Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berücksichtigung von Kinderzuschlägen zur Berlinzulage

 

Leitsatz (NV)

1. Bindung des Arbeitgebers an falsche Eintragungen auf der LSt-Karte

2. Rechtsgrundlage für Bescheid des FA auf Rückforderung des Kinderzuschlags zur Berlinzulage wegen sachlich unzutreffender Eintragung des Kindes auf der LSt-Karte

3. Keine Berichtigung der LSt-Karte, wenn diese wegen Zeitablauf vom Arbeitgeber nicht mehr benötigt wird

4. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Kinderzuschlag zur Berlinzulage nach § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG i.d.F. vom 18. Februar 1976 ggfs. beiden geschiedenen Elternteilen nicht zusteht, weil bei dem einen Elternteil, der die Berlinzulage erhält, das Kind nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen ist, bzw. der Kinderzuschlag wegen unrichtiger Eintragung zurückgefordert wird, und der andere Elternteil, dem das Kind steuerlich zuzuordnen ist, nicht als Arbeitnehmer in Berlin(West) tätig ist (Anschluß an BFH-Urteil v. 25. Januar 1985 VI R 31/82, BFHE 143, 256, BStBl II 1985, 359).

 

Normenkette

BerlinFG i.d.F. vom 18. Februar 1976 § 28; BerlinFG i.d.F. vom 18. Februar 1976 § 29; EStG 1975 § 32 Abs. 3-4, § 39 Abs. 3, 4 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger hat im Streitjahr 1976 Arbeitslohn für eine Beschäftigung in Berlin (West) aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis bezogen und deshalb die Berlinzulage nach § 28 des Berlinförderungsgesetzes in der in 1976 gültigen Fassung (BerlinFG) erhalten. Sein im Jahr 1966 geborener Sohn aus erster Ehe lebte im Streitjahr bei seiner geschiedenen Ehefrau in A und war dort mit Hauptwohnung gemeldet. Der Kläger ließ sich trotzdem auf seiner Lohnsteuerkarte das Kind eintragen. Aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzamts X forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit Bescheid vom 28. August 1979 den ausgezahlten Kinderzuschlag zur Berlinzulage von 264 DM zurück, weil der Sohn der Kindesmutter zuzuordnen sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage statt. Es führte u.a. aus:

Im Streitfall stehe dem Kläger nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG ein Kinderzuschlag zur Berlinzulage nicht zu, da die Eintragung des Kindes auf seiner Lohnsteuerkarte nicht wirksam vollzogen worden sei. Die Voraussetzungen hierfür lägen nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG deshalb nicht vor, weil das Kind bei der Kindesmutter mit Hauptwohnung gemeldet gewesen sei.

Bei verfassungskonformer Auslegung des § 28 Abs. 5 BerlinFG sei dem Kläger gleichwohl ein Kinderzuschlag von 22 DM monatlich zur Berlinzulage zu gewähren. Das ergebe sich aufgrund folgender Erwägungen:

Der Kinderzuschlag zur Berlinzulage diene dem Zweck, Arbeitskräfte für den Berliner Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen und Aufwendungen, die dem in Berlin (West) arbeitenden Elternteil durch ein Kind entständen, teilweise auszugleichen und dadurch den Unterhalt des Kindes zu sichern. Bei typisierender Betrachtung bestehe der Ausgleichs- und Unterhaltsbedarf unabhängig davon, ob das Kind dem in Berlin (West) tätigen Arbeitnehmer steuerlich zugeordnet werde oder nicht. Wenn die gesetzliche Regelung demgegenüber in Fällen, in denen die Eintragung des Kindes auf der Lohnsteuerkarte des in Berlin (West) tätigen Arbeitnehmers nicht erfolgen könne, weil ihm sein Kind steuerlich nicht zugeordnet werde, keinen Anspruch auf Kinderzuschlag gewähre, der Kinderzuschlag aber auch dem anderen Elternteil nicht zustehe, weil er mit dem Kind im übrigen Bundesgebiet lebe, dann werde diese Gruppe von Eltern ungerechtfertigt schlechtergestellt. Weil hierfür keine vernünftigen, sachlich einleuchtenden Gründe erkennbar seien, verstoße die Versagung des Kinderzuschlags in solchen Fällen gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 (GG).

Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß dem zuordnungsberechtigten Elternteil, der - wie im Streitfall - mit dem Kind im übrigen Bundesgebiet lebe, kein Mehraufwand durch das Leben mit dem Kind in Berlin (West) entstehe. Berücksichtige man vielmehr, daß ein in Berlin (West) tätiger Arbeitnehmer den Kinderzuschlag nach herrschender Meinung auch dann bekomme, wenn sein Kind beim anderen Elternteil im Ausland lebe, so zeige dies, daß das Entstehen eines finanziellen Aufwands durch das Leben des Kindes in Berlin (West) kein maßgeblicher Grund für den Gesetzgeber zur Gewährung des genannten Kinderzuschlags gewesen sein könne.

Eine wortgetreue Auslegung könne auch nicht durch sog. Vereinfachungsgründe gerechtfertigt werden. Die Schwierigkeit, den Kinderzuschlag dem unterhaltsleistenden Elternteil, der als Arbeitnehmer in Berlin (West) tätig sei, ohne Rücksicht auf die Nichteintragung des Kindes auf der Lohnsteuerkarte zuzuwenden, sei weder unüberwindlich noch mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand verbunden.

Die Zielsetzung des Kinderzuschlags zur Berlinzulage, dem Arbeitsmarkt in Berlin (West) auch Arbeitnehmer mit Kindern zur Verfügung zu stellen und zugleich den Unterhalt des Kindes sichern zu helfen, könne, wenn der andere Elternteil keinen Kinderzuschlag beanspruchen könne, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG nur durch Gewährung des Zuschlags auch an den in Berlin (West) als Arbeitnehmer tätigen Elternteil erreicht werden. Dadurch werde die Lücke geschlossen, die bei wortgetreuer Auslegung des § 28 Abs. 5 BerlinFG vorhanden sei und durch die wirtschaftlich gleichwertige Sachverhalte ohne Grund unterschiedlich behandelt würden.

Das FA legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Es rügt sinngemäß unzutreffende Anwendung des § 28 BerlinFG.

Es ist der Ansicht, das FG habe dem Kläger zu Unrecht den Kinderzuschlag zur Berlinzulage gewährt. Der im Jahr 1966 geborene Sohn aus erster Ehe sei zwar auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen worden. Diese Eintragung sei jedoch zu Unrecht geschehen, da das Kind nicht dem Kläger, sondern der Kindesmutter zuzuordnen gewesen sei.

Es verstoße nicht gegen das GG, wenn dem Kläger ein Kinderzuschlag zur Berlinzulage nicht gewährt werde, weil das Kind im Streitjahr 1976 mit Hauptwohnung bei ihm nicht gemeldet gewesen sei und dieser Zuschlag auch nicht der Kindesmutter zustehe, da sie nicht Arbeitslohn aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis in Berlin (West) bezogen habe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Denn das FG hat § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG über seinen Wortlaut hinaus unzutreffend dahin ausgelegt, daß der Kläger einen Kinderzuschlag zur Berlinzulage auch dann erhalten kann, wenn das Kind auf seiner Lohnsteuerkarte zu Unrecht eingetragen war.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG erhalten Arbeitnehmer, denen Arbeitslohn für eine Beschäftigung in Berlin (West) aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zufließt, eine Vergünstigung durch Gewährung von Zulagen. Die Bemessungsgrundlage für diese Zulage ergibt sich aus Abs. 2 bis 4 dieser Vorschrift. Die Zulage beträgt nach § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG 8 v. H. der Bemessungsgrundlage zuzüglich eines Zuschlags für jedes Kind des Arbeitnehmers, das auf seiner Lohnsteuerkarte oder auf einer entsprechenden Bescheinigung für den jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum eingetragen ist. Nach § 29 Abs. 2 Satz 4 BerlinFG kann das FA durch schriftlichen Bescheid zu Unrecht ausgezahlte Berlinzulagen zurückfordern, wenn es feststellt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulagen nicht vorgelegen haben.

1. Im Streitfall erfüllte der Kläger im Jahr 1976 nach den Feststellungen des FG die Voraussetzungen für die Gewährung der Berlinzulage nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG, da er Arbeitslohn für eine Beschäftigung in Berlin (West) aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis bezog. Der Arbeitgeber hat ihm auch zu Recht den Kinderzuschlag zur Berlinzulage nach § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG gewährt, da sein im Jahr 1966 geborener Sohn bei ihm auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war. Der Arbeitgeber ist an die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte selbst dann gebunden, wenn diese Eintragung offensichtlich unzutreffend sein sollte (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1976 VI R 184/74, BFHE 118, 499, BStBl II 1977, 23).

Das FA war jedoch im Streitfall zur Rückforderung des Kinderzuschlags zur Berlinzulage nach § 29 Abs. 2 Satz 4 BerlinFG trotz der Eintragung des Kindes auf der Lohnsteuerkarte berechtigt, weil die Eintragung sachlich unzutreffend war.

§ 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG steht in rechtlichem Zusammenhang mit den Vorschriften des EStG. Denn diese Norm hat für die Gewährung von Kinderzuschlägen zur Berlinzulage die einkommensteuerrechtliche Zuordnung von Kindern dadurch übernommen, daß sie auf die Eintragungen der Kinder auf der Lohnsteuerkarte Bezug nimmt. Nach § 39 Abs. 3 Satz 1 EStG 1975 hat die Gemeinde die Kinder des Steuerpflichtigen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Inwieweit Kinder bei einem Elternteil lohnsteuerrechtlich zu berücksichtigen sind, bestimmt § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für das gesamte Gebiet der Einkommen- und Lohnsteuer. Hiernach ist ein Kind eines unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaares, bei dem - wie hier - die Voraussetzungen für eine Einkommensteuerzusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, dem Elternteil zuzuordnen, in dessen Wohnung es erstmals im Kalenderjahr mit Hauptwohnung gemeldet war. War das Kind nicht in einer Wohnung eines Elternteils oder war es in einer gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet, so wird es der Mutter zugeordnet; es wird dem Vater zugeordnet, wenn dieser durch eine Bescheinigung des Jugendamtes nachweist, daß es zu seinem Haushalt gehört. Im Streitfall war das Kind des Klägers aus erster Ehe nicht dem Vater, sondern der Kindesmutter zuzuordnen, weil es unstreitig bei der Kindesmutter zu Beginn des Jahres 1976 mit Hauptwohnung gemeldet war.

Die hiervon durch Kontrollmitteilung des FA X erlangte Kenntnis hat das beklagte FA dazu veranlaßt, durch Bescheid vom 28. August 1979 den ausgezahlten Kinderzuschlag für 1976 vom Kläger zurückzufordern. Wäre die Rückforderung noch im Streitjahr 1976 oder bis einschließlich März 1977 erfolgt, so hätte das FA zwar nach § 39 Abs. 4 Satz 3 EStG 1975 zunächst die Lohnsteuerkarte anfordern und die Eintragung des Kindes darauf rückgängig machen müssen, da die Gewährung oder Nichtgewährung der Zulage nach § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG von dieser Eintragung abhängig ist. Eine solche Berichtigung der Lohnsteuerkarte entfällt jedoch, wenn Eintragungen von Kindern auf ihr und die Berichtigung einer solchen Eintragung deshalb gegenstandslos werden oder sind, weil die Lohnsteuerkarte (wie hier) wegen Zeitablaufs weder für den Lohnsteuerabzug noch für den Lohnsteuer-Jahresausgleich durch den Arbeitgeber benötigt wird (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. September 1982 VI R 64/79, BFHE 136, 484, BStBl II 1983, 60). Im Streitfall ist jedenfalls in dem angefochtenen Bescheid des (auch für die Rückforderung der Lohnsteuerkarte des Klägers zuständigen) beklagten FA zugleich ein konkludent ausgesprochener Widerruf dieser Eintragung zu erblicken.

2. Die vorgenannte Vorschrift des § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG ist nicht entgegen ihrem Wortlaut verfassungskonform dahin auszulegen, daß im Falle der Ehescheidung dem zulageberechtigten Elternteil ein Kinderzuschlag auch ohne Eintragung auf der Lohnsteuerkarte oder auf einer entsprechenden Bescheinigung zu gewähren ist, wenn der andere Elternteil, bei dem das Kind auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden muß, keinen Zuschlagsanspruch nach § 28 Abs. 5 Satz 1 BerlinFG hat, weil er im übrigen Bundesgebiet lebt. Die Vorschrift ist vielmehr entsprechend ihrem Wortlaut anzuwenden und verfassungsmäßig nicht zu beanstanden.(Die nachfolgenden Ausführungen entsprechen dem des BFH-Urteils in BFHE 143, 256, BStBl II 1985, 359, 360 linke Spalte letzter Absatz bis vorletzten Absatz der Entscheidungsgründe)Die Vorentscheidung war somit aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Im Hinblick darauf, daß das FA den Kinderzuschlag zur Berlinzulage im Bescheid vom 28. August 1979 zu Recht zurückgefordert hat, ist die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413757

BFH/NV 1986, 53

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