Leitsatz (amtlich)

Einkommensteuervorauszahlungen können zum nächsten Vorauszahlungszeitpunkt ohne Einhaltung einer Frist erhöht werden. Bei auftretenden Härten kann Stundung in Betracht kommen.

 

Normenkette

EStG 1975 § 37 Abs. 1, 3; AO 1977 § 222

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau (Beteiligte) hatten im Streitjahr 1979 am 10. Juni, 10. September und zunächst auch am 10. Dezember 1979 Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von jeweils 59 876 DM zu entrichten. Mit Bescheid vom 23. November 1979, dem Kläger bekanntgegeben am 26. November 1979, führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuerveranlagung 1978 durch. Gleichzeitig erließ das FA einen Vorauszahlungsbescheid für das vierte Kalendervierteljahr 1979 und erhöhte im Anschluß an das Veranlagungsergebnis 1978 die Vorauszahlung zum 10. Dezember 1979 um 147 445 DM auf 207 321 DM. Der Kläger entrichtete den Erhöhungsbetrag am 31. Dezember 1979. Das FA setzte einen Säumniszuschlag in Höhe von 1 474 DM fest. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides vom 23. November 1979. Der Kläger hält den Bescheid für rechtswidrig, weil die Frist zwischen der Bekanntgabe und dem festgesetzten Fälligkeitszeitpunkt kürzer als ein Monat sei. Er meint, das FA hätte den Erhöhungsbetrag unter Beachtung der Monatsfrist gemäß § 37 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1979 frühestens zum 26. Dezember 1979 anfordern dürfen. Der Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, die Monatsfrist gelte nur, wenn das FA die Vorauszahlungen nachträglich, d. h. nach dem 10. Dezember des Veranlagungszeitraums, erhöhe. Bei einer - wenn auch kurzfristigen - Erhöhung der Vorauszahlungen vor einem gesetzlichen Vorauszahlungstermin sei dagegen der Gesamtbetrag der erhöhten Vorauszahlung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG zum nächsten Fälligkeitszeitpunkt zu entrichten.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er meint unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 22. August 1974 IV R 86/74 (BFHE 113, 373, BStBl II 1975, 15), auch bei einer Erhöhung der Vorauszahlungen vor einem gesetzlichen Vorauszahlungstermin sei der Erhöhungsbetrag erst innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides und nicht bereits zum nächsten Vorauszahlungstermin fällig.

Der Kläger beantragt, die Fälligkeit der erhöhten Einkommensteuervorauszahlung IV/1979 auf den 26. Dezember 1979 festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der angefochtene Vorauszahlungsbescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil der angeforderte Erhöhungsbetrag vor Ablauf eines Monats fällig war.

a) Die Vorauszahlungen, die zu den jeweiligen Vorauszahlungsterminen (§ 37 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu entrichten sind, bemessen sich gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Gemäß Satz 3 dieser Vorschrift kann das FA noch bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahrs die Vorauszahlungen an die Einkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird. Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 EStG ist in einem solchen Fall die letzte Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum anzupassen. Der Erhöhungsbetrag ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheids zu entrichten (§ 37 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Hierauf kann sich der Kläger indessen nicht berufen. Die Monatsfrist gilt nur, wenn die Erhöhung dem Steuerpflichtigen nach Fälligkeit der letzten Vorauszahlung am 10. Dezember bekanntgegeben und diese Vorauszahlung entsprechend heraufgesetzt wird.

aa) Dieses Ergebnis entspricht dem Wortlaut des Gesetzes. § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG sieht bestimmte Fälligkeitszeitpunkte für Vorauszahlungen vor; diese gelten auch, wenn die Höhe der Vorauszahlungen geändert wird. § 37 Abs. 4 Satz 2 EStG, der für den Erhöhungsbetrag eine Zahlungsfrist von einem Monat einräumt, gilt, wie der Zusammenhang mit § 37 Abs. 4 Satz 1 EStG ergibt, nur bei einer nachträglichen Erhöhung der Vorauszahlungen.

Eine solche liegt nur dann vor, wenn das FA den Vorauszahlungsbetrag nach dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt der letzten Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum erhöht (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 37 Rdnr. 36). Die Erhöhung künftiger Vorauszahlungen im Veranlagungszeitraum fällt nicht unter § 37 Abs. 4 EStG. Dem FA ist es daher nicht verwehrt, solche Vorauszahlungen zu den jeweiligen Vorauszahlungsterminen ohne Einhaltung einer Frist zu erhöhen.

Der Senat folgt auch nicht der Meinung, als nachträgliche Erhöhung sei jede nach der Entstehung der Vorauszahlungen (Beginn der Kalendervierteljahre, § 37 Abs. 1 Satz 2 EStG) wirksam werdende Erhöhung anzusehen (Bordewin in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 1980, § 37 Anm. 47 a). Als nachträgliche Erhöhung sieht das Gesetz nur die Heraufsetzung der letzten Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum an (§ 37 Abs. 4 Satz 1 EStG). Zudem erscheint es nicht zulässig, die zwischen den gesetzlichen Zahlungsterminen liegenden Zeiträume von drei Monaten auf einen Monat zu verkürzen, wenn dem Steuerpflichtigen nach Beginn des Kalendervierteljahres eine Erhöhung seiner Vorauszahlungen bekanntgegeben wird, während bei einer früheren Bekanntgabe die gesetzlichen Zahlungszeitpunkte unberührt bleiben würden. Die laufenden Vorauszahlungen werden allein zu den im Gesetz bestimmten Terminen fällig; andere Zeitpunkte können auch für zusätzliche Zahlungen nicht bestimmt werden.

bb) Die Auslegung des Senats wird dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht. Die Festsetzung von Vorauszahlungen zur Einkommensteuer dient der Sicherung des Steueraufkommens und gleichzeitig dem Ziel, die veranlagten Steuerpflichtigen und die Lohnsteuerzahler im Grundsatz gleichzustellen. Eine kurzfristige Erhöhung der Vorauszahlungen zum nächsten Fälligkeitstermin ist damit vereinbar. Auch bei Lohnsteuernachforderungen vom Arbeitnehmer gem. § 38 Abs. 4 Satz 3, § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG sieht das Gesetz keine Frist vor.

Wie der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 113, 373, BStBl II 1975, 15 ausgeführt hat, kann die Monatsfrist für Abschlußzahlungen (jetzt § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) nicht auf die Einkommensteuervorauszahlungen übertragen werden. Wie im Einkommensteuerrecht können im übrigen auch die Vorauszahlungen nach § 21 des Vermögensteuergesetzes (VStG) und § 19 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ohne Frist zum nächsten Vorauszahlungstermin erhöht werden. Der Steuerpflichtige braucht erst nach dem letzten Fälligkeitszeitpunkt des Veranlagungszeitraums nicht mehr mit einer kurzfristigen Erhöhung der Einkommensteuervorauszahlungen zu rechnen; denn nur für spätere Zahlungsanforderungen gilt die Monatsfrist des § 37 Abs. 4 Satz 2 EStG.

cc) Die Meinung .des Senats wird überwiegend im Schrifttum geteilt (Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 37 Anm. III, 1; Littmann, a. a. O., § 37 Rdnr. 36; vgl. auch Abschn. 213g Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1975, Abschn. 213n Abs. 2 Satz 2 EStR 1978; anderer Ansicht: Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 37 EStG - grüne Seiten - Erläuterungen zu Abs. 3, Anm. II, 4, Erläuterungen zu Abs. 4, Anm. III; Gräber, Deutsche Steuer-Zeitung 1975 S. 112 - DStZ 1975, 112 -). Sie wird durch die Entwicklung der die Einkommensteuervorauszahlungen betreffenden gesetzlichen Regelungen bestätigt.

Die Anpassung der Einkommensteuervorauszahlungen war vor Inkrafttreten des Einkommensteuergesetzes 1975 in § 35 Abs. 2 EStG geregelt. Eine Zahlungsfrist war darin zunächst nicht vorgesehen. Die Bestimmung wurde im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (BGBl I, 582, BStBl I, 266) durch Einführung der sog. fünften Vorauszahlung geändert; der nachgeforderte Betrag war binnen eines Monats zu entrichten (§ 35 Abs. 2 Satz 4 EStG 1967 bis 1974). Diese Regelung ist sachlich unverändert in § 37 Abs. 4 Satz 2 EStG 1975 übernommen worden; sie bezieht sich jetzt auf die nachträgliche Anpassung der letzten Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum, die an die Stelle der sog. fünften Vorauszahlung getreten ist. Eine entsprechende Regelung war bereits in Art. 1 § 127 Abs. 4 des Entwurfs eines Dritten Steuer-Reformgesetzes vorgesehen (Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/1470); hierzu wird in der Begründung des Regierungsentwurfs ausgeführt, daß die bisherige Fristenregelung übernommen werde.

dd) Der Senat hat in seiner noch zu § 35 Abs. 2 Satz 4 EStG 1967 bis 1974 ergangenen Entscheidung in BFHE 113, 373, BStBl II 1975, 15, dargelegt, daß sich diese Bestimmung nicht auf eine Erhöhung der laufenden Vorauszahlungen zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen beziehe und daß hierbei eine Frist nicht eingehalten werden müsse. Im Urteil wird ausgeführt, daß sich dieser Rechtszustand durch Inkrafttreten des § 37 Abs. 4 EStG 1975 geändert hat. Hieran kann nach dem Vorhergesagten nicht festgehalten werden.

b) Der Senat folgt der Vorentscheidung auch darin, daß das FA nicht gehalten war, dem Kläger von sich aus eine einmonatige Zahlungsfrist hinsichtlich des Erhöhungsbetrages zu gewähren. Die Vorinstanz hat zutreffend angeführt, daß das dem FA gemäß § 37 Abs. 3 EStG eingeräumte Ermessen in bezug auf die Erhöhung der festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen zum nächsten Fälligkeitszeitpunkt nicht die Befugnis einschließt, eine von den gesetzlichen Vorauszahlungsterminen abweichende Zahlungsfrist festzusetzen. Das FA war auch nicht gehalten, von der Erhöhung der vierten Vorauszahlung vor dem Fälligkeitstermin abzusehen und statt dessen nach dem 10. Dezember 1979 eine nachträgliche Anpassung der Vorauszahlung nach § 37 Abs. 4 EStG unter Beachtung der Monatsfrist vorzunehmen.

c) Der Senat verkennt nicht, daß es - auch unter Ausnutzung der Schonfrist gemäß § 240 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) - Schwierigkeiten bereiten kann, einen größeren Erhöhungsbetrag kurzfristig zu entrichten. Wie er in der Entscheidung in BFHE 113, 373, BStBl II 1975, 15, dargelegt hat, führt indes die kurzfristige Erhöhung und Anforderung von Vorauszahlungen wegen der Möglichkeit, den Erhöhungsbetrag zur Vermeidung von Härten zu stunden, nicht zu unzumutbaren Anforderungen an den Steuerpflichtigen. Insbesondere bei wesentlichen Erhöhungen kurz vor einem Vorauszahlungstermin muß gegebenenfalls im Wege der Stundung geholfen werden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Erhöhung der Vorauszahlungen aufgrund einer erklärungsgemäß durchgeführten Einkommensteuerveranlagung für ein Vorjahr regelmäßig für den Steuerpflichtigen - insbesondere auch im Streitfall für den Kläger als Steuerfachmann - keine Überraschung darstellt.

Der Kläger hat keine Stundungsgründe i. S. des § 222 Satz 1 AO 1977 vorgebracht. Der Senat bemerkt, daß die Revision mangels Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gemäß § 349 AO 1977 auch dann keinen Erfolg haben könnte, wenn das Begehren des Klägers zusätzlich als Antrag auf Stundung gemäß § 222 Satz 2 AO 1977 aufzufassen wäre (Gräber, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 44 Anm. 9 mit weiteren Nachweisen).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74147

BStBl II 1982, 105

BFHE 1981, 539

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