Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Beträge, die das beherrschende Unternehmen an den Minderheitsgesellschafter des Organs auf Grund einer im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages gegebenen Dividendengarantie zahlt, unterliegen bei dem Organ auch im Veranlagungszeitraum 1953 nach den Grundsätzen des Gutachtens des Bundesfinanzhofs I D 1/56 S vom 27. November 1956 (BStBl 1957 III S. 139, Slg. Bd. 64 S. 368) der Erfolgsbesteuerung und nicht der Mindestbesteuerung. Die hiervon abweichende übergangsregelung in gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder (vgl. für das Land Nordrhein-Westfalen Erlaß vom 18. Juli 1957, Abschnitt IV, BStBl 1957 II S. 140) ist nicht wirksam, da die Voraussetzungen des § 131 AO nicht vorliegen.

Die der Erfolgsbesteuerung bei der GmbH unterliegende garantierte Dividende stellt eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 KStG 1953 dar.

 

Normenkette

KStG §§ 6, 17 Abs. 1 Ziff. 1, § 19 Abs. 2 S. 2; AO § 131

 

Tatbestand

An der steuerpflichtigen GmbH waren im Streitjahr 1953 zu 82 v. H. die Aktiengesellschaft M. und zu 18 v. H. das Ehepaar A. beteiligt. Die Beteiligung der Gesellschafter A. gewährte einen Anspruch auf eine Vorwegbeteiligung an dem verfügbaren Reingewinn der GmbH in Höhe von 6 v. H. M. garantierte A. einen jährlichen Ertrag in Höhe von 6 v. H. der Beteiligung (Dividendengarantie). Unter Bezugnahme auf den Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 23. März 1956 (BStBl 1956, II S. 55) entsprach das Finanzamt durch Verfügung vom 22. Juni 1956 dem von der GmbH und von M. gestellten Antrag, die nicht abzugsfähigen Ausgaben der GmbH bis einschließlich 1955 der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs folgend bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens der M. zu berücksichtigen.

Das Finanzamt unterwarf die von M. auf Grund der Dividendengarantie gezahlte Dividende nach Abzug von 4 v. H. des Nennbetrags der dem Ehepaar A. zustehenden Beteiligung bei der GmbH als Mindesteinkommen der Besteuerung nach § 17 Abs. 1 Ziff. 1 KStG 1953, behandelte sie aber nicht als berücksichtigungsfähige Ausschüttungen im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 KStG.

Das Finanzgericht gab der Sprungberufung der GmbH, die in der Dividende eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung sah, mit folgender Begründung statt. Es sei zwar richtig, daß der Gesetzgeber dadurch, daß er nur die Gewinnausschüttungen auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses für berücksichtigungsfähig erklärt habe, nur die offene Ausschüttung des in der Handelsbilanz ausgewiesenen Reingewinns habe begünstigen wollen. Der Bundesfinanzhof habe aber im Gutachten I D 1/56 S vom 27. November 1956 (BStBl 1957 III S. 139, Slg. Bd. 64 S.368) in der von der Muttergesellschaft an die Minderheitsgesellschafter der Untergesellschaft garantierten Dividende Beträge gesehen, deren Zahlung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhe. Die Muttergesellschaft habe steuerlich gesehen der Untergesellschaft im Falle der Ergebnisabführung einen Gewinn in Höhe der gezahlten Dividende belassen. Deshalb habe das Finanzamt die Ausschüttung auch mit Recht zur Mindestbesteuerung herangezogen. Aus der steuerlichen Unterstellung der Gewinnausschüttung der Untergesellschaft an ihren Minderheitsgesellschafter müsse, auch wenn die Untergesellschaft diesen Gewinn nicht in ihrer Bilanz ausweise, für die Ausschüttungsbegünstigung die Folgerung dahin gezogen werden, daß die garantierte Dividende der offenen Dividende gleichgestellt und als berücksichtigungsfähige Ausschüttung anerkannt werde.

Mit der Rb. erstrebt der Vorsteher des Finanzamts die Wiederherstellung des vom Finanzgericht abgeänderten Körperschaftsteuerbescheides.

Auf Anregung des Senats trat der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren bei und äußerte sich nicht nur zur Behandlung der garantierten Dividende als berücksichtigungsfähige Ausschüttung, sondern auch dazu, ob die Zahlung einer garantierten Dividende bei der Untergesellschaft zu einem Mindesteinkommen oder zu einem Erfolgseinkommen führe. Auf Grund des Urteils des Reichsfinanzhofs I A 262/31 vom 28. Januar 1932 (RStBl 1932 S. 302) sei, so führt der Bundesminister der Finanzen aus, in der Praxis die garantierte Dividende bei der Untergesellschaft als Mindesteinkommen im Sinne des § 17 KStG und bei der Obergesellschaft als Betriebsausgabe behandelt worden. Erst nachdem durch das Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/56 S Anfang 1957 klargestellt worden sei, daß die garantierte Dividende zu einem gleich hohen steuerpflichtigen Erfolgseinkommen der Untergesellschaft führe, hätten sich die Finanzverwaltungen der Länder ab 1959 in gleichlautenden Erlassen dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. für das Land Nordrhein-Westfalen Erlaß vom 23. Oktober 1959, BStBl 1959 II S. 161). Dagegen sei für die vorangegangene Zeit auf gemeinsamen Antrag der Ober- und Untergesellschaft noch nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu verfahren und die garantierte Dividende als Teil des der Obergesellschaft zuzurechnenden Gewinns zu behandeln (vgl. für Nordrhein-Westfalen Erlaß vom 18. Juli 1957 unter Abschnitt II Abs. 2 Buchst. c, BStBl 1957 II S. 140). Danach sei es im Rahmen der übergangsregelung nicht möglich, die garantierte Dividende bei der Untergesellschaft als Mindesteinkommen zu erfassen, weil sich dann eine nicht gerechtfertigte Doppelbesteuerung ergeben würde. Die Heranziehung der GmbH zur Mindestbesteuerung 1953 sei daher nicht zutreffend. Wolle man trotzdem die garantierte Dividende bei der Untergesellschaft als Erfolgs- oder als Mindesteinkommen erfassen, so komme bei der Untergesellschaft die Ausschüttungsbegünstigung des § 19 Abs. 2 KStG nicht in Betracht. Denn bei der Dividendengarantie handele es sich nicht um die Verteilung eines in der Handelsbilanz ausgewiesenen Reingewinns, weil die Untergesellschaft infolge der Ergebnisabführung keinen Reingewinn habe. Die im Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/56 S mit wirtschaftlichen Erwägungen begründete Annahme, daß die Untergesellschaft in Höhe der garantierten Dividende von der Obergesellschaft Einnahmen erziele, die sie als Reingewinn an den Minderheitsgesellschafter ausschütte, habe mit der nach handelsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Frage nichts zu tun, ob die garantierte Dividende eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung sei.

Das Finanzamt schloß sich der Auffassung des Bundesministers der Finanzen insoweit nicht an, als der Bundesminister der Finanzen die Erfassung der garantierten Dividende als Mindesteinkommen der GmbH für unzutreffend hielt. Denn nach dem auch in Hamburg anwendbaren Erlaß des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1957 (vgl. Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 10. Juli 1957, BStBl 1957 II S. 136) bestünden keine Bedenken dagegen, die garantierte Dividende bis zum 31. Dezember 1954 bei der Obergesellschaft als Betriebsausgabe und bei der Untergesellschaft nicht als eigenes steuerpflichtiges Erfolgseinkommen, sondern als Mindesteinkommen zu behandeln. Die übergangsregelung in Abschnitt II Abs. 2 Buchst. c des Erlasses vom 18. Juli 1957 gelte nur für die Veranlagungszeiträume 1954 bis 1958, nicht aber für den hier allein streitigen Veranlagungszeitraum 1953.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Bei der zunächst den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens bildenden Streitfrage, ob die garantierte Dividende eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 KStG ist, kann die Prüfung, ob die GmbH in Höhe der garantierten Dividende der Mindest- oder Erfolgsbesteuerung unterliegt, um so weniger unterbleiben, als sich die GmbH für ihre Auffassung in erster Linie auf das Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/56 S beruft. Dieses Gutachten kommt, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend ausführt, unter Betonung der wirtschaftlichen Betrachtung zu dem Ergebnis, daß im Fall der Ergebnisabführung die Obergesellschaft der Untergesellschaft die für die Ausschüttung der garantierten Dividende notwendigen Mittel zur Verfügung stellt, daß dadurch die Höhe des von der Obergesellschaft übernommenen Jahresergebnisses der Untergesellschaft nicht berührt wird und daß deshalb die Untergesellschaft ein der Anerkennung der Ergebnisabführung im übrigen nicht entgegenstehendes eigenes Erfolgseinkommen in Höhe der ausgeschütteten Dividende zu versteuern hat.

Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind die auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen (ß 19 Abs. 2 Satz 2 KStG). Es ist zwar richtig, daß der Gesetzgeber mit dieser Definition im Interesse der Kapitalmarktförderung grundsätzlich an die Begünstigung der Verteilung des in der Handelsbilanz ausgewiesenen Reingewinns durch einen Gewinnverteilungsbeschluß dachte, um besonders verdeckte Gewinnausschüttungen von der Begünstigung auszuschließen. Das bezeichnete Gutachten des Bundesfinanzhofs sah aber in der garantierten Dividende einen von der Untergesellschaft erzielten und in jedem Jahre auf Grund einer das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarung ausgeschütteten Reingewinn. Es verneint damit anders als bei Zahlungen auf Grund schuldrechtlicher Verträge im Ergebnis die Abzugsfähigkeit der garantierten Dividende als Betriebsausgabe. Gleichzeitig wies es darauf hin, daß die garantierte Dividende an die Minderheitsaktionäre auch im Wirtschaftsleben allgemein wie die normale Dividende behandelt wird. Auch die garantierte Dividende ist eine offene Ausschüttung. Ihre bürgerlich-rechtliche Zulässigkeit ist nicht umstritten. Eine Abgrenzung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen nach der Betrachtung der Finanzverwaltung erscheint formal und führt zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Diese überlegung zwingt dazu, aus dem Gutachten des Bundesfinanzhofs auch für die Auslegung des Begriffs der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen Folgerungen zu ziehen und der wirtschaftlichen Betrachtung ebenfalls eine entscheidende Bedeutung beizumessen.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so kann der Mangel eines in jährlichen Handelsbilanzen der GmbH ausgewiesenen Reingewinns und eines entsprechenden jährlichen formalen Gewinnverteilungsbeschlusses nicht von entscheidender Bedeutung sein. Denn die Vereinbarung der Dividendengarantie kann im Zusammenhang mit der Ergebnisabführung bei wirtschaftlicher Betrachtung als eine im voraus beschlossene Ausschüttung eines Reingewinns angesehen werden, den die GmbH infolge der Deckung ihrer Verluste durch die AG und durch die Zahlungen der garantierten Dividende zwangsläufig in Höhe dieser Dividenden laufend erzielt. Von dem Erfordernis eines besonderen formalen Gewinnverteilungsbeschlusses hat das Reichsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall abgesehen, in dem sich der Anspruch auf Ausschüttung eines bestimmten Teils des Reingewinns aus der Satzung oder aus einem besonderen Vertrag ergab (Urteil des Reichsgerichts 310/29 II vom 20. Juni 1930, Juristische Wochenschrift 1930 S. 3735). Um so mehr ist es bei wirtschaftlicher Auslegung des Begriffs der berücksichtigungsfähigen Ausschüttung gerechtfertigt, auf laufende Gewinnverteilungsbeschlüsse zu verzichten. Der Senat kommt deshalb im Gegensatz zu der im Erlaß des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 1959 unter Abschnitt IV Ziff. 4 vertretenen Auffassung der Verwaltung zu dem Ergebnis, daß die der Erfolgsbesteuerung bei der GmbH unterliegende garantierte Dividende eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 KStG darstellt.

Die Auffassung des Bundesministers der Finanzen, daß die garantierte Dividende bei der GmbH im Jahre 1953 weder der Erfolgs- noch der Mindestbesteuerung unterworfen werden dürfe, weil sie den von der AG übernommenen Gewinn erhöhe oder Verlust mindere, und die Meinung des Finanzamts, des Finanzgerichts und der GmbH, daß die garantierte Dividende nur der Mindestbesteuerung unterworfen werden dürfe, sind beide nicht zutreffend. Es kann zweifelhaft sein, ob sich die GmbH auf Abschnitt IV des auch in Hamburg anwendbaren Erlasses des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1957 berufen kann, wonach keine Bedenken bestehen sollen, die garantierte Dividende bis zum 31. Dezember 1954 beim Organträger als Betriebsausgabe und beim Organ nicht als eigenes steuerpflichtiges Erfolgseinkommen, sondern als Mindesteinkommen zu behandeln. Denn in dem Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 10. Juli 1957 ist dieser Abschnitt IV ausdrücklich nicht für anwendbar erklärt. Als Rechtsgrundlage für die in dem bezeichneten Abschnitt IV des Erlasses des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1957 enthaltene Anweisung an die Finanzämter kommt lediglich § 131 AO in Betracht.

Der Senat erörterte im Urteil I 39/57 U vom 14. August 1958 (BStBl 1958 III S. 409, Slg. Bd. 67 S. 354) die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch für die Steuergerichte verbindliche übergangsregelungen der Verwaltung im Rahmen des § 131 AO getroffen werden dürfen, wenn das Gesetz durch eine änderung der Rechtsprechung oder eine änderung der Auffassung der Verwaltung in einer für den Steuerpflichtigen ungünstigeren Weise als bisher ausgelegt wird. Danach fehlen für eine nach § 131 AO wirksame übergangsregelung die Voraussetzungen im allgemeinen dann, wenn sich die Rechtsprechung nicht änderte und zu der Streitfrage bereits zur Zeit der Maßnahmen des Steuerpflichtigen eine Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs oder Bundesfinanzhofs vorlag. Es ist Aufgabe und Pflicht der Gerichte, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob sich eine übergangsregelung im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 131 AO hält. Diese Frage ist im vorliegenden Fall zu verneinen.

Der Reichsfinanzhof befaßte sich zuletzt in dem auch vom Bundesminister der Finanzen zur Begründung der übergangsregelung angeführten Urteil I A 262/31 mit der Behandlung der Dividendengarantie. Er billigte zwar in diesem Urteil die von den Vorinstanzen durchgeführte Mindestbesteuerung. Das Urteil läßt aber eindeutig erkennen, daß der Reichsfinanzhof die Frage, ob nicht richtiger die Erfolgsbesteuerung durchzuführen sei, nur deshalb nicht prüfte, weil bei Anwendung des KStG 1925 das Mindesteinkommen nicht niedriger als das Erfolgseinkommen war. Aus diesem Urteil kann deshalb um so weniger der Schluß gezogen werden, daß der Reichsfinanzhof nur die Mindestbesteuerung für zutreffend hielt, als das Urteil des Reichsfinanzhofs I A a 378/29 vom 29. Oktober 1929 (RStBl 1929 S. 667) in der Auszahlung einer im Rahmen einer Interessengemeinschaft garantierten Dividende eindeutig eine der Erfolgsbesteuerung unterliegende verdeckte Gewinnausschüttung sah. Wenn deshalb die Finanzverwaltung auch nach Inkrafttreten des KStG 1934, dessen § 17 Abs. 1 Ziff. 1 nur die um 4 v. H. des Nennkapitals geminderten Ausschüttungen der Mindestbesteuerung unterwarf, an der Mindestbesteuerung festhielt, obwohl die Erfolgsbesteuerung der garantierten Dividende bei der Ergebnisabführung regelmäßig zu einer höheren Körperschaftsteuer geführt hätte, so konnte sie sich für eine solche Gesetzesauslegung nicht auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs berufen. Die Verwaltung und die Steuerpflichtige konnten höchstens davon ausgehen, daß diese Zweifelsfrage durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt sei und daß eine von ihnen für zutreffend gehaltene Gesetzesauslegung zur Mindestbesteuerung führe. Nun kann allerdings unter Umständen eine unbillige Härte im Sinne des § 131 AO auch dann vorliegen, wenn eine von der Verwaltung und von den Steuerpflichtigen seit langer Zeit für zutreffend gehaltene Gesetzesauslegung wider Erwarten von der Rechtsprechung als unzutreffend erklärt und damit Maßnahmen des Steuerpflichtigen nachträglich die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird. Diese Voraussetzungen für eine übergangsregelung liegen ebenfalls aus mehreren Gründen nicht vor.

Zunächst bot, wie bereits ausgeführt ist, die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs keinen Anhalt dafür, daß eine Erfolgsbesteuerung nicht in Betracht komme. Im Gegenteil mußten die Urteile des Reichsfinanzhofs I A a 378/29 und I A 262/31 bei der Wirtschaft und bei der Verwaltung Zweifel entstehen lassen, ob nicht im Rahmen der Ergebnisabführung der Ausgleich der Betriebsausgabe bei der Obergesellschaft durch eine Erfassung der garantierten Dividende als Erfolgseinkommen ausgeglichen werden müsse. Die Steuerpflichtigen mußten damit rechnen, daß jederzeit eine für sie ungünstigere Erfolgsbesteuerung ausgeführt werden könne, und es kann deshalb für den Regelfall nicht angenommen werden, daß die Mindestbesteuerung der garantierten Dividende die wirtschaftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen irgendwie beeinflußte und die Dividende nicht garantiert worden wäre, wenn die Verwaltung eine Erfolgsbesteuerung durchführen würde. Damit entfällt eine durch die spätere Erfolgsbesteuerung eintretende unbillige Härte, die durch eine Maßnahme der Verwaltung nach § 131 AO hätte ausgeglichen werden können. Es kommt noch folgendes hinzu.

Obwohl das Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/56 S erst Anfang 1957 bekannt wurde, war die Verwaltung offenbar selbst nicht der Auffassung, daß das Vertrauen der Steuerpflichtigen auf eine Mindestbesteuerung bis zu diesem Zeitpunkt durch eine Billigkeitsmaßnahme nach § 131 AO geschützt werden müsse. Denn bereits vom 1. Januar 1955 ab soll nach den Anweisungen der Verwaltung nach den Grundsätzen des Gutachtens des Bundesfinanzhofs I D 1/56 S verfahren werden, wenn nicht auf Antrag die in Abschnitt II Abs. 2 Buchstabe c des Erlasses des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1957 vorgesehene übergangsregelung Platz greife. Diese übergangsregelung sieht aber keine Mindestbesteuerung der garantierten Dividende, sondern ihre Zurechnung zum Erfolgseinkommen der Obergesellschaft vor. Führt man also diese Erfolgsbesteuerung für einen vor dem Bekanntwerden des Gutachtens des Bundesfinanzhofs liegenden Zeitraum durch, so ist nicht einzusehen, warum das nicht ebenso für 1953 gelten solle. Eine übergangsregelung für 1953 könnte sich dann höchstens darauf beschränken, die garantierte Dividende ebenso wie nicht abzugsfähige Ausgaben nicht als Erfolgseinkommen der Untergesellschaft, sondern als Erfolgseinkommen der Obergesellschaft zu erfassen. Die Zulässigkeit einer dahingehenden übergangsregelung steht im vorliegenden Fall aber nicht zur Entscheidung, da die AG selbst unstreitig ihren Gewinn um die garantierte Dividende minderte und den von der GmbH im Rahmen der Ergebnisabführung übernommenen Verlust nicht um die garantierte Dividende kürzte.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung im Einspruchsverfahren an das Finanzamt zurückverwiesen, das nunmehr verpflichtet ist, die GmbH mit einem der vollen Dividende entsprechenden Erfolgseinkommen zur Körperschaftsteuer heranzuziehen und dabei eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung in Höhe der garantierten Dividende anzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410163

BStBl III 1961, 483

BFHE 1962, 597

BFHE 73, 597

BB 1961, 1117

DB 1961, 1409

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