Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe von Zusammenveranlagungsbescheid - fortdauernde Vorläufigkeit eines Bescheids trotz dessen zwischenzeitlicher Änderung

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Bescheid zur Einkommensteuerzusammenveranlagung kann auch als Einzelbescheid gegen den Ehemann ergehen (Anschluß an BFH-Urteil v. 24. November 1988 IV R 232/85, BFH/NV 1989, 782).

2. Wird ein nach § 165 Abs. 2 AO 1977 vorläufiger Einkommensteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert, so bleibt der Vorläufigkeitsvermerk auch dann wirksam, wenn er in dem Änderungsbescheid nicht wiederholt wurde (Anschluß an BFH-Urteil vom 9. September 1988 III R 191/84, BFHE 154, 430, BStBl II 1989, 9).

 

Normenkette

AO 1977 §§ 122, 165 Abs. 2, § 175 Abs. 1 Nr. 1; RAO § 100 Abs. 1; EStG § 26b

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau erzielten im Streitjahr 1972 u. a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus Vermietung und Verpachtung. Die Einkommensteuerveranlagung wurde zunächst entsprechend der von beiden Eheleuten unterschriebenen Steuererklärung durchgeführt, wobei der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von . . . DM berücksichtigte, der im wesentlichen aus der Beteiligung der Eheleute an verschiedenen Bauherrenmodellen herrührte. Der an beide Eheleute adressierte Einkommensteuerbescheid vom 17. März 1975 (im folgenden: Erstbescheid) erging gemäß § 100 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) beschränkt vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, da insoweit noch der Werbungskostenüberschuß nachzuweisen sei. Aufgrund einer geänderten Mitteilung über Beteiligungseinkünfte des Klägers an einer gewerblichen Gesellschaft erließ das FA am 22. November 1977 einen nach § 175 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid (im folgenden: Zweitbescheid), in dem nur die Einkünfte aus Gewerbebetrieb geändert wurden. Der ebenfalls an beide Eheleute adressierte Zweitbescheid wiederholte den im Erstbescheid enthaltenen Vorläufigkeitsvermerk nicht. Er enthielt auch keinen neuen Nachprüfungs- oder Vorläufigkeitsvermerk. Aufgrund einer Überprüfug der Bauherrenmodelle gelangte das FA nunmehr zu dem Ergebnis, daß die bislang angesetzten Werbungskostenüberschüsse der Eheleute aus Vermietung und Verpachtung zu hoch seien. Mit Änderungsbescheid vom 24. Dezember 1980 (im folgenden: Drittbescheid) setzte es den Werbungskostenüberschuß aus Vermietung und Verpachtung auf den der Höhe nach unstreitigen Betrag von . . . DM herab. Diese Änderung ergab sich teilweise als Folge eines geringeren Verlusts aus der Beteiligung an der Firma A-GmbH & Co. KG, für die geänderte Feststellungsbescheide ergangen waren. Insoweit wurde der Drittbescheid auf § 175 AO 1977 gestützt. Überwiegend ergab sich die Änderung jedoch aus Werbungskostenminderungen bei den Bauherrenmodellen B, C und D; insoweit wurde der Drittbescheid auf § 173 Abs. 1 AO 1977 gestützt. Dieser Bescheid nennt als Adressaten im Anschriftenfeld nur den Kläger. Ein Hinweis auf die Ehefrau findet sich weder im Bescheid selbst noch in der beigefügten Anlage. Der Bescheid enthält jedoch die Besteuerungsgrundlagen beider Eheleute und bemißt die festgesetzte Einkommensteuer nach der Splittingtabelle.

Der Einspruch des Klägers gegen diesen Bescheid blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung stützte das FA die Änderung auf § 165 Abs. 2 AO 1977. Dagegen gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 323 veröffentlichten Urteil statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 165 AO 1977.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Senat geht zwar mit dem FG davon aus, daß der angefochtene Bescheid als Einzelbescheid gegen den Kläger ergehen konnte. Denn auch bei einer Zusammenveranlagung ist die Adressierung und Bekanntgabe getrennter Ausfertigungen zulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1988 IV R 232/85, BFH/NV 1989, 782 m. w. N.; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 155 AO 1977 Tz. 10 d Seite 18 2. Absatz). Das FG-Urteil verletzt jedoch § 165 Abs. 2 AO 1977, der auf den nach dem 31. Dezember 1976 ergangenen Änderungsbescheid anzuwenden ist (Art. 97 § 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). Gemäß § 165 Abs. 2 AO 1977 kann das FA einen Steuerbescheid ändern, soweit es die Steuer vorläufig festgesetzt hat, weil Ungewißheit über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Entstehung des Steueranspruchs bestand. Die vorläufige Steuerfestsetzung ist hiernach aber nur zu ändern, wenn die Ungewißheit beseitigt ist. Fehlt es an einer solchen Klärung der Ungewißheit, so bleibt ein in einem Steuerbescheid enthaltener Vorläufigkeitsvermerk nach dem Urteil des BFH vom 9. September 1988 III R 191/84 (BFHE 154, 430, BStBl II 1989, 9) auch wirksam, falls er in einem Änderungsbescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird (wie es zur Klarstellung an sich angebracht wäre, vgl. zum entsprechenden Problem bei § 164 AO 1977 das BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 X R 16/87, BFH/NV 1989, 663). Der erkennende Senat schließt sich dem Urteil des III. Senats sowie dessen Begründung an und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Hiernach war der strittige Änderungsbescheid gemäß § 165 Abs. 2 AO 1977 gerechtfertigt. Es ist nach ständiger Rechtsprechung nicht erheblich, daß das FA den Änderungsbescheid zunächst auf eine andere Änderungsvorschrift gestützt hat (BFH-Urteile vom 24. März 1981 VIII R 85/80, BFHE 134, 1, BStBl II 1981, 778, vorletzter Absatz der Gründe, und vom 10. Juni 1986 IX R 11/86, BFHE 147, 318, BStBl II 1986, 894, Nr. 1 der Gründe). Auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes kommen hier entgegen der Vorentscheidung nicht zugunsten des Klägers zum Tragen. Denn für den Kläger war aus dem wegen gewerblicher Einkünfte gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ergangenen Zweitbescheid erkennbar, daß diese Änderung des Erstbescheids in keinem Zusammenhang mit dem im Vorläufigkeitsvermerk bezeichneten Sachverhalt der Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stand.

Danach kann das FG-Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger hat den strittigen Drittbescheid nur in formeller Hinsicht hinsichtlich der rechtlichen Änderungsgrundlage angefochten und weder im außergerichtlichen Vorverfahren noch im Klage- oder Revisionsverfahren Einwendungen gegen die Höhe der Einkommensteuerfestsetzung erhoben, die auf den Ergebnissen einer Außenprüfung beruht. Die Klage gegen den gemäß § 165 Abs. 2 AO 1977 gerechtfertigten Drittbescheid war als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417088

BFH/NV 1991, 139

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