Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern durch den geschäftsführenden Gesellschafter an dessen GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Überläßt der Gesellschafter einer GmbH dieser Wirtschaftsgüter zur Nutzung, so kann dies zu Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder zu Betriebsausgaben führen, je nachdem, ob sich die Beteiligung an der GmbH im Privatvermögen des Gesellschafters oder im Betriebsvermögen eines Betriebs des Gesellschafters befindet.

2. Überläßt der Gesellschafter seinen (lebenden) Gewerbebetrieb seiner GmbH unentgeltlich zur Nutzung, so kann er damit selbst einen (ruhenden) Gewerbebetrieb führen, ohne daß die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen müssen, wenn er den Betrieb mit dem Willen überlassen hat, ihn später wieder selbst zu führen.

 

Normenkette

EStG §§ 4, 15 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr 1978 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind.

Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 20. Dezember 1975 erwarb der Kläger Anteile an einer KG. Mit Vertrag vom 12. Mai 1976 verkaufte die KG rückwirkend zum 1. Januar 1976 ihre Zweigniederlassung in D nebst Anlagevermögen und Warenlager an den Kläger. Nach Nr. 6 des schriftlichen Vertrages bestand Einigkeit darüber, daß der Kläger im eigenen Namen den Gewerbebetrieb seit dem 1. Januar 1976 geführt hatte.

Seit Februar 1976 war der Kläger Alleingesellschafter der von ihm gegründeten R-GmbH. Gegenstand des Unternehmens der R-GmbH war der Bau von heizungstechnischen, sanitären und elektrotechnischen Anlagen. Das Stammkapital der R-GmbH betrug 20 000 DM. Am 1. Februar 1977 veräußerte der Kläger einen Geschäftsanteil an der R-GmbH in Höhe von 19 000 DM an seinen Bruder. Der Kläger führte nach seinen Angaben den von der KG erworbenen Betrieb mittels der GmbH weiter. Das von ihm persönlich erworbene Anlagevermögen überließ er der GmbH unentgeltlich zur Nutzung. Das erworbene Vorratsvermögen veräußerte er an die R-GmbH. Am 31. Januar 1978 schuldete die R-GmbH dem Kläger - nach dessen Angaben - über 300 000 DM. Die vom Kläger Anfang 1978 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der R-GmbH wurde mangels Masse abgelehnt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1978 machten die Kläger wegen eines Verlustes aus Gewerbebetrieb ,,außergewöhnliche Belastungen" in Höhe von 250 000 DM und Zinszahlungen in Höhe von 18 000 DM geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte ohne Berücksichtigung der geltend gemachten ,,außergewöhnlichen Belastungen" die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 7 430 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Zur Begründung der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: Es liege eine Betriebsaufspaltung vor, wobei die Besitzgesellschaft - die von ihm übernommene und in ein Einzelunternehmen überführte KG - die für den Betrieb der Betriebsgesellschaft - der von ihm gegründeten R-GmbH - notwendigen Wirtschaftsgüter unentgeltlich zur Nutzung überlassen habe. Für den Tatbestand der Betriebsaufspaltung sei es grundsätzlich irrelevant, ob die Betriebsgesellschaft für die Nutzung überlassener Wirtschaftsgüter ein Entgelt zahle oder nicht. Durch die Veräußerung eines Teils der Geschäftsanteile der Betriebs-GmbH im Jahre 1977 habe sich steuerrechtlich keine relevante Änderung ergeben. Auch nach Veräußerung lägen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vor. Denn der Kläger beherrsche die Betriebs-GmbH dadurch, daß er von allen Beschränkungen befreiter Geschäftsführer sei, der GmbH alle zum Betrieb erforderlichen Wirtschaftsgüter - einschließlich aller finanziellen Betriebsmittel - überlassen und Bürgschaften gegenüber allen bedeutsamen Gläubigern übernommen habe. Zudem sei er als Diplom-Ingenieur für das Betreiben des Geschäfts der R-GmbH unverzichtbar.

Hilfsweise trägt der Kläger vor, jedenfalls lägen Verluste aus Kapitalvermögen vor; wirtschaftlich habe er auf Pachteinnahmen verzichtet und damit höhere Gewinnanteile an der Betriebs-GmbH ermöglichen wollen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG), die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid aufzuheben und die Einkommensteuer auf null DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG habe zu Recht eine Betriebsaufspaltung abgelehnt; insbesondere lägen die personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung nicht vor. Die Verluste des Klägers aus der R-GmbH seien keine aus Kapitalvermögen, sondern aus der privaten Vermögensebene.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet, das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt kann der erkennende Senat nicht überprüfen, ob und in welcher Höhe die Kläger gewerbliche Einkünfte (§§ 4, 15 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) oder Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG) hatten oder ob sich die strittigen Vorgänge in der einkommensteuerlich nicht erheblichen Vermögensebene der Kläger abspielten.

1. Das FG hat die steuerlichen Folgen einer möglicherweise vorliegenden Nutzungsüberlassung nicht gezogen, die sich in Anwendung des Beschlusses des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) ergeben. Nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 kann die Überlassung von Nutzungen durch den Gesellschafter einer GmbH an die GmbH zu Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder zu Betriebsausgaben führen. Befindet sich die Beteiligung an der GmbH im Privatvermögen, so sind Aufwendungen, die der Gesellschafter auf die Nutzungseinlage erbringt, Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Befindet sich die Beteiligung im Betriebsvermögen, so liegen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) vor.

Das FG hat nicht festgestellt, welche Wirtschaftsgüter der Kläger der R-GmbH zur Nutzung überlassen hat und welche Aufwendungen er dafür aufbrachte (z. B. Absetzung für Abnutzung, Zinsen). Ferner hat das FG nicht festgestellt, ob sich die Beteiligung des Klägers an der R-GmbH im Betriebs- oder Privatvermögen befand (vgl. auch unter 2.).

2. Das FG hat ferner nicht festgestellt, ob der Kläger den lebenden Gewerbebetrieb der R-GmbH unentgeltlich überlassen hat mit dem Willen, den Betrieb später wieder selbst zu führen oder ob er die Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen überführen wollte, um sie anschließend in die GmbH einzulegen. Dieses Wahlrecht hatte der Kläger (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 1964 IV 114/61 S, BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303; vom 23. Juni 1977 IV R 43/73, BFHE 122, 500, 504, BStBl II 1977, 719). In welcher Richtung der Kläger das Wahlrecht ausüben wollte, hat das FG nicht festgestellt. Im ersten Fall hätte der Kläger einen ruhenden Gewerbebetrieb geführt und damit trotz Unentgeltlichkeit gewerbliche Einkünfte im Streitjahr durch die Tätigkeit der übernehmenden GmbH erzielt, ohne daß die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen mußten (vgl. Schmidt, Deutsches Steuerrecht 1979, 671, 674). Diesen Fall hat das FG außer acht gelassen. Vielmehr hat das FG, ohne nähere Feststellungen zu treffen, angenommen, daß der Kläger den Gewerbebetrieb aufgegeben und die Wirtschaftsgüter nach Überführung in das Privatvermögen in die R-GmbH eingelegt habe. Aus dem Schweigen des Klägers kann nicht auf eine Aufgabe geschlossen werden.

3. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Auch der Senat hält es für angebracht, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (§§ 121, 90 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416456

BFH/NV 1989, 697

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