Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die von einem Bauunternehmer an die Lohnausgleichskasse zum Ausgleich für witterungsbedingte Arbeitsausfälle gezahlten Beträge gehören nicht zur Lohnsumme im Sinne des § 24 Abs. 1 GewStG.

 

Normenkette

GewStG § 24 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob zur Lohnsumme der Bfin. im Sinne des § 24 GewStG Beiträge gehören, die die Bfin. für ihre Arbeitnehmer auf Grund des Tarifvertrages vom 26. Mai 1955 über den Lohnausgleich für Arbeitsausfälle in der Winterperiode (Bundesanzeiger vom 28. Juni / 30. Juni 1955) an die Lohnausgleichskasse des Baugewerbes leistete. Nach diesem Tarifvertrag muß von dem Tariflohn jedes Arbeitnehmers ein Betrag von 4 Pfennig für jede Stunde, für die ein Lohnanspruch des Arbeitnehmers besteht, zum Ausgleich für witterungsbedingte Arbeitsausfälle in der Winterperiode an die bezeichnete Lohnausgleichskasse abgeführt werden. Aus dieser Kasse erhält der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Unterstützungen, insbesondere wenn er in der Winterperiode arbeitslos ist und für ihn in dem Kalenderjahr, in das der Beginn der Winterperiode fällt, für mindestens zwanzig Wochen Beiträge in Höhe von mindestens 36 DM an die Kasse zu leisten waren. Es besteht auch je nach der Höhe der von der Kasse angesammelten Beiträge die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, Rückvergütungen unabhängig von einer Arbeitslosigkeit während der Winterperiode zu erhalten.

Die Bfin. ist der Auffassung, daß es sich bei den Abführungen an die Lohnausgleichskasse nicht um Arbeitslöhne im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 EStG handle, da die Arbeitnehmer über diese Beträge nicht verfügen könnten. Die Abführungen könnten deshalb auf Grund des § 24 Abs. 2 Satz 1 GewStG nicht zur Lohnsumme gerechnet werden.

Finanzamt und Finanzgericht waren demgegenüber der Auffassung, daß es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn handle, der den Arbeitnehmern auch zugeflossen sei. Das Finanzgericht begründete seine Auffassung wie folgt. Die Vergütungen, aus denen sich die Lohnsumme zusammensetze, stimmten grundsätzlich mit den lohnsteuerpflichtigen Arbeitslöhnen im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 EStG überein. Voraussetzung für die Lohnsteuerpflicht der Arbeitslöhne sei der Zufluß (ß 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ein solcher Zufluß liege vor. Die Lohnausgleichsregelung im Baugewerbe solle aus sozialen Gründen dazu beitragen, den Bauarbeiter in der Winterperiode sicherzustellen. Der Beitragseinbehalt stelle sich wirtschaftlich betrachtet so dar, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Augenblick der Beitragseinbehaltung die Beiträge zur Verfügung stelle und der Arbeitnehmer sie zum Erwerb eines Anspruchs verwende, der der Sicherung seines Lebensunterhaltes für den Fall der Arbeitslosigkeit in der Winterperiode diene. Die Annahme von Einkommensverwendung werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Beitrag zunächst nur eine Anwartschaft auf Unterstützung oder Rückvergütung begründe. Denn obwohl der Eintritt der Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs im Einzelfall fraglich sei, so lägen doch die Beitragseinbehaltung und die Abführung im ausschließlichen Interesse des Arbeitnehmers. Bedenklich könne die Annahme von Einkommensverwendung höchstens in solchen Fällen sein, in denen Beiträge auch dann einbehalten werden müßten, wenn von vornherein feststehe, daß ein Anspruch auf Unterstützung oder Rückvergütung nicht erwachsen werde, zum Beispiel bei Gelegenheitsarbeitern. Solche Fälle stellten indessen eine Ausnahme dar. Allerdings hätten sich die obersten Finanzbehörden der Länder unter Zurückstellung erheblicher Bedenken damit einverstanden erklärt, daß die Abführungen an die Lohnausgleichskasse erst bei der Auszahlung der Unterstützung oder der Rückvergütung als Arbeitslohn behandelt würden. Diese Regelung beruhe aber offenbar auf Billigkeitserwägungen und könne deshalb für die Lohnsummensteuer nicht angewendet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Die Lohnsumme ist die Summe der Vergütungen, die an Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebsstätte gezahlt worden sind. Vergütungen sind grundsätzlich die steuerbaren Bruttoarbeitslöhne (ß 24 Abs. 1 und 2 GewStG). Die Frage, ob es sich deshalb um nicht zur Lohnsumme gehörende Arbeitslöhne handelt, weil sie durch Rechtsvorschriften von der Lohnsteuer befreit sind, kann erst gestellt werden, wenn die Eigenschaft der Vergütung als steuerbarer Arbeitslohn feststeht (Urteil des Bundesfinanzhofs I 262/54 U vom 28. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 130, Slg. Bd. 62 S. 350). Nicht gezahlter, das heißt dem Arbeitnehmer nicht im Sinne des § 11 EStG zugeflossener Arbeitslohn kann bei der Berechnung der Lohnsumme nicht berücksichtigt werden, wie sich aus der Wortfassung des § 24 Abs. 1 GewStG klar ergibt.

Mit dem Begriff Zufluß hat sich der Bundesfinanzhof mehrfach, zuletzt in dem Urteil VI 130/55 U vom 6. März 1959 (BStBl 1959 III S. 231, Slg. Bd. 68 S. 604), befaßt. Grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer die Vergütung für seine Arbeitsleistung erst zugeflossen, wenn er tatsächlich über die Vergütung verfügen kann. Nun gibt es allerdings Fälle, in denen der Arbeitgeber im Interesse des Arbeitnehmers an einen Dritten einen Teil der Arbeitsvergütung abführen muß, bei denen es steuerlich so anzusehen ist, als sei die Vergütung zunächst dem Arbeitnehmer ausgezahlt und dann von ihm selbst an den Dritten entrichtet worden (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 1/54 U vom 31. Oktober 1957 und VI 104/56 U vom 28. März 1958, BStBl 1958 III S. 4 und 267, Slg. Bd. 66 S. 8 und 696). Eine solche Konstruktion muß aber in der Regel auf Fälle beschränkt bleiben, in denen der Arbeitnehmer auf Grund der Zahlung des Arbeitgebers an einen Dritten einen Rechtsanspruch auf die Leistung des Empfängers erwirbt, der ihm auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entzogen werden kann. Deshalb hat der Bundesfinanzhof bei Zahlungen des Arbeitgebers an Versorgungseinrichtungen, Ausgleichskassen und Unterstützungskassen einen Zufluß an den Arbeitnehmer nur angenommen, wenn der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch und nicht nur eine von weiteren Voraussetzungen abhängige Anwartschaft erwirbt; diese kann nicht als eine vollwertige Gegenleistung für die entrichteten Beiträge angesehen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 1/54 U a. a. O. und VI 223/56 S vom 28. März 1958, BStBl 1958 III S. 268, Slg Bd. 66 S. 701).

Nach diesen Grundsätzen erwirbt eine nicht unerhebliche Zahl der Arbeitnehmer der Bauwirtschaft durch die Abführung des einbehaltenen Lohnteils keinen Rechtsanspruch auf eine gleichwertige Gegenleistung. Die Lohnausgleichskasse hat also mehr den Charakter eines sozialen Fonds als einer Versicherungseinrichtung. Dieser Auffassung waren offenbar auch der Bundesminister der Finanzen und die Finanzminister der Länder (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Baugewerbe"). Danach ist für die Lohnsteuer davon auszugehen, daß die einbehaltenen Beträge den Arbeitnehmern erst bei der tatsächlichen Auszahlung durch die Lohnausgleichskasse zufließen.

Wenn nach dieser Auffassung trotzdem die einbehaltenen Beträge zur Lohnsumme rechnen, so werden damit die Begriffe Zahlung im Sinne des § 24 Abs. 1 GewStG und Vergütung im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 GewStG verkannt und sind mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, das die parallele Gestaltung der Lohnsteuer und der Lohnsummensteuer vorsieht. über die Frage, ob bei Zahlungen aus der Lohnausgleichskasse Arbeitslohn zufließt und welchem Betrieb dann der ausgezahlte Arbeitslohn im Sinne des § 24 Abs. 1 GewStG zuzurechnen ist, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409558

BStBl III 1960, 73

BFHE 1960, 200

BFHE 70, 200

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