Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer aus Zwangsversteigerung eines Grundstücks als Massekosten

 

Leitsatz (NV)

Die Umsatzsteuer, die dadurch entsteht, daß ein absonderungsberechtigter Grundschuldgläubiger ein zur Konkursmasse gehörendes Grundstück zwangsversteigern läßt, gehört zu den Massekosten.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 9; KO § 58 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der X-GmbH & Co. KG in Y (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Nach Konkurseröffnung wurden die Betriebsgrundstücke der Gemeinschuldnerin mit den vorhandenen Einrichtungen einschließlich Zubehör zwangsversteigert. Ersteherin des Grundbesitzes samt Anlagen, Maschinen und Zubehör war die Z (Bank), zu deren Gunsten eine Grundschuld von . . . DM bestand. Der Versteigerungserlös betrug . . . DM, wovon . . . DM auf die Einrichtungen einschließlich Zubehör entfielen.

Aufgrund einer Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zur Überzeugung, daß hinsichtlich der zuletzt genannten Gegenstände ein steuerpflichtiger Umsatz vorliege und daß die hierfür geschuldete Umsatzsteuer (13 v.H. von . . . DM - netto - = . . . DM) gemäß § 58 Nr.2 der Konkursordnung (KO) den Massekosten zuzurechnen sei. Das FA setzte die Umsatzsteuer entsprechend fest (Umsatzsteuerbescheid für 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.Dezember 1987).

Die Klage gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Er meint, es liege bereits kein Umsatz i.S. des § 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 vor. Die Zwangsversteigerung sei nicht auf seinen (des Klägers) Antrag erfolgt, sondern auf Antrag eines dinglich gesicherten Gläubigers. Es fehle somit an einer umsatzsteuerbaren Leistung, da die freie Willensbildung ausgeschlossen gewesen sei. Dies könne auch nicht durch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr.1 Buchst. a UStG 1980 unterlaufen werden. Selbst wenn ein steuerpflichtiger Umsatz vorliege, sei die hieraus resultierende Umsatzsteuer nur insoweit Masseverbindlichkeit nach § 58 Nr.2 KO, als aus der Versteigerung ein Übererlös an die Konkursmasse abgeführt werde. Dementsprechend habe der Bundesfinanzhof (BFH) auch zur Einkommensteuer entschieden, daß die Einkommensteuer auf einen Veräußerungsgewinn nur insoweit eine Masseverpflichtung darstelle, als sie auf dem zur Konkursmasse gelangten Betrag laste. Diesen Gedanken des BFH habe der 9. Senat des Finanzgerichts (FG) Köln auf den Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1980 übertragen; das FG verweise das FA auf das konkursfreie Vermögen des Gemeinschuldners, wenn aus der Verwertung kein Übererlös an die Konkursmasse abgeführt werde. Ähnlich wie die Einkommensteuer sei auch die Umsatzsteuer eine Leistungsfähigkeitssteuer; denn es sei ihr Ziel, den Verbrauch - d.h. die Verwendung von Einkommen für Verbrauchsgüter - zu belasten. Anders als bei der Verwertung von beweglichem Sicherungsgut, bei der der Konkursverwalter nach § 127 KO zu verfahren habe und bei der die Freigabe des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer als Handlung des Konkursverwalters angesehen werde, bedürfe es bei der Verwertung eines Grundstücks durch den Grundpfandgläubiger keiner Mitwirkung des Konkursverwalters in Form einer Freigabeerklärung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Mit der Zwangsversteigerung ihres Grundbesitzes hat die Gemeinschuldnerin der Ersteherin die Grundstücke und die zugehörigen Gegenstände gemäß § 1 Abs. 1 Nr.1 UStG 1980 geliefert.

Nach § 1 Abs. 1 Nr.1 UStG 1980 unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Erhebungsgebiet gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt (§ 1 Abs. 1 Nr.1 Buchst. a UStG 1980). Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (§ 3 Abs. 1 UStG 1980).

Durch die Zwangsversteigerung wird der Ersteher Eigentümer des Grundstücks und der Zubehörstücke (§ 90 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung - ZVG - i.V.m. §§ 55, 20 ZVG, § 1120 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Er wird aufgrund behördlicher Anordnung befähigt, im eigenen Namen über diese Gegenstände zu verfügen; der Grundstückseigentümer liefert diese Gegenstände an den Ersteher (BFH-Urteil vom 19. Dezember 1985 V R 139/76, BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500 unter II. 2. b).

Die Ansicht des Klägers, eine ,,unter Ausschließung der freien Willensbildung" erbrachte Leistung sei nicht umsatzsteuerbar, ist mit der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr.1 Buchst. a UStG 1980 nicht vereinbar. Danach entfällt die Steuerbarkeit nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird. Daß der Grundstückseigentümer mit der Zwangsversteigerung seines Grundstücks eine steuerbare Grundstückslieferung ausführt, ist seit jeher anerkannt (vgl. Hübschmann / Grabower / Beck / v.Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1951, § 4 Ziff.6 Anm.1 bis 3).

2. Die Lieferung der Grundstücke durch die Gemeinschuldnerin war nach § 4 Nr.9 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind die Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallen, steuerfrei. Die Steuerfreiheit erstreckt sich jedoch nicht auf Zubehörstücke und die in § 2 Abs. 1 Nr.1 GrEStG/Nordrhein-Westfalen genannten Vorrichtungen. Die Lieferung dieser Gegenstände war steuerpflichtig.

3. Die Umsatzsteuer für die Lieferung dieser Gegenstände ist den Massekosten des § 58 Nr.2 KO zuzurechnen.

Nach dieser Vorschrift sind die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse Massekosten.

Hierzu gehört auch die Umsatzsteuer, die dadurch entsteht, daß der absonderungsberechtigte Grundschuldgläubiger das zur Konkursmasse gehörende Grundstück versteigern läßt. Die Umsatzsteuer fällt an, weil der Verwaltung des Konkursverwalters unterliegende Massegegenstände verwertet werden.

a) Die versteigerten Grundstücke einschließlich der Zubehörstücke gehörten zur Konkursmasse. Nach § 1 Abs. 1 KO umfaßt das Konkursverfahren das gesamte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners, welches ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört. Das Absonderungsrecht der Grundschuldgläubiger (§§ 4, 47 KO) hindert die Zugehörigkeit der Grundstücke zur Konkursmasse nicht.

b) Massekosten i.S. des § 58 Nr.2 KO sind nicht nur solche Ausgaben, die durch die Amtstätigkeit des Konkursverwalters ausgelöst werden, sondern auch die Umsatzsteuer, die dadurch entsteht, daß ein absonderungsberechtigter Grundstücksgläubiger ein zur Konkursmasse gehörendes Grundstück zwangsversteigern läßt (so bereits für den Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1980 BFH-Urteil vom 6. Juni 1991 V R 115/87, BFHE 165, 113, BStBl II 1991, 817). Die diesbezüglichen Zweifel des FG Köln (Urteil vom 3. August 1988 9 K 4888/87, Umsatzsteuer-Rundschau 1989, 218) hielt der Senat im Ergebnis nicht für berechtigt.

c) Die vorliegende Entscheidung steht in keinem Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83 (BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602). Danach gehört die Einkommensteuer, die dadurch entsteht, daß der Konkursverwalter Vermögensgegenstände sowohl im Interesse absonderungsberechtigter Gläubiger als auch der Konkursmasse veräußert, nur insoweit zu den Massekosten, als der Veräußerungserlös zur Masse gelangt ist. Der IV.Senat des BFH hat diesen Grundsatz ausdrücklich auf die Einkommensteuer beschränkt, bei der nicht die Veräußerung als solche belastet wird, sondern der durch die Veräußerung realisierte Gewinn (Vermögenszuwachs) des Gemeinschuldners. Insofern liegen die Verhältnisse bei der Einkommensteuer anders als bei der Umsatzsteuer, die unmittelbar den mit der Veräußerung des Massegegenstandes bewirkten Umsatz belastet (im Ergebnis ebenso Weiß, Insolvenz und Steuern, Köln 1989, S. 144).

Dem vom Kläger angeführten Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer kann allenfalls eine Bedeutung für die Belastung des Endverbrauchers beigemessen werden, nicht aber für die streitentscheidende Frage, ob die Umsatzsteuerschuld des Grundstückslieferanten aus der Konkursmasse oder seinem - im Zweifel unzulänglichen - konkursfreien Vermögen zu bezahlen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418556

BFH/NV 1993, 201

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge