Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört auch die besondere Zuwendung, welche ein mit Mehrheit beteiligter Aktionär einem Mitglied des Vorstandes der Aktiengesellschaft für die erfolgreiche Sanierung des Unternehmens zusagt.

2. Eine Zahlung, die der Aktionär dem Mitglied des Vorstandes wegen dieser Zusage, aber auch wegen des vorzeitigen Ausscheidens des Mitglieds des Vorstandes aus dem Anstellungsverhältnis leistet, kann eine Entschädigung als Ersatz für entgehende Einnahmen sein.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1968 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war seit 1967 Vorstandssprecher der X AG (AG). Das Vertragsverhältnis sollte am 30. September 1970 enden. Die festen Bezüge beliefen sich auf 120 000 DM jährlich. Ferner sollte der Kläger bei vorzeitigem Ausscheiden aus Gründen, die nicht in seiner Person lagen, eine Pension in Höhe von 3 600 DM erhalten, die sich bis zum Ausscheiden im 65. Lebensjahr auf 30 000 DM jährlich erhöhen sollte.

Im Jahre 1967 sagte der Vorstandssprecher der Y-Bank (Bank), die zu 51 v. H. an der AG beteiligt war, dem Kläger mündlich eine Abfindung dafür zu, daß es ihm gelänge, die annähernd konkursreife AG zu sanieren, so daß deren Aktien zu angemessenen Bedingungen an einen Interessenten verkauft werden könnten.

Alleiniger Interessent war zunächst der Kaufmann Z. Dem Kläger gelang es innerhalb weniger Monate, die AG zu sanieren und einen zweiten Kaufinteressenten zu finden. Z kaufte dann zwar die Aktien der AG, mußte aber erheblich mehr als ursprünglich angenommen dafür zahlen.

Am 24. April 1968 schied der Kläger wegen Differenzen mit Z aus der AG aus. Am 10. September 1968 begann er ein neues Arbeitsverhältnis und verdiente bis zum 31. Dezember 1968 etwa 58 000 DM und ab 1969 etwa 24 000 DM monatlich. Kurz nach seinem Ausscheiden aus der AG erhielt er von der Bank 296 800 DM. In einer Erklärung zur Vorlage beim Finanzamt (FA) vom 18. Oktober 1971 erklärte die Bank: "Diese Zahlung stellte eine Abfindung dar, mit der alle wie immer gearteten Ansprüche des Herrn A aus seinem vorzeitig aufgelösten Anstellungsverhältnis als Vorstandsmitglied gegen die AG abgegolten werden . . . Zur Zahlung der Abfindung an Herrn A mußten wir uns gegenüber der Firma Z verpflichten." Der Vorstandssprecher der Bank erklärte am 18. Januar 1972 zur Vorlage an das FA:

"Im Hinblick auf die Herrn A von mir mündlich gegebene Zusage und die Tatsache, daß er im Zuge dieses Aktienverkaufs plötzlich seine Vorstandsposition und seine ihm noch bis zum Ende seiner Dienstvertragsdauer zustehenden Bezüge - und damit praktisch seine Existenzgrundlage - verlor, hat ihm dann die Bank - nicht die AG - als Entschädigung für seine Verluste eine Abfindung in Höhe von 296 800 DM gewährt. Damit habe ich meine Herrn A mündlich gegebene Zusage erfüllt und Herrn A für seine Sonderleistungen im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen, die Voraussetzung für den Verkauf der Aktien waren, das Heranbringen von Interessenten für den Aktienerwerb, für seine Verluste aus dem Anstellungsvertrag mit der AG und für seine ,niedrigen' Vorstandsbezüge während der schwierigen Sanierungsphase der AG entschädigt."

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) unterwarf die Zahlung dem vollen Steuersatz. Nach insoweit erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen hat. Zur Begründung fhrt das FG aus:

Die Zahlung der Bank sei keine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie sei nicht zum Ausgleich eines Verlustes, sondern als Entgelt für die Sanierung gezahlt worden. Durch die Sanierung habe der Kläger nach seinem Vortrag die Bank vor Millionenverlusten bewahrt. Nach der Bescheinigung vom 18. Januar 1972 sei die Zahlung zugesagt worden, als vom Ausscheiden des Klägers noch nicht die Rede gewesen sei. Daraus könne man schließen, daß er sie im Fall der Sanierung auch bekommen hätte, wenn sein Arbeitsverhältnis fortgedauert hätte und daß er sie, falls die Sanierung nicht gelungen wäre, auch dann nicht erhalten hätte, wenn er die AG hätte verlassen müssen. Die Höhe des Betrages entspreche zwar in etwa dem entgangenen Gehalt. Daraus könne aber nur geschlossen werden, daß das Gehalt mangels anderer Bezugsgrößen als Berechnungsmodus zugrunde gelegt worden sei.

Das FG behandelte die Zahlung als sonstige Einkünfte i. S. von § 22 Nr. 3 EStG. Eine Verteilung gemäß § 34 Abs. 3 EStG auf die Jahre 1967 und 1968 würde zu einer höheren Steuerbelastung führen und komme daher nicht in Betracht.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Schlußfolgerung des FG, die Zahlung sei nur als Entgelt für die Sanierung geleistet worden, widerspreche den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung. Sie lasse sich auch nicht mit den Erklärungen der Bank vom 18. Oktober 1971 und 18. Januar 1972 vereinbaren. Das FG hätte durch weitere Sachaufklärungen feststellen können, daß der Kläger nach der Abfindung durch die Bank seine vertraglichen Ansprüche gegen die AG nicht mehr hätte geltend machen dürfen.

Die Zahlung sei ihrer Natur nach Arbeitslohn und nicht sonstige Einkunft i. S. von § 22 Nr. 3 EStG. Schon die Zahlung in einer Summe spreche für eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG. Laufender Arbeitslohn könne sie nicht sein, weil sie von einem Dritten stamme.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 1968 auf 98 096 DM festzusetzen,

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revison ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Zahlung der Bank gehört beim Kläger auch dann nicht zu den sonstigen Einkünften i. S. des § 22 Nr. 3 EStG, wenn man mit dem FG davon ausgeht, daß sie ausschließlich für die Sanierung der AG geleistet wurde. Sie ist vielmehr als Arbeitslohn den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) zuzurechnen. Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen (§ 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -). Arbeitslohn kann auch die Zuwendung eines Dritten sein, wenn sie Entgelt für eine Leistung ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. März 1962 VI 255/60 U, BFHE 74, 577, BStBl III 1962, 214). Dabei kommt es auf die Sicht des Arbeitnehmers an, d. h. ob dieser einen Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachtet (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 19 EStG Anm. 61, mit Nachweisen). Der Kläger hatte als Mitglied des Vorstandes der AG die Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu leiten (§ 76 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes - AktG -). Er war daher bereits aufgrund seines Anstellungsvertrages (§ 84 Abs. 1 AktG) verpflichtet, für die Sanierung der AG zu sorgen. Wenn er daher für den Erfolg einer Tätigkeit, zu der er aufgrund des Arbeitsverhältnisses verpflichtet war, noch eine besondere Zuwendung erhielt, ist auch sie als Frucht dieser Leistung anzusehen (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 17. April 1935 VI A 929/34, RStBl 1935, 1196, und vom 21. September 1944 IV 29/44, RStBl 1944, 731). Die Zahlung an den Kläger ist mit einer besonderen Zuwendung i. S. des § 2 Abs. 3 Nr. 3 LStDV, z. B. einer Prämie oder Belohnung (vgl. Öftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 5. Aufl., § 19 Tz. 237), vergleichbar. Der Umstand, daß nicht die AG, sondern die Bank dem Kläger eine Belohnung zusagte und zahlte, ändert nichts daran, daß es sich dabei um Arbeitslohn handelte. Die Bank hielt die Mehrheit der Aktien, ihre Interessen waren daher weitgehend identisch mit denjenigen des Arbeitgebers des Klägers, der AG (RFH-Urteil in RStBl 1935, 1196). Ob der Kläger auf die Zahlung einen Anspruch hatte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).

2. Ob die Zahlung der 296 800 DM als laufender Arbeitslohn oder als Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG) anzusehen ist, vermag der Senat anhand der festgestellten Tatsachen nicht abschließend zu entscheiden. In diesem Zusammenhang rügt der Kläger zu Recht, daß die Schlußfolgerung des FG, die Bank habe den Betrag nur für den Sanierungserfolg gezahlt, gegen den Inhalt der Akten verstößt (§ 96 Abs. 1 FGO). Nach den Erklärungen der Bank, insbesondere der Erklärung vom 18. Oktober 1971, auf die das FG sich im übrigen bezieht, sollten mit der Zahlung auch Ansprüche des Klägers gegen die AG abgegolten werden. Danach hat sich die Bank außerdem gegenüber Z zu der Zahlung verpflichtet. Die Schlußfolgerung des FG ist mit diesen Erklärungen nicht vereinbar. Die Entscheidung, ob und inwieweit die Zahlung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17. März 1978 VI R 63/75, BFHE 124, 543, BStBl II 1978, 375) oder auf einer bereits bestehenden rechtlichen oder sonstigen Grundlage beruht, kann erst nach weiteren Ermittlungen des FG getroffen werden. Zunächst ist der Inhalt der Vereinbarung zwischen der Bank und Z festzustellen. Daraus ergibt sich möglicherweise, daß der Grund der Zahlung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 11. Januar 1980 VI R 165/77, BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205) die Auflösung des Dienstverhältnisses war. Die Erklärung der Bank, sie habe sich zur Zahlung der Abfindung an den Kläger der Firma Z gegenüber verpflichten müssen, deutet darauf hin, daß mit der Zahlung eine Schuld der AG oder des Z gegenüber dem Kläger getilgt werden sollte. Sollte die Abmachung keine derartigen Schlußfolgerungen erlauben, wird das FG bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen haben, daß der Kläger aufgrund der mündlichen Zusage des Vorstandssprechers der Bank möglicherweise keinen Rechtsanspruch erlangt hat. Einmal ist der Begriff Sanierung als Voraussetzung nicht so genau, daß damit feststeht, wann etwas gezahlt werden sollte. Zum anderen ist die Höhe der versprochenen Abfindung unbestimmt, so daß möglicherweise eine vertragliche Bindung nicht gewollt und zustande gekommen ist und damit auch die Mindestvoraussetzung für die Bestimmung der Leistung nach dem freien Belieben einer Partei fehlt (vgl. Staudinger/Mayer/Maly, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 12. Aufl., § 315 Tz. 5; Esser, Schuldrecht, Bd. I Teilband 1, 5. Aufl., S. 146). Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, daß die Bank auch aufgrund einer unverbindlichen Zusage gezahlt hat. Soweit dem Kläger allerdings rechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis zustanden, ist im Zweifel davon auszugehen, daß zunächst diese Ansprüche erfüllt oder abgefunden werden sollten. Es ist unwahrscheinlich, daß der Kläger auf ihre Geltendmachung ohne ersichtlichen Grund verzichtet hat. Im Streitfall ist ferner davon auszugehen, daß auch die Bank mit ihrer Zahlung beabsichtigte, möglichst alle Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis abzufinden. Da es auf die Sicht der Beteiligten im Zeitpunkt der Vereinbarung und der Zahlung ankommt, ist der Umstand, daß der Kläger im September 1968 eine neue Tätigkeit begann, möglicherweise außer acht zu lassen. Die Ansprüche des Klägers können nicht nur Gehaltsforderungen aufgrund seines Dienstvertrages sein für den Fall, daß ihm unberechtigterweise gekündigt worden sein sollte (vgl. dazu Meyer/Landrut in Großkommentar Aktiengesetz, 3. Aufl., § 84 Anm. 53 mit Hinweis auf § 615 BGB) oder Schadensersatzforderungen für den Fall, daß er selbst gekündigt haben sollte (§§ 626, 628 Abs. 2 BGB), sondern auch Forderungen, die durch besondere Vereinbarung an die Stelle der vertraglichen Ansprüche getreten sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413583

BStBl II 1981, 707

BFHE 1981, 375

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