Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Tauschen zwei Unternehmer ihre ihnen erteilten Güterfernverkehrsgenehmigungen im Irrtum über die steuerrechtlichen Folgen aus und entsteht bei der Durchführung von Beförderungen unter Benutzung der ausgetauschten Genehmigungen eine Beförderungsteuer gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG, so stellt die Einziehung dieser Steuer keine sachliche Härte im Sinne des § 131 AO dar.

 

Normenkette

AO § 131; BefStG § 11/1/2/b

 

Tatbestand

Der Kläger und sein Bruder betrieben in X je ein Fuhrunternehmen. Während der Bruder des Klägers für ein Kraftfahrzeug Inhaber einer allgemeinen Erlaubnis für den Güterfernverkehr war, besaß der Kläger für einen LKW nur eine auf einen Umkreis von 150 km vom Standort des Fahrzeuges beschränkte Güterfernverkehrsgenehmigung (Bezirksgenehmigung) gemäß § 13 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG). Standort beider Fahrzeuge war S. Die geschäftlichen Interessen des Klägers waren u. a. auf Transporte gerichtet, für welche seine Bezirksgenehmigung nicht ausreichte, während für die wirtschaftlichen Bedürfnisse seines Bruders eine allgemeine Erlaubnis für den Güterfernverkehr nicht erforderlich war und eine Bezirksgenehmigung ausgereicht hätte. Beide Beteiligten glaubten, das überschreiten der Bezirkszone bei Beförderungen mit dem LKW, für den nur eine Bezirksgenehmigung vorliegt, stelle steuerrechtlich nichtgenehmigten Güterfernverkehr dar. Da ihnen andererseits bekannt war, daß eine behördliche Umschreibung der Konzessionen nicht oder nur schwer möglich war, veranlaßten sie beim Straßenverkehrsamt, daß die in Frage stehenden Fahrzeuge jeweils auf den Namen des anderen Beteiligten zugelassen wurden und tauschten die Konzessionen aus.

Unter Benutzung der Konzession seines Bruders und des nunmehr auf seinen Namen zugelassenen Fahrzeuges führte der Kläger in der Zeit vom 24. Mai bis 30. November 1956 Beförderungen im Güterfernverkehr mit einer Leistung von ... t/km durch. Diese Beförderungen wurden vom Kläger nicht versteuert. Das FA, dem dies durch eine beim Kläger durchgeführte Verkehrsteuerprüfung bekannt wurde, setzte die Beförderungsteuer für diese Beförderungen durch Berichtigungsveranlagung vom 29. Februar 1960 gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BefStG auf ... DM fest. Nach erfolglosem Einspruch wurde die Neufestsetzung unanfechtbar.

Am 24. Juni 1960 beantragte der Kläger, ihm diese Steuerschuld gemäß § 131 AO zu erlassen. Der Antrag wurde vom FA abgelehnt. Beschwerde und Berufung blieben erfolglos.

Mit der Rb. - jetzt Revision - rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Nach seiner Meinung beruht die Vorentscheidung auf einer einschränkenden, dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht gerecht werdenden Auslegung des § 131 AO. Der Kläger ist ferner der Ansicht, die nacherhobene, unverhältnismäßig hohe Steuer trage in seinem Falle eine Art Strafgeldcharakter, weil sie nicht entstanden wäre, wenn er ohne den Konzessionstausch unter überschreitung der Bezirkszone Beförderungen durchgeführt hätte. Diese überschreitungen hätten allenfalls zu einer geringen Geldbuße geführt, die ihn nur unwesentlich belastet hätte. Schließlich sei auch wegen seiner wirtschaftlichen Lage ein Steuererlaß berechtigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AO können im Einzelfall Steuern ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung im Zeitpunkt der Erhebung aus der Sicht der Verhältnisse zur Zeit der letzten Verwaltungsentscheidung nach Lage des einzelnen Falles unbillig war (vgl. Entscheidungen des BFH II 90/62 vom 26. Januar 1966, BFH 84, 584, BStBl III 1966, 211; II 24/59 vom 28. Februar 1962, HFR 1962, 174; IV 393/61 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 54, BStBl III 1964, 252). Ein solcher Billigkeitserlaß liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörden. Einer Nachprüfung durch die Steuergerichte unterliegen lediglich die Fragen, ob eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt, d. h. ob die Finanzbehörden die für die Ausübung des Ermessens vom Gesetz gezogenen Grenzen überschritten oder innerhalb dieser Grenzen das Ermessen fehlerhaft ausgeübt haben (vgl. Entscheidungen des BFH II 90/62, a. a. O.; VII 22/62 S vom 19. Januar 1965 BFH 81, 572, BStBl III 1965, 206; II 111/64 vom 5. Oktober 1966, BFH 88, 382, BStBl III 1967, 415).

Mit Recht hat die Vorinstanz das Vorliegen sachlicher ebenso wie persönlicher Billigkeitsgründe verneint.

Zutreffend hat das FG die Frage, ob sachliche Billigkeitsgründe vorliegen, unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, daß dieser die hier im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne des begehrten Erlasses geregelt hätte (vgl. BFH-Entscheidungen V z 181/57 U vom 27. März 1958, BFH 66, 647, BStBl III 1958, 248; VII 185/57 U vom 28. Oktober 1958, BFH 68, 27, BStBl III 1959, 11; III 112/60 U vom 30. August 1963, BFH 77, 522, BStBl III 1963, 511). Die in Betracht kommenden Beförderungen hat der Kläger im Güterfernverkehr (§ 3 GüKG) ausgeführt. Nach § 8 a. a. O. ist der Güterfernverkehr genehmigungspflichtig. Die Genehmigung wird dem Unternehmer nur für bestimmte Fahrzeuge erteilt, die auf seinen Namen zugelassen sind und ihm gehören; sie ist nicht übertragbar (§ 11 a. a. O.). über die Genehmigung wird dem Unternehmer eine Urkunde erteilt (§ 15 a. a. O.). Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr überwacht (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 a. a. O.). Das Betreiben von Güterfernverkehr ohne die erforderliche Genehmigung wird als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000 DM geahndet (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 a. a. O.). Nur Beförderungen in dem in dieser Weise genehmigten Güterfernverkehr unterliegen einer ermäßigten Besteuerung im Rahmen der Beförderungsteuer (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BefStG). In allen anderen Fällen der Güterbeförderung im Kraftfahrzeugverkehr, insbesondere in den Fällen des nichtgenehmigten Güterfernverkehrs tritt die Besteuerung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BefStG ein. Diese Vorschrift nimmt ausdrücklich auf die Vorschriften des GüKG Bezug. Bei dieser engen Verknüpfung zwischen BefStG und GüKG und der Strenge der Genehmigungsvorschriften dieses Gesetzes kann nicht angenommen werden, daß es bei Kenntnis des Sachverhalts dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers entsprechen würde, auf die dem BefStG entsprechende Besteuerung zu verzichten, wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Unternehmer bewußt und gewollt, wenn auch im Irrtum über die Folgen seines Handelns, einen Sachverhalt verwirklicht, an den das Gesetz die höhere Besteuerung knüpft.

Auch der Hinweis des Klägers auf den angeblichen Strafcharakter der Besteuerung ist nicht geeignet, der Revision zum Erfolg zu verhelfen. Strafe und Steuer sind sowohl hinsichtlich der von ihnen verfolgten Zwecke als auch hinsichtlich ihrer Anknüpfungspunkte grundlegend verschieden. Eine dem Staat erwünschte Ordnung und Kontrolle des Güterfernverkehrs erfolgt grundsätzlich nicht über das Steuerrecht, sondern durch das GüKG. In diesem Gesetz befindet sich auch die Vorschrift, nach welcher das Betreiben von Güterfernverkehr ohne die erforderliche Genehmigung als Ordnungswidrigkeit geahndet wird und je nachdem, ob diese vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, mit einer Geldbuße bis zu 10.000 DM bzw. bis zu 5.000 DM belegt wird. Daß die Steuer unter Umständen erheblich höher sein kann als die Geldbuße, liegt an den völlig anderen Gesichtspunkten, unter denen das Steuerrecht den Sachverhalt behandelt. Während nach § 99 GüKG die Geldbuße unter Berücksichtigung auch subjektiver Gesichtspunkte ihrer Höhe nach begrenzt ist, berechnet sich die Beförderungsteuer hinsichtlich ihrer Höhe allein auf Grund der gesetzlichen Vorschriften entsprechend dem Umfang der ausgeführten Beförderungen. Die Beförderungsteuer muß daher von einem bestimmten Umfang der ausgeführten Beförderungen an größer sein, als die durch ein anderes Gesetz an die Verwirklichung des gleichen Sachverhalts aber unter völlig anderen Gesichtspunkten geknüpfte ihrer Höhe nach begrenzte Geldbuße. In welcher Höhe eine Geldbuße gegen den Kläger im Rahmen des nach § 99 Abs. 2 GüKG gegebenen Spielraums tatsächlich festgesetzt worden wäre, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Zutreffend hat die Vorinstanz aber auch auf Grund der von ihr getroffenen, den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen das Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe verneint. Zu Recht ist die Vorinstanz dabei von den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, das ist der 4. März 1961, ausgegangen. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger in den Jahren 1960 und 1961 Umsätze von etwa ... DM und ... DM erklärt. Seine durch erhebliche Abschreibungen beeinflußten Gewinne betrugen in diesen Jahren etwa ... DM und ... DM. Der Kläger war verheiratet und hatte ein Kind. Wenn unter diesen Umständen das FG es für zumutbar hält, daß der Kläger die Beförderungsteuer entsprechend dem Vorschlag der Finanzbehörden in angemessenen Raten tilgt und eine Ablehnung des Steuererlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen als im Rahmen des Ermessensspielraums der Finanzbehörden liegend ansieht, so kann diese Entscheidung nicht beanstandet werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412696

BStBl III 1967, 661

BFHE 1967, 374

BFHE 89, 374

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