Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur ,,Liebhaberei" bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

 

Leitsatz (NV)

Auch bei der Vermietung einer Zweitwohnung ist für die Prüfung der Überschußerzielungsabsicht auf das Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung und nicht nur auf das Ergebnis weniger Jahre (Anlaufjahre) abzustellen.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der Kläger erwarb im Jahre 1971 in Y ein Einfamilienhausgrundstück mit einem ungefähr zweihundert Jahre alten Haus für einen Kaufpreis von fast 64 000 DM. Bis 1976 vermietete der Kläger das Einfamilienhaus für eine Jahresmiete von 3 000 DM. Anschließend nutzte der Kläger bis zum Verkauf im Jahre 1979 das Grundstück selbst.

Während der sechsjährigen Vermietungszeit erklärte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für dieses Grundstück in jedem Veranlagungszeitraum Werbungskostenüberschüsse von insgesamt rd. 65 300 DM, die er mit anderen Einkünften ausglich.

Das Finanzamt versagte für die Streitjahre (1971-1975) die steuerliche Anerkennung dieser Werbungskostenüberschüsse. Die hiergegen erhobenen Einsprüche führten nur insoweit zu Steuerherabsetzungen, als das FA für 1971 bis 1973 die als Werbungskosten geltend gemachten Schuldzinsen und Geldbeschaffungskosten nunmehr als Sonderausgaben anerkannte.

Auf die Klage, mit welcher der Kläger erklärungsgemäße Einkommensteuerfestsetzungen begehrte, hob das FG die angefochtenen Bescheide für 1971 bis 1975 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen auf. Das FG begründete sein Urteil damit, daß der abgelaufene sechsjährige Zeitraum nicht ausreiche, um die Vorhersage treffen zu können, daß es für den Kläger ausgeschlossen gewesen sei, aus dem vermieteten Grundstück auf Dauer eine Rendite zu erzielen. Das FG sehe sich nicht in der Lage, für die abgelaufene Zeit Liebhaberei anzunehmen. Es folge der Darstellung des Klägers, daß er die Absicht gehabt habe, das Haus bis zu seiner Pensionierung zu vermieten und es dann selbst zu nutzen. Sicherlich beruhe der Umstand, daß dem Kläger zunächst nur die Vermietung zu einem niedrigen Mietpreis gelungen gewesen wäre, ebenso auf einer Fehlspekulation wie die weitere Tatsache, daß er nach dem vorzeitigen Ablauf der Mietzeit keinen neuen Mieter habe finden können. Daraus habe der Kläger aber Folgerungen gezogen und das Grundstück nach kurzer Eigennutzung wieder verkauft. Dies zeige, daß er nicht gewillt gewesen sei, weitere Verluste hinzunehmen. Für die abgelaufene Zeit gebe es keinen Anlaß, den Werbungskostenüberschüssen wegen Liebhaberei die Anerkennung zu versagen. Das FA habe wegen anderer Rechtsauffassung seinerseits die erklärten Werbungskostenüberschüsse nicht geprüft. Daher habe das FG lediglich die angefochtenen Bescheide aufgehoben, um dem FA Gelegenheit zu dieser Prüfung zu geben und um dem Kläger gleichzeitig die außergerichtliche Tatsacheninstanz zu erhalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um entscheiden zu können, ob der Kläger die Absicht hatte, aus seinem Einfamilienhaus Einnahmeüberschüsse zu erzielen.

Nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter Abschn. C IV 3. c) aa) (2)) setzt die Anerkennung von Werbungskostenüberschüssen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung voraus, daß die Nutzungsüberlassung des Einfamilienhauses auf Dauer gesehen nachhaltig der Erzielung von Einnahmeüberschüssen dienen sollte. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so sind die negativen Ergebnisse einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen, die dem Kläger durch ein solches - als ,,Liebhaberei" bezeichnetes - Verhalten entstanden sind. Der Große Senat ist dabei den Rechtsgrundsätzen gefolgt, die der BFH in den Urteilen vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76 (BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37), vom 23. März 1982 VIII R 132/80 (BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463) und vom 21. Oktober 1980 VIII R 81/79 (BFHE 132, 518, BStBl II 1981, 452) aufgestellt hat. Bei der Prüfung der Überschußerzielungsabsicht ist auf das Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung und nicht nur auf das Ergebnis der Nutzung weniger Jahre oder gar eines Jahres abzustellen, wobei steuerfreie Veräußerungsgewinne in dieser Betrachtung nicht einzubeziehen sind. Nach der Rechtsprechung des BFH kann zudem die Überschußerzielungsabsicht erst später einsetzen oder wegfallen mit der Folge, daß eine einkommensteuerrechtlich erhebliche Tätigkeit entsprechend später beginnt oder wegfällt (Hinweis in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C IV. 3. c) bb) (1) auf Urteile vom 29. Oktober 1981 IV R 138/78, BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381, und in BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463).

Auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG muß daher der Steuerpflichtige die Absicht haben, ein positives steuerliches Gesamtergebnis (Totalüberschuß) innerhalb der voraussichtlichen Dauer der Vermögensnutzung zu erreichen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Fremdvermietung von Gebäuden in der Absicht ausgeübt wird, ein positives Gesamtergebnis zu erzielen. Denn es ist nur schwer vorstellbar, daß jemand Gebäude oder Räume in Gebäuden ohne diese Absicht an Fremde vermietet (BFHE 132, 518, BStBl II 1981, 452).

Eine Vermietungstätigkeit, die in den Anlaufjahren zu Werbungskostenüberschüssen führt, ist nicht schon dann ohne Überschußerzielungsabsicht ausgeübt worden, wenn eine objektive betriebswirtschaftliche Beurteilung ergibt, daß die Vermietung auf absehbare Zeit nicht zur Einkunftserzielung geeignet ist (vgl. BFHE 132, 518, BStBl II 1981, 452; BFHE 141, 405, 436, BStBl II 1984, 751, 767; BFH-Urteil vom 13. Dezember 1984 VIII R 59/82, BFHE 143, 58, BStBl II 1985, 455). Es muß vielmehr geprüft werden, ob diese objektive Feststellung den Rückschluß auf ein Handeln des Steuerpflichtigen aus persönlichen Motiven zuläßt.

Zu einer solchen Entscheidung reichen jedoch die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht aus.

Das FG hat lediglich festgestellt, der Zeitraum von 1971 bis 1976 lasse noch keine Vorhersage zu, daß es für den Käufer ausgeschlossen gewesen sein soll, aus der Vermietung seines Einfamilienhauses auf Dauer eine Rendite zu erzielen. Das FG hat sich hierbei auf die frühere Rechtsprechung des BFH gestützt, die es für das Vorliegen von Liebhaberei als ausreichend erachtete, wenn während eines Zeitraums von acht Jahren dauernd Verluste entstanden waren. Diese Rechtsauffassung ist jedoch inzwischen - wie oben ausgeführt - durch den Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 überholt. Bereits vor dieser Entscheidung hatte der VIII. Senat des BFH seine ursprüngliche Ansicht zur Liebhaberei bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dahin eingeschränkt, daß bei dieser Einkunftsart Liebhaberei nur in Ausnahmefällen angenommen werden könne, dies allerdings besonders in Fällen einer Zweitwohnung - wie es hier zutrifft - für möglich gehalten.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG - ausgehend von den zuvor dargelegten Rechtsgrundsätzen - zu prüfen haben, ob aus objektiven Fallumständen auf das Vorliegen der Überschußerzielungsabsicht geschlossen werden kann, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können, der wiederum entkräftet werden könnte (vgl. Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C. IV. 3. c) (2) bb)). Bei dieser Prüfung könnte von Bedeutung sein, daß der Kläger eine Eigennutzung erst für den Zeitpunkt seiner Pensionierung in Aussicht genommen hatte, dies u. U. der Hauptgrund des Erwerbs war und die Vermietung wegen der geringen Erträge nicht mit einer Überschußerzielungsabsicht betrieben worden ist.

Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, daß aufgrund der objektiven Gegebenheiten der Beweis des ersten Anscheins gegen eine Überschußerzielungsabsicht spricht, so kann der Kläger Tatsachen dazu vortragen, daß er die Ertragsaussichten und die betrieblichen Erfordernisse verkannt oder Fehlmaßnahmen getroffen habe und daß die festgestellte Ertragslosigkeit ihre Ursache nicht in persönlichen Gründen und Neigungen hatte.

Für die getroffene Revisionsentscheidung kann dahingestellt bleiben, ob die bloße Aufhebung der Verfügungen des FA ohne abschließende Sachentscheidung einen Mangel des finanzgerichtlichen Verfahrens darstellt. Die hierzu in der Vorentscheidung angeführte Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1977 VII R 73/74, BFHE 124, 1, BStBl II 1978, 154, und die dort zitierten weiteren Nachweise) behandelt den Fall der isolierten Anfechtung einer Einspruchsentscheidung. Sie trifft hier nicht zu. Das FG hat auch offengelassen, auf welche Verfahrensvorschriften es sich stützen wollte, um tatsächliche Feststellungen zur abschließenden Streitentscheidung dem FA zu überlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60774

BFH/NV 1986, 449

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