Nr. 14

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsbeklagte) ist selbständige medizinisch-technische Assistentin. Sie betreibt ein Labor für medizinische Untersuchungen und erstellt im Auftrag von Ärzten u. a. Blut-, Harn-, Steinuntersuchungen. Sie erzielte 1968 Umsätze in Höhe von ... DM, die das FA (Beklagter, Revisionskläger) gemäß § 19 UStG 1967 unter Versagung von Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG 1967 einem Steuersatz von 4 v. H. unterwarf.

Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG, dessen Urteil in den EFG 1971, 414 veröffentlicht ist, gab der Klage mit folgender Begründung statt: Die Steuerpflichtige übe eine arztähnliche heilberufliche Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG 1967 aus. Zwar habe der BFH in dem Urteil IV 459/52 U vom 30. Juli 1953 (BFH 57, 704, BStBl III 1953, 269) die Ähnlichkeit des Berufs einer medizinischdiagnostischen Assistentin mit dem Arztberuf verneint. Diese Rechtsprechung sei jedoch seit dem BFH-Urteil V 268/60 U vom 11. Juli 1963 (BFH 77, 624, BStBl III 1963, 547) überholt, nach dem auch die diagnostische Tätigkeit eines Laborarztes ohne unmittelbaren Kontakt mit dem Patienten ärztliche Tätigkeit sei. Die Steuerpflichtige sei einem Laborarzt vergleichbar, wofür auch spreche, daß sie ihre Gebühren wie dieser berechne.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 4 Nr. 14 UStG 1967 und macht geltend: Die Steuerpflichtige erziele zwar Einnahmen aus einer freiberuflichen Tätigkeit, was sie - falls sie nicht unter § 19 UStG 1967 fiele - zur Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 berechtigen würde. Sie übe jedoch nicht - wie es § 4 Nr. 14 UStG 1967 weiterhin erfordere - eine heilberufliche Tätigkeit aus, noch sei ihre Tätigkeit arztähnlich. Die heilberufliche Tätigkeit obliege allein den Ärzten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

Nach § 4 Nr. 14 UStG 1967 sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Dentist, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei. Die Steuerpflichtige übt keine der vorstehend gesondert angeführten Tätigkeiten aus. Sie nimmt entgegen der Auffassung des FG auch keine arztähnliche Tätigkeit wahr. Die Berufe der medizinisch-technischen Assistentin und des Arztes unterscheiden sich erheblich in Ausmaß und Art der Ausbildung (bei der medizinisch-technischen Assistentin zweieinhalb Jahre Ausbildung, beschränkt auf bestimmte medizinische Gebiete; beim Arzt langjähriges Studium und Medizinalassistentenzeit mit umfassender medizinischer Ausbildung). Berufe von so unterschiedlicher Ausbildungshöhe sind regelmäßig nicht mehr miteinander vergleichbar (ebenso für die Auslegung des Begriffs "ähnliche Berufe" in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, BFH-Urteil I 347/60 U vom 22. Juni 1965, BFH 83, 256, BStBl III 1965, 593). Die umfassendere Ausbildung befähigt den Arzt, Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der Patienten im ganzen zu überblicken und Heilungs- und Linderungsmaßnahmen zu planen und durchzuführen. Die medizinisch-technische Assistentin übt hingegen im Rahmen dieser Gesamttätigkeit am kranken Menschen lediglich eine eingeschränkt-dienende Funktion aus. Sie bereitet Diagnosen vor und übt lediglich einen Heilhilfsberuf aus (vgl. u. a. Verordnung über die Ausbildungsförderung vom 2. November 1970, BGBl I 1970, 1504).

Insbesondere ist die Annahme des FG, die Tätigkeit der Steuerpflichtigen unterscheide sich nicht von der Tätigkeit eines Laborarztes, unzutreffend. Der Laborarzt hat als Facharzt nach der Bestallung als Arzt eine intensive Weiterbildung abzuleisten (§§ 24 ff. der Berufsordnung für deutsche Ärzte in der Fassung des 71. und 73. Deutschen Ärztetages, abgedruckt bei Etmer-Bolck, Bundesärzteordnung Anhang A 2). Die Weiterbildungszeit beträgt fünf Jahre und befähigt ihn zu Untersuchungsverfahren jeder Art an Körpersäften oder sonstigem Untersuchungsmaterial, um physiologische Eigenschaften und krankhafte Zustände zu erkennen und Krankheitsverläufe zu kontrollieren (Anlage Nr. 11 zur Berufsordnung für Ärzte). Das ist ein auf der Tätigkeit des Allgemeinarztes aufbauendes Berufsbild eines qualifizierten Spezialisten, der in Wechselwirkung mit dem behandelnden Arzt diagnostiziert und Heilpläne erstellt. Es kann nicht ausbleiben, daß ein Laborarzt auch die Untersuchungen vornimmt, denen sich die Steuerpflichtige widmet. Diese Tätigkeit allein kennzeichnet ihn jedoch nicht. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob ein Laborarzt, der keinen unmittelbaren Kontakt mit dem Patienten hat, entsprechend dem BFH-Urteil IV 459/52 U (a. a. O.) keine ärztliche Tätigkeit ausübt oder nach den Grundsätzen des Senatsurteils V 268/60 U (a. a. O.) ärztliche Hilfeleistungen erbringt. Die Steuerpflichtige kann, wie dargelegt, selbst unter Zugrundelegung der in dem letztgenannten Urteil vertretenen Auffassung nicht obsiegen. Die Tätigkeit der Steuerpflichtigen ist auch mit den sonstigen in § 4 Nr. 14 UStG 1967 genannten heilberuflichen Tätigkeiten nicht vergleichbar.

Der Senat verkennt nicht, daß der Gesetzgeber in § 4 Nr. 14 UStG 1967 eine umfassende Freistellung der Heilberufe von der Umsatzsteuer erstrebt hat (vgl. Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, im einzelnen zu § 4 Nr. 14, Drucksache des Bundestags zu V/1581). § 4 Nr. 14 UStG 1967 enthält jedoch eine Aufzählung der steuerbefreiten Heilberufe und Heilhilfsberufe. Unter diesen Umständen ist der Senat nicht befugt, die Steuerfreiheit im Wege einer Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes auf die Steuerpflichtige zu erstrecken, wenn die Ähnlichkeit der Tätigkeit verneint werden muß. Der Hinweis des FG darauf, daß das FA der Steuerpflichtigen bis zum 31. Dezember 1967 Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG 1951 gewährt habe, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Es braucht nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob das FA die Rechtslage nach dem UStG 1951 zutreffend beurteilt hat. Sollte es unrichtig verfahren sein, war es jedenfalls nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes nicht mehr an sein früheres Verhalten gebunden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413060

BStBl II 1972, 126

BFHE 1972, 16

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