Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem bremischen Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 21. Dezember 1954 kann nur dann beansprucht werden, wenn die Grundsteuervergünstigung nach § 7 I. WoBauG tatsächlich gewährt worden ist.

Bremisches Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 21. Dezember 1954 (Gesetzblatt der Freien und Hansestadt Bremen 1954 S. 119, BStBl 1955 II S. 31)

 

Normenkette

WoBauG § 7; GrEStWGBR 1/1/a; GrEStWGBR 4

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob die Grunderwerbsteuer-Befreiung beim Wohnungsbau nach dem bremischen Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 21. Dezember 1954 - Landesgesetz (LG) - (Gesetzblatt der Freien und Hansestadt Bremen 1954 S. 119, BStBl 1955 II S. 31) auch dann beansprucht werden kann, wenn der Grundstückserwerber die Grundsteuer-Vergünstigung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz (I. WoBauG) nicht beansprucht hat.

I. - Der verstorbene Ehemann der Bfin. erwarb durch notariell beurkundete Verträge vom 16. und 28. Februar 1955 zwei unbebaute Grundstücke. Antragsgemäß sah das Finanzamt von der Erhebung der bereits festgesetzten Grunderwerbsteuer nach § 1 LG ab, da der Erwerber versicherte, daß die Grundstücke innerhalb von fünf Jahren zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet werden sollten (ß 3 Abs. 1 LG).

Da das Finanzamt nach Fertigstellung der Gebäude die gemäß § 3 Abs. 2 LG vorgesehene Bescheinigung des Amtes für Wohnung und Siedlung, daß die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt seien, vergeblich angefordert hatte, setzte es im Jahre 1961 durch Steuerbescheide eine Grunderwerbsteuer und die Zuschläge gemäß § 4 Abs. 2 LG fest, letztere als Zuschläge auf die Grunderwerbsteuer von 3 v. H. und auf den Gemeindezuschlag von 4 v. H. Die Einsprüche waren erfolglos.

Die Berufungen gegen die Einspruchsentscheidungen hat das Finanzgericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Bfin. vertrat die Auffassung, für die Grunderwerbsteuer-Befreiung genüge es, daß die errichteten Wohnungen nach Größe und Ausstattung die Voraussetzungen nach dem I. WoBauG erfüllten. Nicht erforderlich sei es, daß die Grundsteuer-Vergünstigung auch tatsächlich in Anspruch genommen werde, denn das Gesetz bezwecke nicht die Förderung billiger Wohnungen, sondern die Schaffung von Wohnungen überhaupt. Jedenfalls sei der Zuschlag im Sinne des § 4 Abs. 2 LG zu Unrecht angefordert, da bisher lediglich die Grunderwerbsteuer-Befreiung versagt, über sie aber noch nicht endgültig entschieden sei, die Versagung aber nicht schon als Nacherhebung bezeichnet werden könne.

Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, daß als steuerbegünstigte Wohnungen auch im Sinne des LG nur Wohnungen gälten, die unter Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen im Sinne des § 7 in Verbindung mit § 42 I. WoBauG (in der Fassung vom 25. August 1953) geschaffen worden seien. Diese Auslegung ergebe sich auch aus der Entwicklung der Fassungen der verschiedenen Wohnungsbaugesetze (ß 7 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 27 Abs. 1 I. WoBauG - in der Fassung vom 24. April 1950 -, § 5 Abs. 2, § 83 Abs. 3 II. WoBauG). Der Zuschlag sei verwirkt, weil die Grundstücke nicht fristgemäß steuerbegünstigt verwendet worden seien, dürfe allerdings nur als Zuschlag auf die Grunderwerbsteuer selbst, nicht auch auf den Gemeindezuschlag erhoben werden (in Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs II 277/55 U vom 16. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 104, Slg. Bd. 62 S. 281; § 4 Abs. 1 und 3, § 6 Abs. 3 LG in der Fassung vom 19. Dezember 1961, Gesetzblatt der Freien und Hansestadt Bremen 1961 S. 243, BStBl 1962 II S. 28).

Mit der Rb. erstrebt die Bfin. im wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Freistellung von der angeforderten Grunderwerbsteuer. Entscheidend hierfür sei nur die neue Fassung des § 7 I. WoBauG (Fassung für 1953), aus der sich unmittelbar ergebe, welche Wohnungen im einzelnen grundsteuerbegünstigt seien.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. kann keinen Erfolg haben. Nach § 1 Ziff. 1 a LG ist - soweit im Streitfall wesentlich - von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen der Erwerb eines unbebauten Grundstücks oder eines Grundstücks mit zerstörten Gebäuden zur Errichtung eines Gebäudes, das Wohnungen oder Wohnräume enthält, die nach § 7 I. WoBauG grundsteuerbegünstigt sind.

Es ist der Bfin. darin zuzustimmen, daß diese Befreiungsvorschrift bei etwaigen Zweifeln nach ihrem Wortlaut grundsätzlich unter Anwendung des § 7 I. WoBauG in der zur Zeit ihres Inkrafttretens geltenden Fassung, also in der Fassung des I. WoBauG 1953 auszulegen ist. Hätte aber der Landesgesetzgeber die Grunderwerbsteuer-Befreiung, wie die Bfin. meint, nur von der Größe und Ausstattung der Wohnungen abhängig machen wollen ohne Rücksicht darauf, ob auch die Grundsteuer-Vergünstigung erwirkt worden ist, so hätte es lediglich der Bezugnahme auf § 7 I. WoBauG mit der ausdrücklich klarstellenden Ergänzung bedurft, daß die Grunderwerbsteuer-Befreiung bereits dann zu gewähren sei, wenn die zu errichtenden Wohnungen die in § 7 I. WoBauG umrissenen Voraussetzungen erfüllen. Der insoweit aber mit § 7 I. WoBauG gerade nicht gleichlaufende Wortlaut des § 1 LG, der darauf abstellt, daß die Wohnungen grundsteuerbegünstigt sind, läßt also durchaus den Schluß zu, daß als grundsteuerbegünstigt im Sinne dieser Vorschriften nur solche Wohnungen in Betracht kommen, für die die Grundsteuer-Vergünstigung auch tatsächlich gewährt worden ist. Für diese Auslegung spricht auch § 3 des LG: Danach hat der Grundstückserwerber zur (vorläufigen) Freistellung zu versichern, daß das Grundstück zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet werden soll; die endgültige Bescheinigung hat die Behörde auszustellen, die auch für die Erteilung der Bescheinigung der Grundsteuer-Vergünstigung zuständig ist.

Schließlich kann, wie auch das Finanzgericht zutreffend ausführt, nicht übersehen werden, daß das I. WoBauG bei der Begriffsbestimmung des steuerbegünstigten Wohnungsbaus in § 42 Abs. 1 von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 7 dieses Gesetzes ausgeht.

Diese Auslegung des § 1 LG nach Wortlaut und Sinnzusammenhang der vorstehend bezeichneten Vorschriften wird, auch wenn man den Wortlaut des § 1 LG nicht als völlig eindeutig bezeichnen wollte, bestätigt durch den nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Grunderwerbsteuer-Befreiung verfolgten Zweck des LG, wie er sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt und wie er im Gesetz selbst seinen "hinreichend bestimmten" Ausdruck gefunden hat (vgl. insoweit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 11 S. 126, 130), wie die folgenden Erwägungen zeigen.

Die Wohnungsbaugesetzgebung unterscheidet zwischen öffentlich gefördertem sozialem, steuerbegünstigtem und frei finanziertem Wohnungsbau (vgl. I. WoBauG - Fassung 1950 - überschriften zu den Teilen II und III, § 23; I. WoBauG - Fassung 1953 - überschriften zu den Teilen III und IV, § 42). Es ist zwar richtig, daß alle drei Arten des Wohnungsbaus als grundsätzlich förderungswürdig in Betracht kommen. Die Art der Förderungswürdigkeit ist jedoch verschieden. Für den frei finanzierten Wohnungsbau bestehen die Förderungsmaßnahmen im wesentlichen - soweit in diesem Zusammenhang bedeutsam - in der Befreiung von der Wohnraumbewirtschaftung und von der Mietpreisbindung (§§ 23 Abs. 2, 27 Abs. 2 I. WoBauG, Fassung 1950; §§ 42 Abs. 2, 46 I. WoBauG, Fassung 1953). Dieser frei finanzierte, ohne öffentliche Mittel und Steuervergünstigungen durchgeführte Wohnungsbau kann zwar theoretisch unter den Oberbegriff "sozialer Wohnungsbau" fallen. Praktisch sind aber die Mieten (Belastungen) dieses ganz frei finanzierten Wohnungsbaus in der Regel viel zu hoch, als daß solche Wohnungen für die breiten Schichten des Volkes in Betracht kämen, was aber gerade die Anwendung des Begriffs "sozialer" Wohnungsbau nach § 1 I. WoBauG, Fassung 1950 und 1953, voraussetzt (vgl. Fischer-Dieskau und Pergande, Das Erste Wohnungsbaugesetz des Bundes, 2. Aufl., 1954, § 1 Anm. 7 S. 112 f; Ehrenforth, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz 1958, Teil B, Einführung III 1,2 S. 88 f.). Jedenfalls muß nach Auffassung des Senats für die Zwecke der Anwendung der Grunderwerbsteuer-Befreiung nach dem LG beachtet werden, daß der besonders bevorzugt und "als vordringliche Aufgabe" zu fördernde soziale Wohnungsbau in diesem Sinne den Bau von Wohnungen voraussetzt, die nach Größe, Ausstattung und Miete (Belastung) für die breiten Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind. Hierunter fallen aber im Regelfall praktisch - dies hält der Senat für wesentlich - nur der öffentlich geförderte soziale und der steuerbegünstigte Wohnungsbau, insbesondere mit ihren entsprechenden Mietpreisvorschriften und -bindungen (§§ 13 ff. - 17 -, 27 Abs. 1 I. WoBauG, Fassung 1950; §§ 19 ff., 29 ff., 45 I. WoBauG, Fassung 1953). Dem entsprechend erstreckt sich die Grundsteuer-Vergünstigung (ß 7 I. WoBauG, Fassungen 1950 und 1953) nur auf diese beiden Arten des sozialen Wohnungsbaus.

Der Landesgesetzgeber wollte offensichtlich auch die Grunderwerbsteuer-Befreiung von Anfang an nur dem sozialen Wohnungsbau im vorstehend abgegrenzten Sinn vorbehalten, und zwar nur unter der Voraussetzung, daß auch die Grundsteuer-Vergünstigung mit ihren Folgewirkungen insbesondere auf die Mietpreisbildung und -bindung in Anspruch genommen würde. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des LG, wonach in Anlehnung an die grundsteuerrechtlichen Vergünstigungen als Zweck des Gesetzes die Förderung des sozialen Wohnungsbaus bezeichnet wird, dem durch eine weitere Steuervergünstigung ein neuer Anreiz gegeben werden sollte (Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft - Landtag - vom 16. März 1954 S. 2). Der Wille des Gesetzgebers, der das Gesetz ausdrücklich unter die überschrift "Gesetz über die Befreiung des "sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer" stellt, kommt - wie eingangs dargelegt - auch im Gesetz selbst hinreichend bestimmt zum Ausdruck. Zwar enthält § 7 I. WoBauG in der Fassung 1953 selbst - anders als in der Fassung 1950 - den unmittelbaren Hinweis auf die Bindung an die Kostenmiete nicht mehr. Dies ist aber, soweit es sich um die Auslegung der Koppelung des § 1 LG mit § 7 I. WoBauG (Fassung 1953) handelt, unerheblich; denn die Mietpreisbindungen der nach § 7 I. WoBauG (Fassung 1953) grundsteuerbegünstigten sozialen Wohnungen ergeben sich auch hier - wie schon erwähnt - ebenfalls unmittelbar aus dem I. WoBauG, Fassung 1953 (§§ 10 Satz 3, 29 ff., 45).

Nimmt aber der Steuerpflichtige - wie hier unstreitig - die Grundsteuer-Vergünstigung nicht in Anspruch, indem er keine entsprechende Bescheinigung beantragt (ß 10 I. WoBauG, Fassung 1953), und stellt er damit im Ergebnis - insbesondere hinsichtlich der Mietpreisbildung und -bindungen - die errichteten Wohnungen dem frei finanzierten Wohnungsbau gleich, so ist auch die Grunderwerbsteuer-Befreiung nach dem LG mit Recht zu versagen.

Die Behauptung, daß der Zuschlag nach § 4 Abs. 2 LG zu Unrecht angefordert worden sei, hat die Bfin. in diesem Rechtszug nicht mehr aufgegriffen. Deshalb kann sich der Senat auf die Bemerkung beschränken, daß das Finanzgericht den Zuschlag mit zutreffender Begründung als in der von ihm festgesetzten Höhe verwirkt bezeichnet hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411450

BStBl III 1965, 98

BFHE 1965, 270

BFHE 81, 270

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