Leitsatz (amtlich)

Hat der Abgabeschuldner eine Vollablösung durchgeführt, so können die abgelösten HGA-Leistungen weder nach § 131 LAG noch nach § 131 AO erlassen werden.

 

Normenkette

LAG §§ 131, 199; AO § 131

 

Tatbestand

Der Kläger wurde durch Bescheid vom 21. Januar 1959 zur HGA veranlagt. Es wurde eine HGA-Schuld von insgesamt 21 243,33 DM festgesetzt. Der Bescheid wurde unanfechtbar. Am 16. April 1959 löste der Kläger die HGA voll ab.

Am 19. Dezember 1962 ging beim FA ein Antrag des Klägers auf einen Billigkeitserlaß wegen wirtschaftlicher Bedrängnis für den Erlaßzeitraum 1959/1961 ein. Diesen Antrag lehnte das FA durch Verfügung vom 26. Juli 1963 mit der Begründung ab, daß nach Tz. 12 der Verwaltungsanordnung zu § 131 des Lastenausgleichsgesetzes in der ab 1. Januar 1959 gültigen Fassung (VAO 1959 zu § 131 LAG) ein Erlaß nur für solche Abgabeleistungen gewährt werden könne, die nach § 106 LAG im Erlaßzeitraum fällig geworden seien. Da die HGA am 16. April 1959 voll abgelöst worden sei, seien im Erlaßzeitraum 1959/1961 Abgabeleistungen nicht mehr fällig geworden.

Die gegen die Ablehnung des Erlasses eingelegte Beschwerde des Klägers blieb ohne Erfolg. Auch die Berufung war erfolglos. Das FG ist der Auffassung, daß durch die Vollablösung die Abgabeschuld erloschen sei. Der BFH habe zwar in dem Urteil III 365/59 U vom 16. Februar 1962 (BFH 74, 548, BStBl III 1962, 204) ausgeführt, daß - wenn die Erstattung gezahlter Vermögensabgabe-Beträge überhaupt möglich sei - keine beachtlichen Gründe erkennbar seien, weshalb derjenige, der die Vermögensabgabe durch Zahlung eines Ablösungsbetrages entrichtet habe, von der Erstattung ausgeschlossen sein sollte. In einem späteren Urteil III 123/61 U vom 29. November 1962 (BFH 76, 432, BStBl III 1963, 157) habe er jedoch ausgeführt, daß die Rückgängigmachung von Ablösungen durch einseitigen Widerruf des Abgabepflichtigen nicht möglich sei. Dem stimme die Kammer zu. Wenn nun aber ein einseitiger Widerruf der Ablösung nicht möglich sei, dann könne der Abgabepflichtige logischerweise auch keinen Teilerlaß der Ablösungsbeträge auf dem Umweg über einen Billigkeitserlaß erhalten. Es sei kein Ermessensverstoß, wenn die Finanzverwaltung es ablehne, in den Fällen der Ablösung eine Erstattung vorzunehmen. Ein besonderer Härtefall liege zudem im Streitfall nicht vor. Vor dem Tage der Ablösung sei im Erlaßzeitraum noch kein HGA-Betrag fällig geworden. Im übrigen habe der Kläger durch Grundstücksverkäufe seiner Ehefrau in den Jahren 1960 und 1961 erhebliche Erlöse erzielt.

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt der Kläger, unter Aufhebung des FG-Urteils, der Beschwerdeentscheidung der OFD und der Ablehnungsverfügung des FA dem Kläger die HGA im Wege der Billigkeit in Höhe der sich auf den Erlaß-Zeitraum 1959/1961 anteilig beziehenden Ablösungssumme zu erlassen, den zu erlassenden Betrag zu erstatten und den Streitwert nur in Höhe dieses Betrages festzustellen. Er rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Die Erlaßfähigkeit vorzeitig entrichteter Steuern und Abgaben werde weder durch § 131 AO noch durch § 131 LAG beseitigt. Die Ablösung sei nichts anderes als eine Vorfälligkeitsleistung. Etwas anderes sei auch nicht aus Tz. 12 der VAO 1959 zu § 131 LAG zu entnehmen. Die Ablösung bewirke eine Vorverlegung der Fälligkeitstermine. Ein Billigkeitserlaß könne auch nicht mit einem Widerruf der Ablösung verglichen werden, weil der Widerruf die Ablösung vernichte, der Billigkeitserlaß dagegen die Ablösung grundsätzlich in ihrem rechtlichen Bestand belasse. Eine allgemeine Weigerung der Finanzverwaltung, abgelöste HGA zu erlassen, sei ermessensmißbräuchlich. Der Erlaß könne auch nicht wegen der Grundstücksverkäufe seiner Ehefrau abgelehnt werden.

Der BdF ist dem Verfahren nach § 287 AO a. F. beigetreten. Er hat damit nach § 122 Abs. 2 FGO die Rechtsstellung eines Beteiligten erlangt. Er ist der Auffassung, daß nach § 131 LAG nur fällige Leistungen erlassen werden können. Der Begriff der fälligen Leistungen sei durch Hinweis auf die einschlägigen Vorschriften (§§ 106, 129 Abs. 10 und 134 LAG) genau umrissen. Bei den nach § 199 LAG abgelösten HGA-Schulden handele es sich um die vorzeitige Tilgung noch nicht fälliger Leistungen, die nach dem Wortlaut des § 131 LAG sonach von vornherein nicht unter diese Vorschrift fallen könnten. Die freiwillige Ablösung nach § 199 LAG habe zur Folge, daß die Fälligkeit der in die Ablösung einbezogenen Raten nicht mehr eintreten könne. Eine Aufteilung des Ablösungsbetrages in Teilbeträge, die ohne eine Ablösung fällig geworden wären, entbehre der gesetzlichen Grundlage. Der beantragte Erlaß könne auch nicht nach § 131 AO gewährt werden. Ein solcher Erlaß setze voraus, daß die Einziehung unbillig wäre. Der Begriff "Einziehung" setze eine unumgängliche Verpflichtung zur Zahlung voraus. Bei der freiwilligen Ablösung liege dagegen eine Zahlungsverpflichtung in diesem Sinne nicht vor. Zudem verbiete der Charakter der Ablösung die Anwendung des § 131 AO. Durch die freiwillige Ablösung gebe der Abgabeschuldner eindeutig zu erkennen, daß er zur Zahlung wirtschaftlich in der Lage sei. Die Finanzverwaltung habe deshalb keine Veranlassung, die Zumutbarkeit der Zahlung nachzuprüfen, und sei dazu auch nicht in der Lage. Nach § 6 der 1. AbgabenDV-LA a. F. sei bei der Berechnung des Ablösungsbetrags die Möglichkeit eines Erlasses fälliger Leistungen nach §§ 129 bis 132 LAG außer Betracht zu lassen. Wenn man diese Bestimmung nicht aushöhlen wolle, müsse man auch den nachträglichen Erlaß eines Ablösungsbetrags für unstatthaft halten. Das BFH-Urteil III 365/59 U (a. a. O.) sei durch das spätere Urteil III 123/61 U (a. a. O.) überholt. Denn wenn ein Widerruf der Ablösung unzulässig sei, müsse das gleiche auch für einen nachträglichen Erlaß oder Teilerlaß des Ablösungsbetrages gelten. Nach dem Urteil III 123/61 U (a. a. O.) sei durch die Ablösung die Abgabeschuld erloschen. Sie könne deshalb auch nicht zwecks Durchführung eines Erlaßverfahrens so behandelt werden, wie wenn sie noch bestünde und laufende Leistungen zu entrichten wären.

Der Kläger ist den Ausführungen des BdF entgegengetreten.

Der BdF hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat angebracht, zunächst einen Vorbescheid nach § 159 FGO zu erlassen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 131 LAG nur "fällige Leistungen" erlassen werden können. Das ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 Satz 1 LAG, und zwar schon aus dem Wortlaut der ursprünglichen Fassung. Noch deutlicher ist es durch die Einführung des Klammerzusatzes auf Grund des 16. ÄndGLAG geworden, in dem auf die einzelnen gesetzlichen Vorschriften, die die Fälligkeit begründen, hingewiesen wird (§§ 106, 129 Abs. 10 und § 134). Es ist dem BdF darin beizustimmen und geht im übrigen auch aus der amtlichen Begründung zum 16. ÄndGLAG hervor, daß diese Einfügung nur der Klarstellung diente und an der vorher bestehenden Rechtslage nichts ändern wollte. Der Kläger irrt, wenn er meint, diese amtliche Begründung spreche gerade für seine Auffassung, weil sie § 199 LAG nicht erwähne und die der Ablösung sinnverwandte Zwangsablösung nach § 200 LAG ausdrücklich in ein etwaiges Erlaßverfahren einbeziehe. Die Einfügung des Klammerzusatzes wurde nach der amtlichen Begründung für erforderlich gehalten, um nicht die Meinung aufkommen zu lassen, die nach § 141 Abs. 1 Nr. 4 LAG in Verbindung mit § 1 der 25. AbgabenDV-LA fälliggestellten Beträge seien fällige Leistungen im Sinne des § 131 LAG. Eine solche falsche Auffassung wurde deswegen für möglich gehalten, weil die Fälligstellung nach § 1 der 25. AbgabenDV-LA der Zwangsablösung nach § 200 LAG nachgebildet ist und die Zwangsblösung nach § 200 LAG aus Vereinfachungsgründen auf Grund besonderer Verwaltungsanordnungen in ein Erlaßverfahren einzubeziehen ist. Damit ist in der amtlichen Begründung zum Ausdruck gebracht, daß gegen diese Vereinfachungsmaßnahme zwar keine Bedenken bestehen, daß aber die nach § 1 der 25. AbgabenDV-LA fälliggestellten Beträge auf keinen Fall in das Erlaßverfahren einbezogen werden sollten. Dies läßt sich weiter, auch wenn § 199 LAG nicht ausdrücklich erwähnt wurde, daraus schließen, daß erst recht nicht die nach § 199 LAG freiwillig abgelösten Beträge als fällige Leistungen im Sinne des § 131 LAG gelten sollten.

Den Vorinstanzen und dem BdF ist dauch darin zuzustimmen, daß es nach einer Vollablösung der HGA keine fälligen Leistungen mehr geben kann. Das folgt aus der Rechtsnatur der Ablösung. Der Senat hat bereits in dem Urteil III 123/61 U (a. a. O.) ausgeführt, daß allein durch die vom Abgabeschuldner bewirkte Zahlung des von ihm gewählten Betrages die Ablösung der von ihm zu bestimmenden Abgabeschuld in der durch das Gesetz und die Verordnungen bestimmten Weise eintrete. Die Ablösung sei hiernach keine Maßnahme der Verwaltungsbehörde, sondern ein einseitiger Akt des Abgabepflichtigen, der aus der Entrichtung des Geldbetrages und der Mitteilung gemäß § 11 der 1. AbgabenDV-LA bestehe. Ihrer Rechtsnatur nach sei die Ablösung eine vom Gesetz vorgesehene vorzeitige Erfüllung der Abgabeschuld. Der Ablösungsbescheid sei nichts anderes als die in die Form eines Steuerbescheides gekleidete Registrierung dessen, was von seiten des Abgabepflichtigen zur vorzeitigen Erfüllung seiner Abgabeschuld veranlaßt und nach den gesetzlichen Bestimmungen erzielt worden sei. Ihm komme keinerlei konstitutive Bedeutung zu. Er stelle insbesondere keine Genehmigung der Ablösung dar. Der Zeitpunkt seines Ergehens sei auch nicht identisch mit dem Zeitpunkt der Ablösung, die nach § 12 der 1. Abgaben-DV-LA mit der Entrichtung des Ablösungsbetrages wirksam werde. Mit der Ablösung trete ein Erlöschen der Abgabeschuld ein mit allen Folgen, die sich daraus gerade auch bei der HGA (Erlöschen der öffentlichen Last) ergäben. Mit dieser Begründung hat der Senat damals entschieden, daß im Rechtsmittelverfahren über den Ablösungsbescheid die Rückgängigmachung einer vorgenommenen Ablösung nicht erreicht und auch durch einen einseitigen Widerruf die Rechtswirkungen der Ablösung nicht beseitigt werden können. In dem Urteil III 149/64 vom 4. August 1967 (BFH 90, 231, BStBl II 1968, 47) hat der Senat wiederum ausgeführt, daß eine abgelöste Abgabeschuld nicht mehr existent sei. Er hat deswegen die Herabsetzung der HGA-Schuld nach § 104 LAG in den Fällen abgelehnt, in denen mit dem Wiederaufbau erst nach dem Zeitpunkt der Vollablösung begonnen wurde. Der Senat hält auch im vorliegenden Fall an seiner Auffassung fest, daß mit der Vollablösung die HGA-Schuld erlischt. Daraus folgt, daß nach der Vollablösung keine Leistungen mehr fällig werden können, so daß ein Erlaß von Leistungen für die Zeit nach der Vollablösung nach § 131 LAG nicht möglich ist. Dieser Auffassung steht das Urteil des Senats III 365/59 U (a. a. O.) grundsätzlich nicht entgegen. Dort ist zwar ausgeführt, es seien keine beachtlichen Gründe erkennbar, weshalb diejenigen, die die Vermögensabgabe durch Zahlung eines Ablösungsbetrages entrichtet hätten, von der Erstattung ausgeschlossen sein sollten. Im nächsten Satz heißt es aber, die OFD werde bei ihrer (erneuten) Beschwerdeentscheidung zu dieser Frage Stellung nehmen müssen. Außerdem handelte es sich, wie aus dem Sachverhalt des Urteils hervorgeht, zunächst um den Erlaß von Vermögensabgabe für die Zeit vor der Ablösung. Es liegt auch darin, daß nach der Vollablösung ein Erlaß nach § 131 LAG nicht mehr möglich ist, keine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz verbietet, daß wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, daß wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 20/62 und 27/64 vom 20. April 1966, BVerfGE Bd. 20 S. 31 [33]). Das Erlaßbegehren nach Vornahme einer ausschließlich auf der eigenen Initiative des Abgabeschuldners beruhenden Vollablösung noch nicht fällig gewesener Leistungen ist aber nicht gleich einem Begehren, das auf Erlaß bereits fällig gewesener - entrichteter oder nicht entrichteter - Leistungen gerichtet ist. Die Ablösung kann auch nicht, wie der Kläger meint, mit anderen "Vorzeitzahlungen" verglichen werden. Denn wenn eine Abgabe vor ihrer Fälligkeit bezahlt wird, so geschieht dies doch im Hinblick auf die demnächst eintretende Fälligkeit, auch ändert sich an den übrigen Fälligkeitsterminen nichts. Die unter Inanspruchnahme eines Ablösungsbonus erfolgte Vollablösung kennt dagegen keinerlei Fälligkeit des Ablösungsbetrages, sondern nur den in den alleinigen Willen und das Ermessen des Abgabeschuldners gestellten Ablösungstermin. Die Zahlung des Ablösungsbetrages ist daher keine "Vorzeitzahlung" in dem vom Revisionskläger gemeinten Sinn, sondern bewirkt bei richtiger Berechnung unter Inanspruchnahme eines Nachlasses, des Ablösungsbonus, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen die Erfüllung der Abgabeschuld schlechthin, so daß für das Fälligwerden der einzelnen Abgabeleistungen kein Raum mehr ist. Die Vollablösung hat daher die Wirkung, daß nach ihr keine Leistungen mehr fällig werden können. Schließlich spielt es im Streitfall auch keine Rolle, daß die Vollablösung im Erlaßzeitraum vorgenommen wurde. Wie das FG zutreffend festgestellt hat, liegen die ohne Berücksichtigung der Vollablösung maßgebenden ersten Fälligkeitstermine während des Erlaßzeitraums für alle Abgabeschulden nach dem Tage der Ablösung.

II.

Auch nach § 131 AO können Leistungen für die Zeit nach der Vollablösung nicht erlassen werden. Zwar können nach § 131 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO auch bereits entrichtete Steuern erstattet werden. Für die Beurteilung eines Antrags auf Steuererstattung aus Billigkeitsgründen sind jedoch nach der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil IV 393/61 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 54, BStBl III 1964, 252) die Verhältnisse des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Zahlung, hier also der Ablösung, maßgebend. Schon daraus folgt, daß Umstände, die erst nach der Ablösung eintreten, nicht zu einer ganzen oder teilweisen Erstattung des Ablösungsbetrages führen können. Darüber hinaus ist dem BdF aber auch darin grundsätzlich zuzustimmen, daß eine Feststellung, ob in der Zahlung des Ablösungsbetrages eine unbillige Härte gelegen hat, in der Regel nicht getroffen werden kann. Das folgt aus der Natur der Ablösung als einer freiwilligen einseitigen und daher nach eigenem Ermessen getroffenen Maßnahme des Abgabeschuldners, die nicht daraufhin nachprüfbar ist, ob sie "unbillig" war. Bei dieser Sachlage kommt es auf die weitere Begründung des FG-Urteils, die der Senat für bedenklich hält, nicht an, es liege deswegen kein Härtefall vor, weil der Kläger durch Grundstücksverkäufe aus dem Eigentum seiner Ehefrau in den Jahren 1960 und 1961 erhebliche Erlöse erzielt habe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412753

BStBl II 1968, 325

BFHE 1968, 289

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