Leitsatz (amtlich)

1. Eine Befristung in Form eines Anfangtermins setzt bei einem gegenseitigen Vertrag eine Vereinbarung voraus, durch die das Wirksamwerden einer Leistung bis zum Erreichen des in der Zukunft liegenden Termins aufgeschoben wird. Bei Forderungen ist von der Befristung die sog. Betagung zu unterscheiden, bei der das Fälligwerden der bereits bei Begründung des Schuldverhältnisses entstandenen Forderung von dem Eintritt eines Termins, der zeitmäßig nicht genau feststehen muß, abhängt.

2. Die bei langfristigen Strombezugsverträgen u. a. übernommene Verpflichtung, die Kosten für etwaige Erneuerung von Kraftwerksanlagen im Zeitpunkt ihrer Erneuerung zu erstatten und dafür einen Erneuerungsfonds zu bilden, ist keine befristete Verbindlichkeit.

 

Normenkette

BewG 1965 § 8

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) schätzte bei der Wertfortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zum 1. Januar 1968 den Jahreswert einer durch die Aufgabe eines eigenen Kraftwerks entstandenen Ablösungsforderung gegenüber der X-AG und bewertete deren Kapitalwert mit dem Neunfachen des Jahreswerts. Außerdem ließ es eine Rückstellung dafür nicht zum Abzug zu, daß sich die Klägerin verpflichtet hatte, die Kosten für die künftige Erneuerung von Wirtschaftsgütern der X-AG zu tragen. Es folgte dabei der Auffassung, die vom Betriebsprüfer im Bericht über die 1967 durchgeführte Prüfung vertreten worden ist, daß es sich bei der Erstattungspflicht des Erneuerungsaufwands um eine aufschiebend bedingte Last handele.

Nach den Feststellungen des FG beruht der bei der Einheitsbewertung nicht als Betriebsschuld anerkannte Posten auf folgendem Sachverhalt: Die Klägerin hat mit der X-AG am 22. November 1937 und am 9. September 1959 langfristige Verträge abgeschlossen, aufgrund deren ihr bis zum 31. Dezember 2034 bzw. 31. Dezember 2050 mit Ausnahme des Eigenbedarfs der X-AG und eines Ablösungsstroms der aus den Kraftwerken A und B erzeugbare Strom überlassen wird. Als Gegenleistung hat die Klägerin bei der Errichtung der Kraftwerke einmalige Zahlungen von ... RM (für Staustufe A) und ... DM (für Staustufe B) entrichtet. Außerdem hat sie für den laufenden Strombezug neben einer bestimmten jährlichen Pauschale die für die Kraftwerke A und B anfallenden Betriebsausgaben und im Zeitpunkt der Erneuerung einen etwaigen Erneuerungsaufwand zu erstatten. Damit die Klägerin jederzeit über ausreichende liquide Mittel zur Erfüllung ihrer Erstattungspflicht verfügt, hat sie sich verpflichtet, einen sogenannten Erneuerungsfonds zu bilden und diesem jährlich bestimmte Beträge zuzuweisen. Es bestehen zwischen der X-AG und der Klägerin folgende Vereinbarungen (auszugsweise):

1. Werk A/Vertrag vom 22. November 1937

§ 4 Betriebsführung

(1) Das Kraftwerk und die zugehörigen Anlagen ... werden von der X-AG betrieben ...

(2) die X-AG ist berechtigt und verpflichtet, die gesamten zur Stromerzeugung hergestellten und betriebenen Anlagen ... dauernd in gutem und betriebsfähigem Zustand zu erhalten, etwa schadhaft oder unzweckmäßig werdende Teile der Anlagen zu verbessern oder durch neue zu ersetzen und dafür zu sorgen, daß auch beim Ablauf des Vertrags alle Anlage-Teile in einem tadellos betriebstüchtigen Zustand sich befinden, so daß die Stromerzeugungsfähigkeit gegenüber dem Betriebsbeginn keine ins Gewicht fallende Einbuße erleidet. Die hierfür notwendigen Aufwendungen gelten als Betriebsausgaben ... Zur Durchführung größerer Arbeiten ist die Zustimmung der Werke (Klin.) erforderlich, die nur aus wichtigem Grund verweigert werden darf.

§ 6 Vergütung

(4) Mit Wirkung vom Tag der Inbetriebnahme der Kraftwerksanlagen ab erstatten die Werke der X-AG deren tatsächliche Ausgaben für Betriebsleitung, Bedienung, Betriebsmaterialien, Ersatzteile, Reparaturen, Versicherungen, Instandhaltung und Erneuerung (Betriebsausgaben). Die Werke werden einem Erneuerungsfonds, der ihnen verbleibt, jährlich einen ausreichenden Betrag, dessen Höhe sie mit der X-AG zu vereinbaren haben, zuweisen.

(5) Mit Wirkung vom Tag der Inbetriebnahme der Kraftwerksanlagen ab erstatten die Werke der X-AG die Steuern, Gebühren und sonstigen Auslagen, die tatsächlich auf das Kraftwerk A sowie dessen Verwaltung anteilig entfallen oder mit denen die X-AG infolge der Stromlieferung an die Werke belastet wird (z. B. Umsatzsteuer).

(6) Die in Abs. 4 und 5 genannten Jahresvergütungen müssen alle Ausgaben der X-AG für den Betrieb, die Instandhaltung und Erneuerung der Kraftwerksanlagen umfassen, mögen sie unter Abs. 4 und 5 ausdrücklich benannt sein oder nicht, so daß die X-AG durch diese Jahresvergütungen von jedem finanziellen Risiko für die Kraftwerksanlagen freigestellt ist."

2. Werk B/Vertrag vom 9. September 1959 mit Nachtrag vom 29. Oktober 1959

§ 2 Betriebsführung

(2) Satz 1 und 2 dieses Absatzes lauten wie oben § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2. Satz 3 lautet:

"Die Durchführung größerer Arbeiten erfolgt im Benehmen mit ... (der Klägerin) ... Der ungefähre Rahmen der laufenden Überholungsarbeiten wird zwischen der X-AG und ... (der Klägerin) ... zu Beginn eines jeden Jahres festgelegt."

§ 4 Vergütung

(4) "Vom 1. Januar 1960 ab erstattet ... (die Klägerin) ... der X-AG deren tatsächliche Ausgaben für Betriebsleitung, Bedienung, Betriebsmaterialien, Ersatzteile, Reparaturen, Versicherungen, Instandhaltung und Erneuerung (Betriebsausgaben). Außerdem erstattet ... (die Klägerin) ... der X-AG vom 1. Januar 1960 ab die Steuern (insbesondere Gewerbe-, Körperschafts- und Grundsteuer sowie etwaige Vermögensteuer), Gebühren und sonstige Auslagen, die auf das Kraftwerk B und dessen Verwaltung anteilig entfallen oder mit denen die X-AG infolge der Stromlieferung an ... (die Klägerin) ... belastet wird (z. B. eine etwaige Umsaizsteuer).

(5) Die in Abs. 4 genannten Jahresvergütungen müssen alle Ausgaben der X-AG für den Betrieb, die Instandhaltung und Erneuerung der Kraftwerksanlagen umfassen, mögen sie unter Abs. 4 ausdrücklich benannt sein oder nicht, so daß die X-AG durch diese Jahresvergütungen von jedem finanziellen Risiko für die Kraftwerksanlagen freigestellt ist."

Nachtrag zu § 4

"... (Die Klägerin) ... wird einem Erneuerungsfonds, der ihr verbleibt, jährlich einen ausreichenden betrag, dessen Höhe sie mit der X-AG zu vereinbaren hat, zuweisen."

Nach einem Schreiben der X-AG vom 19. Januar 1972 sollen sich die Kosten für die Erneuerung eines Maschinensatzes auf mehrere Mio DM belaufen. In den Kraftwerken A und B sind jeweils zwei Maschinensätze eingebaut.

Die mit fristgerechter Zustimmung des FA erhobene Klage, mit der die Klägerin den Abzug der ertragsteuerlich anerkannten Rückstellung bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1968 begehrte, hatte keinen Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Nach § 8 BewG in Verbindung mit § 6 BewG sei eine Last bereits dann nicht anzuerkennen, wenn deren Entstehung von einem Ereignis abhänge, dessen Eintritt zwar gewiß sei, bei dem aber der Zeitpunkt des Eintritts am Stichtag noch ungewiß sei. Es sei nicht erkennbar, wann und in welcher Höhe die Klägerin mit der Zahlung für Ersatzbeschaffungen rechnen müsse. Der Erneuerungsfonds stelle keine Belastung im Sinne des Bewertungsrechts dar, da die Verpflichtung zur Liquidität keine Vorverlegung der in der Zukunft liegenden Kostenbelastung begründe. Eine Schuld sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt drohender Verluste aus schwebenden Geschäften gerechtfertigt. Soweit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht ausgeglichen sei, liege am Stichtag keine betagte Schuld vor. Sofern die Klägerin ihren laufenden vertraglichen Verpflichtungen nachkomme, werde auch bei Beendigung der Stromlieferungsverträge keine wesentliche zusätzliche Last entstehen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 6 bis 8 BewG und des § 157 BGB. Sie macht geltend: Die Ungewißheit des Zeitpunkts der Erneuerung beziehe sich nur auf den Zeitpunkt der Fälligkeit. Aus diesem Grunde sei § 8 BewG nicht anwendbar. Nach der Verkehrssitte im Wirtschaftsleben sei im Regelfall davon auszugehen, daß bei einseitig erfüllten Verträgen die Entstehung der Gegenleistung nicht hinausgeschoben sei. Die Verträge enthielten keine Befristung. Da bei Kaufverträgen der Anspruch auf Gegenleistung regelmäßig mit der Lieferung entstehe, hätte ausdrücklich vereinbart werden müssen, daß für die Erstattungspflicht hinsichtlich des Erneuerungsaufwands ein späterer Entstehungszeitpunkt gelten solle. Daß bei Abschluß der Verträge weder der Zeitpunkt noch die Höhe der Leistung habe beziffert werden können, rechtfertige nicht die Annahme, daß ein Vertragspartner auf die Entstehung eines Teils seiner Ggenleistung verzichtet habe. Die Klägerin sei mit einer Pächterin zu vergleichen. Ebenso wie Erneuerungsaufwand des Verpächters Teil des Pachtzinses sei, den der Pächter schulde, sei der Erneuerungsaufwand der X-AG Teil des Kaufpreises für den laufenden Strombezug, den die Klägerin schulde. Bei der Auslegung der Verträge seien auch wirtschaftliche Gesichtspunkte heranzuziehen. Zu diesen rechne, daß ein Käufer der Klägerin den sog. Erneuerungsfonds als juristische Verpflichtung ansehen würde. Nach dem Willen der Vertragsparteien sei die Erstattungspflicht für den Eneuerungsaufwand weder aufschiebend bedingt noch befristet vereinbart worden, weil bei der Laufzeit der Verträge festgestanden habe, daß die Klägerin den Erneuerungsaufwand tragen müsse. Es könne nicht unterstellt werden, daß die X-AG den Strom zu einem unter den Gestehungskosten liegenden Preis habe abgeben wollen. Die Ansichten des FA und des FG führten zu dem Ergebnis, daß die Klägerin in Strombezugskosten spekuliert hätte. Eine Spekulationsabsicht scheide jedoch bei der gegebenen Sachlage aus.

Zu der hilfsweise vom FA geltend gemachten Erhöhung des Kapitalwerts der Ablösungsforderung führt die Klägerin aus: Der Jahreswert des Anspruchs auf unentgeltliche Stromlieferung nach Vertragsablauf hätte nicht geschätzt werden müssen, da für den Zeitraum ab 1. Januar 1966 dieser Wert gemäß § 4 Abs. 3 des Vertrages über die Staustufe B vom 9. September 1959 fest vereinbart worden sei. Er betrage rd. 50 000 DM. Es handele sich bei dem bewerteten Recht nicht um eine immerwährende Leistung, weil mit gesetzgeberischen Maßnahmen auf dem Gebiete des Wasserrechts gerechnet werden müsse, so daß der Vervielfältiger 18 ausscheide.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Klageantrag stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt der Abzug von Betriebsschulden im Sinne des § 103 BewG voraus, daß am maßgeblichen Feststellungszeitpunkt eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung besteht und diese Verpflichtung für den Schuldner eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Die Ausnahmefälle, bei denen der Senat auch ohne eine rechtliche Verpflichtung eine faktische Leistung als Schuld anerkennt, können hier außer Betracht bleiben. Für den Abzug einer Schuld ist es im Regelfall nicht erforderlich, daß die Verbindlichkeit fällig ist. Diese Grundsätze gelten auch für die bewertungsrechtliche Anerkennung einer Rückstellung als Schuld.

2. Das FG hat zu Unrecht das Vorliegen einer derartigen rechtsverbindlichen Verpflichtung hinsichtlich der Erstattungspflicht für den Erneuerungsaufwand an dem hier maßgebenden Stichtag vom 1. Januar 1968 verneint. Die Vorschriften der §§ 4 bis 8 BewG über Bedingung und Befristung sind zwar bei der Ermittlung des Betriebsvermögens anzuwenden, da im zweiten Teil des Bewertungsgesetzes keine Vorschriften über diese Fragen enthalten sind (§ 17 Abs. 3 BewG; Urteil des BFH vom 8. Januar 1960 III 345/57 S, BFHE 70, 222, BStBl III 1960, 83). Da aber die §§ 4 bis 8 BewG eindeutig an Begriffe des bürgerlichen Rechts anknüpfen, müssen die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Bedingung oder Befristung vorliegen, damit die bewertungsrechtlichen Folgen eintreten können (BFH-Urteile vom 5. März 1971 III R 130/68, BFHE 102, 102, BStBl II 1971, 481; vom 26. Mai 1972 III R 61/71, BFHE 106, 110, BStBl II 1972, 693). Eine Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise scheidet insoweit aus.

3. Der Senat ist auch im Revisionsverfahren nicht daran gehindert, die zwischen der X-AG und der Klägerin geschlossenen Verträge von 1937 und 1959 daraufhin zu überprüfen, ob das FG die rechtsgeschäftlichen Erklärungen richtig ausgelegt und dabei insbesondere die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB beachtet hat; denn das aus der Auslegung eines Vertrages gewonnene Ergebnis stellt eine Rechtsanwendung dar (BFH-Urteil vom 16. November 1967 V 118/65, BFHE 91, 336, BStBl II 1968, 348). Die Vertragsparteien haben weder vereinbart, daß der Eintritt oder der Wegfall bestimmter Wirkungen der geschlossenen Verträge von einem künftigen ungewissen Ereignis abhängig sein sollte, noch haben sie eine Bestimmung eingefügt, die eine Rechtswirkung an ein zukünftiges gewisses Ereignis knüpfen würde. Da bei der langen Laufzeit der Strombezugsverträge notwendigerweise während der Vertragszeit ein Erneuerungsaufwand entstehen muß, konnten die Parteien auch rechtswirksam überhaupt keine aufschiebende Bedingung vereinbaren. Ereignisse, die notwendigerweise eintreten müssen, schließen jede Unsicherheit aus. Eine solche gehört aber zum Wesen der aufschiebenden Bedingung, weil ungewiß sein muß, ob das Ereignis, von dem die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts abhängen, überhaupt eintritt.

4. Das FG hat den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Befristung (§ 163 BGB) nicht richtig beurteilt. Gerade bei Forderungen ist von der Befristung die bloße Betagung zu unterscheiden, bei der von dem Eintritt des Termins, der zeitpunktmäßig nicht genau feststehen muß, lediglich das Fälligwerden der bereits bei Begründung des Schuldverhältnisses entstandenen Forderung abhängt. Im Bereich des Schuldrechts ist es nicht die Regel, daß Gläubiger und Schuldner einen Schwebezustand in Form eines Anfangstermins vereinbaren, um das Wirksamwerden des Schuldverhältnisses bis zum Erreichen des in der Zukunft liegenden Termins aufzuschieben. Die zwischen der X-AG und der Klägerin bestehenden gegenseitigen Verträge geben keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien in bezug auf einen Teil der Leistung der Klägerin die Existenz der entsprechenden Schuldverpflichtung in die Zukunft verlagert haben. Die Art und Dauer der gegenseitigen Verträge, die sich nicht in Abwicklung einmaliger Leistungen und Gegenleistungen erschöpfen, sondern langjährige gegenseitige Pflichten und Rechte begründet haben, sprechen dagegen, daß die Vertragspartner das Wirksamwerden einzelner Teilleistungen aufspalten wollten. Die Erneuerungslast stellt deshalb keine künftig entstehende Schuld der Klägerin bzw. keine künftig zu erwerbende Forderung der X-AG dar. Aus der Gleichstellung der Zeitbestimmung mit der Bedingung ergibt sich, daß für die Anwendung des § 163 BGB kein Raum bleibt, wenn die Wirkungen des Rechtsgeschäfts sofort eintreten und nicht hinausgeschoben werden. Damit steht aber gleichzeitig fest, daß im Streitfall die Voraussetzungen nicht vorliegen, um die Erstattungspflicht der Klägerin bewertungsrechtlich nach den Grundsätzen zu behandeln, die für aufschiebend bedingte Lasten gelten (§ 8 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BewG).

5. Dem vom FG genannten Urteil vom 17. Februar 1971 I R 121/69 (BFHE 101, 513, BStBl II 1971, 391) liegt ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Dieses Urteil hat bei einem Vermieter die Möglichkeit einer Rückstellungsbildung für zukünftige Instandhaltungsarbeiten verneint, weil nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen kein Grund für die Annahme bestanden hat, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus den Mietverhältnissen nicht ausgeglichen gewesen sind. Im Streitfall hingegen fehlt es an dem Merkmal der Ausgeglichenheit im Sinne der Rechtsprechung zu schwebenden Verträgen, da die Erstattungspflicht der Klägerin für Erneuerungsaufwendungen während der langen Laufzeit der Verträge nicht im vorhinein mit der in einem Wirtschaftsjahr erbrachten Strommenge in Beziehung gesetzt werden kann.

6. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat - von seiner Auffassung zu Recht - keine Feststellungen darüber getroffen, wie hoch die bereits bei Beginn der Verträge rechtsverbindlich entstandenen Verpflichtungen zur Erstattung des Erneuerungsaufwands zu bewerten sind. Es wird bei der Höhe, die gegebenenfalls unter Einschaltung eines Sachverständigen geschätzt werden muß, die zeitliche Ungewißheit der tatsächlichen Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen zu berücksichtigen haben. Ausgangspunkt für eine Schätzung könnten die bis zum Ablauf der Verträge voraussichtlich anfallenden Erneuerungsaufwendungen sein, die entsprechend des mutmaßlichen Anfalls zum Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1968 abzuzinsen sind. Ferner ist bei der Ermittlung der Höhe des Schuldabzugs nicht von den voraussichtlichen zukünftigen Kosten auszugehen, sondern nach der Rechtsprechung des Senats von dem Betrag, der nach den Verhältnissen des Feststellungszeitpunkts für eine Erneuerung aufzuwenden wäre (BFH-Urteil vom 7. August 1970 III R 119/67, BFHE 100, 122, BStBl II 1970, 842). Da nach dem Vertrag, der das Kraftwerk A betrifft, der Erneuerungsaufwand nicht allein von der Klägerin zu tragen ist, wird das FG hierzu ergänzende Feststellungen vorzunehmen haben. Das FG wird außerdem unter Beachtung des Verböserungsverbots die von der Klägerin begehrte Berichtigung des Jahreswerts für den Strombezug und den "Hilfsantrag" des FA zu prüfen haben. Da das FA im finanzgerichtlichen Verfahren keine prozessualen Ansprüche im Sinne eines Rechtsschutzbegehrens geltend machen kann, bedeutet der Hilfsantrag des FA nur eine Anregung, der das FG mit Rücksicht auf den Streitgegenstandsbegriff im Steuerrecht (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 Gr. S. 1/66 BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) im Regelfall nachzugehen haben wird. Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß die formale Verbindung zwischen dem Einheitswertbescheid für das Betriebsvermögen und dem Vermögensteuerbescheid die rechtliche Selbständigkeit beider Bescheide nicht berührt hat. Eine selbständige Anfechtung des Vermögensteuerbescheids unterliegt jedoch der Bindungswirkung des § 42 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70355

BStBl II 1973, 354

BFHE 1973, 377

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