Leitsatz (amtlich)

Wird hinsichtlich eines Druckerzeugnisses die Verlagstätigkeit in das Ausland verlagert, während die Redaktion im Inland verbleibt, wird kein Geschäftswert in das Ausland verbracht, sofern nicht eine Tellbetrlebsverlegung in das Ausland vorliegt; es bleibt aber zu prüfen, ob ein vom Geschäftswert zu unterscheldendes immaterlelles Wirtschaftsgut -- hier ein Verlagswert -- dem inländischen Betrieb entnommen und in die ausländlsche Betriebsstätte überführt worden ist.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Gründe

1. Mit der Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz ist der Kläger beschränkt einkommensteuerpflichtig geworden (§ 1 Abs. 2 EStG 1969). Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf die inländischen Einkünfte i. S. des § 49 EStG. Nach Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift sind insbesondere steuerpflichtig die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Der Kläger hat in dem hier maßgeblichen Zeitraum eine inländische Betriebsstätte unterhalten. Durch die Ausgliederung des Verlags und dessen Verlegung in die Schweiz während dieses Zeitraums ist die inländische Betriebsstätte nicht aufgelöst worden. Ein Teil des Gesamtunternehmens des Klägers, nämlich die Redaktion, ist in der Bundesrepublik verblieben. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

2. Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß der Kläger durch die Verlegung der Verlagstätigkeit in die Schweiz im Inland weder seinen Gesamtbetrieb noch einen Teilbetrieb unter etwaiger Realisierung eines Geschäftswerts aufgegeben hat (§ 16 Abs. 3 EStG); die als Verlagerung eines Betriebsteils anzusehende Verlegung der Verlagstätigkeit in das Ausland führt ebenfalls nicht zur Konkretisierung eines Geschäftswerts.

a) Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder in das Privatvermögen überführt oder an verschiedene Erwerber veräußert werden und damit der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Juni 1976 IV R 199/72, BFHE 119, 425, BStBl II 1976, 670). Als Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG ist es auch angesehen worden, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Gewerbebetrieb aus dem Inland in das Ausland verlegt und der Gewinn aus dem in das Ausland verlegten Gewerbebetrieb nicht der inländischen Besteuerung unterliegt (BFH-Urteil vom 28. April 1971 I R 55/66, BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630). Der Gewinn aus dem in die Schweiz überführten Verlag des Klägers unterliegt nicht mehr der Besteuerungshoheit der Bundesrepublik. Sie ist der Schweiz zugewiesen (Art. 3 Abs. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 -- DBA-Schweiz --, BStBl I 1959, 1006). Nach den Feststellungen des FG sind mit der Verlegung der Verlagstätigkeit nicht sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen in das Ausland verlagert worden; eine wesentliche Betriebsgrundlage, nämlich die Redaktion, ist im Inland verblieben. Ohne seine inländische Redaktion hätte der Kläger die in das Ausland verlagerte Verlagstätigkeit und den Vertrieb der Verlagserzeugnisse nicht bewerkstelligen können.

Es liegt ferner keine nach diesen Grundsätzen zu behandelnde Teilbetriebsaufgabe vor. Ein Teilbetrieb ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebs i. S. des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist (BFH-Urteil vom 24. April 1969 IV R 202/68, BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 397). Nach den Feststellungen des FG hat der Verlag des Klägers nicht die für die Annahme eines Teilbetriebs notwendige Selbständigkeit besessen. Redaktion und Verlag waren nicht organisatorisch verselbständigt. Sie unterstanden der einheitlichen Leitung des Klägers. Das Personal war gleichartig ausgebildet und wurde je nach Bedarf in beiden Abteilungen eingesetzt. Das Zusammenwirken aller Betriebsabteilungen war auf die Herstellung und den Vertrieb des von der Redaktion hergestellten Druckerzeugnisses ausgerichtet. Es ist daher die Schlußfolgerung des FG nicht zu beanstanden, daß der Verlag für sich genommen keine von der Redaktionstätigkeit losgelöste eigenständige Tätigkeit hat ausüben können.

Ist somit in der Verlegung der Verlagstätigkeit in die Schweiz weder eine Aufgabe des gesamten Betriebs noch eine Teilbetriebsaufgabe zu sehen, erübrigt sich eine Entscheidung der Rechtsfrage, ob in den einer Betriebsaufgabe gleichzuachtenden Fällen der Verlagerung eines Betriebs in das Ausland ein Geschäftswert realisiert worden ist. Der Geschäftswert ist an den fortbestehenden Betrieb (Teilbetrieb) gebunden. Er kann nicht für sich allein, sondern nur zusammen mit dem Betrieb oder einem Teilbetrieb genutzt und veräußert werden (vgl. BFH-Urteile vom 7. Oktober 1970 I R 1/68, BFHE 100, 245, BStBl II 1971, 69; vom 31. März 1971 I R 111/69, BFHE 102, 73, BStBl II 1971, 536, und vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553).

b) Die Verlagerung eines Betriebsteils in das Ausland, die nicht als Teilbetriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG angesehen werden kann, führt nicht zur Konkretisierung eines Geschäftswerts. In diesem Falle werden nur einzelne Wirtschaftsgüter der inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen entnommen und in dessen ausländische Betriebsstätte überführt (BFH-Urteil vom 16. Juli 1969 I 266/65, BFHE 97, 342, BStBl II 1970, 175). Ein Geschäftswert kann nicht wie andere Einzelwirtschaftsgüter für sich entnommen und in eine andere Betriebsstätte überführt werden. Der Geschäftswert führt kein Eigenleben. Er kann, wie schon ausgeführt, nur im Rahmen eines lebenden Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils übertragen oder erworben werden. Selbst bei Zahlung überhöhter Preise für eine Vielzahl einzelner Wirtschaftsgüter, die bei dem Veräußerer in ihrer Zusammenfassung keinen organisatorisch verselbständigten Teilbetrieb gebildet haben, ist in dem Überpreis nicht das Entgelt für die Übertragung eines Geschäftswerts zu sehen. Mit dem Überpreis wird in solchen Fällen ein vom Geschäftswert zu unterscheidendes immaterielles Wirtschaftsgut, wie Kundenstamm, Belieferungsrechte, bestehende Geschäftsbeziehungen und dergleichen, abgegolten (BFH-Urteil vom 17. März 1977 IV R 218/72, BFHE 122, 70, BStBl II 1977, 595). Für die Verlegung eines ertragreichen Betriebsteils in das Ausland, dem die Eigenschaft eines Teilbetriebs fehlt, kann nichts anderes gelten. Ein Geschäftswert wird dadurch nicht in das Ausland verbracht.

3. Hat demnach das FG zutreffend die Übertragung eines Geschäftswerts auf die ausländische Betriebsstätte verneint, hätte es prüfen müssen, ob der Kläger ein vom Geschäftswert zu unterscheidendes immaterielles Wirtschaftsgut seinem inländischen Betrieb entnommen und in die ausländische Betriebsstätte überführt hat.

Als ein in die Schweiz verlagertes immaterielles Wirtschaftsgut kommt im Streitfall insbesondere der Verlagswert des vom Kläger herausgegebenen und periodisch erscheinenden Verlagserzeugnisses in Betracht. Unter Verlagswert oder Verlagsobjekt ist die einzelne Verlagserscheinung, d. h. das durch einen bestimmten Titel gekennzeichnete "Unternehmen" im verlagsrechtlichen Sinn zu verstehen, das einen selbständigen Gegenstand des Rechtsverkehrs bildet und als solches rechtlich geschützt ist. Der Verlagswert umfaßt den zugehörigen Kundschaftswert, den Organisationswert, den Wert der durch eine Idee geweckten Nachfrage nach der betreffenden Verlagserscheinung und die Ertragschance für das "Verlagsunternehmen". Solche Verlagswerte werden als firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter angesehen, für die keine regelmäßigen Absetzungen für Abnutzung (AfA), sondern lediglich die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert in Betracht kommt (vgl. zu Vorstehendem BFH-Urteil vom 14. März 1979 I R 37/75, BFHE 127, 386, BStBl II 1979, 470, mit Rechtsprechungs- und Literaturnachweis).

Da ein Verlagswert als Einzelwirtschaftsgut veräußert werden kann, kann er auch Gegenstand einer Entnahme sein. Entnahmen sind mit dem Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Einer Bewertung des entnommenen Verlagswerts mit dem Teilwert steht nicht entgegen, daß ein selbstgeschaffener Verlagswert unter das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG fällt. Der Wert einer Entnahme ist kein Aktivposten in der Bilanz. Die Werte von Entnahmen und Einlagen sind bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Das durch Betriebsvermögensvergleich gewonnene Ergebnis eines Geschäftsjahres wird um diese Werte außerhalb der Bilanz korrigiert. Nur bei Berücksichtigung des Teilwerts eines entnommenen immateriellen Wirtschaftsguts kann verhindert werden, daß ein wegen des bestehenden Aktivierungsverbots in der Bilanz nicht ausgewiesenes immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens ohne Gewinnverwirklichung entnommen wird, um später dieses Wirtschaftsgut möglicherweise im privaten Bereich nutzbringend zu verwerten (Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 Anm. 211; Söffing, Die Information 1969 Gruppe 1, 209, 210).

4. Da das FG eine Prüfung unterlassen hat, zu welchem Wert immaterielle Wirtschaftsgüter dem inländischen Betrieb des Klägers entnommen und in dessen ausländische Betriebsstätte überführt worden sind, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74492

BStBl II 1983, 113

BFHE 1982, 59

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