Leitsatz (amtlich)

1. Werden Vorzugsaktien (Mehrstimmrechtsaktien) in Stammaktien umgewandelt, so ist darin nur ein abgekürztes Verfahren an Stelle einer Kapitalherabsetzung durch Einziehung der Vorzugsaktien einerseits und einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage andererseits zu sehen.

2. Eine Umwandlung im Verhältnis 1 : 1 führt dann nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn der Gesellschaft mindestens der Nennwert der Stammaktien durch Verrechnung mit dem Gegenwert der Vorzugsaktien zugeflossen ist.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und inwieweit Vorteile, die dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft bei der Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien zugellossen sind, zur Einkommensteuer herangezogen werden können.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 14 400 000 DM, hatte in den Jahren 1951, 1952 und 1954 aus einem Bestand von insgesamt 400 auf den Namen lautenden Vorzugsaktien zum Nennwert von 1 000 DM 38 Aktien zum Nennwert erworben. Die Aktien, die entsprechend einem Konsortialvertrag vom Mai 1920 nur von den jeweiligen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gehalten und übernommen werden durften, gewährten ein 35faches Stimmrecht, eine Vorzugsdividende von 6 v. H., ein Liquidationsvorrecht in Höhe des Nennwerts und eine Beteiligung am Vermögen des Konsortiums, in das die Vorzugsaktien aber entgegen der vertraglichen Regelung niemals eingebracht wurden. An den - offenen und stillen - Reserven der Gesellschaft waren die Vorzugsaktionäre nicht beteiligt.

Nach dem Konsortialvertrag waren die Vorzugsaktionäre verpflichtet, ihr Stimmrecht einheitlich auszuüben, und die Aktien nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorstand oder Aufsichtsrat den verbleibenden Konsortialmitgliedern zum Kauf anzubieten. Hinsichtlich des zu zahlenden Kaufpreises sah der Konsortialvertrag vor, daß das ausscheidende Mitglied für den Verkauf seiner Vorzugsaktien einen Anteil am Konsortiumsvermögen auf Grund einer auf den Tag des Ausscheidens durchzuführenden Vermögensbestandsaufnahme ausbezahlt erhalten sollte. Die derzeitigen Mitglieder des Konsortiums erwarben - wie der Kläger - die ihnen angebotenen Vorzugsaktien zum Nennwert.

Die Vorzugsaktien konnten nach der Satzung der Aktiengesellschaft durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluß der Hauptversammlung in Stammaktien umgewandelt werden. Die Bestimmung der ursprünglichen Satzung, wonach in diesem Fall die Vorzugsaktien den Stammaktionären zum Nennwert anzubieten waren, wurde bereits im Jahre 1938 - und nachdem die Gesellschaft insbesondere wegen dieser Verpflichtung ein Urteil des RFH (vom 9. April 1937 III A 47/37 U, RStBl 1937, 604) erstritten hatte, das ihr die Bewertung der Vorzugsaktien nach dem Reichsbewertungsgesetz mit dem Nennwert bestätigte -, gestrichen. Eine Bestimmung über die Höhe des Entgelts für die Vorzugsaktien bei beschlossener Umwandlung enthält die Satzung seitdem nicht mehr.

Am 25. Mai 1959 beschloß die Hauptversammlung, die Vorzugsaktien im Verhältnis 1 : 1 in Stammaktien umzuwandeln. Gründe für die Umwandlung waren, daß die Gefahr der Überfremdung der Gesellschaft, die zu der Ausgabe der Vorzugsaktien geführt hatte, nicht mehr zu bestehen schien, und die Tatsache, daß der Entwurf des neuen Aktiengesetzes (AktG) Mehrstimmrechtsaktien nicht mehr vorsah. Das Konsortium wurde nach der Umwandlung von seinen Mitgliedern als aufgelöst angesehen Die neu ausgegebenen Stammaktien sollten vorerst an der Börse nicht gehandelt werden.

Der Börsenkurswert der alten Stammaktien betrug am Tag der Umwandlung 213 %. Er stieg nach der Umwandlung an und erreichte am 31. Dezember 1959 318 %. Im folgenden Jahr verteilte die Aktiengesellschaft im Verhältnis 5 : 1 Gratisaktien und erhöhte weiterhin durch Ausgabe neuer Aktien zum Kurs von 100 % im Verhältnis von 6 : 1 das Grundkapital.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erhielt von diesem Sachverhalt durch eine am 16. November 1964 begonnene Betriebsprüfung bei der Aktiengesellschaft Kenntnis. Es behandelte den Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennwert der Vorzugsaktien und dem Kurswert der Stammaktien in Höhe von 42 940 DM als geldwerten Zufluß im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit und berichtigte dementsprechend den Einkommensteuerbescheid für 1959.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Differenz zwischen Nennwert der Vorzugsaktien und Kurswert der Stammaktien sei steuerlich zwar nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen; sie unterliege aber als verdeckte Gewinnausschüttung der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Es sei in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß ein überhöhter Kaufpreis bei Erwerb eigener Anteile der Gesellschaft durch Gesellschafter oder ein Vorzugspreis bei Veräußerung solcher Anteile an Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt werden könnten. Diese Grundsätze seien im Streitfall auf den Umtausch der Vorzugsaktien in Stammaktien anzuwenden.

Die Vorzugsaktien seien mit dem Nennwert zu bewerten. Das folge einmal daraus, daß die Vorzugsaktien von den Konsortialmitgliedern stets zum Nennwert veräußert oder erworben worden seien, zum anderen daraus, daß die Gesellschaft selbst im Rechtsweg eine Bewertung zum Nennwert erstritten habe. Dem Stimmrechtsvorzug käme keine Bedeutung zu, weil eine Zwangseinziehung von Mehrstimmrechtsaktien jederzeit möglich sei. Demgegenüber betrage der Kurs der neuen Stammaktien wie derjenige der alten 213 %. Das ergebe sich vor allem daraus, daß sich der Börsenkurs der alten Aktien nicht vermindert habe, sondern angestiegen sei.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger, das Urteil aufzuheben und seiner Klage stattzugeben. Er rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 1 und 2 EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des Berichtigungsbescheides vom 30. September 1966.

1. Zutreffend ging das FG davon aus, daß die von ihm angenommene Vorteilszuwendung der Gesellschaft an den Kläger ihre Grundlage nicht in dem zwischen diesen bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die vereinbarten Gehälter der Höhe nach als angemessen angesehen werden können (BFH-Urteile vom 24. Juni 1958 I 190/57 U, BFHE 67, 281, BStBl III 1958, 381; vom 21. Januar 1970 I R 125/67, BFHE 98, 470, BStBl II 1970, 466; vom 12. Dezember 1973 I R 183/71, BFHE 111, 150, BStBl II 1974, 179). Davon ist nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt auszugehen.

2. Dem FG kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es in einem solchen Vermögensvorteil eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen hat. Insbesondere kann die - erzwungene - Umwandlung nicht als Umsatzgeschäft und damit wie ein - freiwilliger - Erwerb und eine - freiwillige - Veräußerung von eigenen Anteilen behandelt werden. Solche Vorgänge sind vielmehr der gesellschaftsrechtlichen Sphäre der Beziehungen zwischen Aktionär und Gesellschaft zuzuordnen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 4. Oktober 1966 I 1/64, BFHE 87, 31, BStBl III 1966, 690; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl. 1972, Tz. 523a zu § 6) und hinsichtlich ihrer steuerrechtlichen Auswirkung allein danach zu beurteilen, ob sie - unter Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Gehalts - nach dem Sinn und Zweck der Mehrfachbesteuerung von Kapitalerträgen der Einkommensoder der Vermögenssphäre der Gesellschafter zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 17. September 1957 I 165/54 S, BFHE 65, 437, BStBl III 1957, 401).

Mit der Umwandlung sollten die Einziehung der Vorzugsaktien mit allen ihren Vorzügen und Nachteilen erreicht und an ihrer Stelle und in Höhe ihres bisherigen Anteils am Grundkapital der Gesellschaft Stammaktien ausgegeben werden. Eine solche Umwandlung ist nur ein abgekürztes Verfahren an Stelle einer - nach Art. II der Dritten Durchführungsverordnung zum Aktiengesetz vom 21. Dezember 1938 (RGBl I 1938, 1839) für Mehrstimmrechtsaktien besonders erleichterten - Kapitalherabsetzung durch Einziehung dieser Vorzugsaktien einerseits und einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage andererseits (ähnlich BFH-Urteil vom 4. Dezember 1959 VI 89/59 U, BFHE 70, 243, BStBl III 1960, 90, betr. die Einziehung von Geschäftsanteilen durch eine GmbH ohne Veränderung des Stammkapitals; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Mai 1969 VI R 174/68, BFHE 95, 537, BStBl II 1969, 501; ähnlich auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., Anm. 21d zu § 43 EStG und Anm. 54b "Anleihen" zu § 20 EStG mit weiteren Nachweisen für den Umtausch von Anleihen, der einkommensteuerrechtlich als neue Emission angesehen wird). Durch eine solche Umwandlung wird das Grundkapital der Aktiengesellschaft nicht verändert. Ihr liegt nur eine Verrechnung zweier Ansprüche zugrunde, die je nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles auf einer ganz unterschiedlichen Bewertung der hingegebenen und empfangenen Rechte beruhen kann.

Einer Feststellung der - als verdeckte Gewinnausschüttung allein in Betracht kommenden - Differenz zwischen einem angemessenen Einziehungsentgelt (vgl. dazu im einzelnen Schilling in Großkommentar zum Aktiengesetz 1965 Anm. 15 zu § 237; Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Juni 1973 - 19 W 21/72, DB 1973, 1391, und für Mehrstimmrechtsaktien der vorliegenden Art Schlegelberger-Quassowski-Herbig-Geßler-Hefermehl, Aktiengesetz, Kommentar, 1937, 3. Aufl. 1939, Anm. 8 zu § 8 der Dritten Durchführungsverordnung zum Aktiengesetz mit weiteren Nachweisen) und dem Ausgabekurs der jungen Stammaktien bedarf es jedoch nicht. Denn eine verdeckte Gewinnausschüttung setzt u. a. voraus, daß Vermögensvorteile - unmittelbar oder mittelbar - von der Gesellschaft zu den begünstigten Gesellschaftern fließen (BFH-Urteile I 165/54 S; vom 25. Oktober 1960 I 62/59 S, BFHE 72, 185, BStBl III 1961, 69; vom 2. November 1965 I 221/62 S, BFHE 85, 121, BStBl III 1966, 255). Daran fehlt es im Streitfall. Werden von einer Aktiengesellschaft Aktien anläßlich einer Kapitalerhöhung gegen Einlage - hier des Verzichts der Vorzugsaktionäre auf das angemessene Einziehungsentgelt - zu einem zwar über pari liegenden (§ 9 Abs. 1 AktG 1937), aber besonders günstigen Bezugskurs ausgegeben, so liegt darin keine verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten der das Bezugsrecht ausübenden Aktionäre (grundlegend RFH-Gutachten vom 14. Dezember 1920 I D 4/20, RFHE 4, 222; Schilling in Großkommentar zum Aktiengesetz 1965, Anm. 21b zu § 243; Wiedemann in Großkommentar zum Aktiengesetz 1965 Anm. 5b zu § 186; Westerfelhaus-Glade, Verdeckte Gewinnausschüttung als steuerliches und betriebswirtschaftliches Problem, 2. Aufl., 1961 S. 275/276 ff., mit weiteren Nachweisen; Döllerer, BB 1967, 1437 [1440]; Hagenmüller-Kolbeck in Handbuch der Aktiengesellschaft Bd. 2 1967, V. Teil, Tz. 100 ff., 117 ff.). Eine solche Ausgabe schädigt nicht die Gesellschaft, sondern die das Bezugsrecht nicht ausübenden Gesellschafter. Denn es verschieben sich bei unverändertem Gesellschaftsvermögen nur die Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter am Gesamtvermögen. Diese Vermögensverschiebung wird vom Einkommensteuerrecht nicht erfaßt.

Nicht anders ist der Fall zu beurteilen, wenn das Bezugsrecht der bisherigen Stammaktionäre durch Zuweisung der Aktien an bestimmte Personen ausgeschlossen wird (§ 153 Abs. 3 AktG 1937 und dazu Wiedemann, a. a. O., § 186 Anm. 11) und das Ausgabeaufgeld unangemessen niedrig ist. Darin liegt zwar ein - zur Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses berechtigender (§§ 255 Abs. 2 AktG 1965, 197 Abs. 2 AktG 1937) - Sondervorteil der mit einem Bezugsrecht begünstigten Aktionäre (ebenso BFH-Urteil vom 2. März 1962 VI 255/60 U, BFHE 74, 577, BStBl III 1962, 214, betr. Belegschaftsaktien), weil sie den Rechtszuwachs nicht durch entsprechende Einlagen in die Gesellschaft ausgleichen müssen und ihnen ein Sonderbezugsrecht vor der Hauptversammlung auch nicht wirksam eingeräumt werden konnte (§ 154 AktG 1937). Aber auch hier schädigt die ungleiche Zuteilung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung nur die übergangenen Aktionäre (Schilling in Großkommentar zum Aktiengesetz 1965, § 243 Anm. 21d). Aus denselben Gründen kommt es auch bei der Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien auf die Höhe eines evtl. Ausgabeaufgeldes nicht an. Das wird durch die Rechtsprechung zur steuerlichen Beurteilung sog. Freianteile (BFH-Urteile I 165/54 S; vom 1. August 1958 VI 13/57 U, BFHE 67, 300, BStBl III 1958, 390; dazu Vangerow, Steuer und Wirtschaft 1958 Sp. 109/110; Littmann, a. a. O., 10. Aufl. 1972, Tz. 23 zu § 20, mit weiteren Nachweisen; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl. 1972, § 20 Anm. 4a) bestätigt. Da der Aktionär verpflichtet ist, mindestens Werte in Höhe des Nennbetrags der jungen Aktien einzulegen, ist zwar dann eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben, wenn die Gesellschaft diese Einlage aus ihrem Jahresgewinn oder ihrer Rücklage ganz oder teilweise zugunsten der Aktionäre übernimmt. Die Höhe des steuerpflichtigen Ertrages beschränkt sich aber auf die jeweilige Differenz zwischen der von den Gesellschaftern tatsächlich geleisteten Einlage und dem Nennwert der jungen Aktien; auf den Ausgabekurs der jungen Aktien kommt es dagegen nicht an (BFH-Urteil I 165/54 S). Mindestens der Nennwert der jungen Stammaktien ist der Gesellschaft aber über die Verrechnung mit dem Gegenwert der Vorzugsaktien zugeflossen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71240

BStBl II 1975, 230

BFHE 1975, 185

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