Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Merkmalen der Selbständigkeit und der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr

 

Leitsatz (NV)

Auch wer nur für einen Vertragspartner (Alleinhersteller) tätig wird, kann i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) montiert . . .böden, die von der X GmbH & Co. KG hergestellt werden. Die X ist Patentinhaber und einziger Hersteller einer bestimmten Art von . . .böden.

In einem mit der X geschlossenen ,,Montage-Vertrag" verpflichtete sich der Kläger (,,Y"), unter der Bezeichnung ,,Firma Y" zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen der X Montagen auszuführen. Als Gegenleistung war eine stundenweise berechnete Vergütung für Montage, Abladen, Transport, Fahrzeit und Regiearbeiten vereinbart. Außerdem sollte eine Pauschalvergütung für die Montage gezahlt werden, die sich nach der Anzahl der verlegten Quadratmeter und nach dem Montagetyp richten sollte. Schließlich waren eine Kilometergeldvergütung sowie die Zahlung von Auslösungen vorgesehen. Der Vertrag enthielt eine Regelung der Arbeitszeit an den Wochentagen. Garantieleistungen übernahm der Kläger. Dieser sollte außerdem Montagewerkzeuge und Verschleißteile stellen sowie den Abschluß einer Haftpflichtversicherung für Montagefirmen nachweisen. Schließlich verpflichtete sich der Kläger, für alle von ihm eingesetzten Monteure Lohnsteuer und Sozialabgaben abzuführen und keine Abwerbung von Monteuren bei anderen für die X arbeitenden Montagefirmen zu betreiben.

Der Kläger meldete bei der zuständigen Behörde der Stadt A. ein Gewerbe an und bezeichnete den Gegenstand mit ,,Verlegen von . . .böden".

Zur Durchführung der Arbeiten beschäftigte der Kläger vier Arbeitnehmer. Aufgrund mündlich geschlossener Arbeitsverträge entlohnte er diese nach Vergütungssätzen, die an dem mit der X geschlossenen Montage-Vertrag ausgerichtet waren. Die Arbeitnehmer erhielten 25 Tage Urlaub. Maßgeblich für die Bezahlung von Urlaubs- und Krankheitstagen war jeweils der Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate. Der X gegenüber rechnete der Kläger die Leistungen seiner Arbeitnehmer wie eigene Leistungen ab. Bei Krankheit und Urlaub leistete die X keine Zahlung.

Gegenüber den Abnehmern traten der Kläger und seine Arbeitnehmer als Angehörige der X auf. Ihre Montageanzüge trugen die Aufschrift ,,X". Der Kläger stellte sich als ,,Herr Y, Firma X" vor. Aufschriften, die auf der Arbeitskleidung oder in anderer Weise auf eine ,,Firma Y" hingedeutet hätten, gab es nicht. Der Kläger verwendete für die Korrespondenz mit Krankenkassen, mit der Berufsgenossenschaft und mit ähnlichen Stellen lediglich Briefbögen mit dem Briefkopf ,,Montagebau Y". Für die anfallenden Büroarbeiten, die in erster Linie in der Erteilung von Rechnungen an die ,,X" bestanden, benutzte der Kläger ein Arbeitszimmer in seinem Privathaus.

Das seinerzeit zuständige Finanzamt A (FA I) erließ für 1981 und 1983 Gewerbesteuermeßbescheide, in denen es die Einkünfte des Klägers von . . . DM und . . . DM (die dieser durch eine Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt hatte) als gewerbliche Einkünfte beurteilte.

Demgegenüber machte der Kläger im Einspruchs- wie im Klageverfahren erfolglos geltend, daß er ausschließlich für die X tätig sei und auch nur für sie tätig sein könne, weil dieser Auftraggeber der einzige Hersteller solcher . . .böden sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor, eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liege nicht vor, weil er, der Kläger, nur für einen Kunden, nämlich die Firma X, arbeite und sein ganzer Geschäftsbetrieb auf diese Tätigkeit hin ausgerichtet sei. Anders als in den Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger nur einen Kunden habe, weil dieser seine Kapazität auslaste, lägen die Dinge hier so, daß mit einer Beendigung der Vertragsbeziehungen zum Auftraggeber automatisch auch sein, des Klägers, Betrieb beendet wäre. Einen ,,Ersatzkunden" gebe es nicht. Darauf, daß er der Berufsgenossenschaft, den Krankenkassen und seinen Arbeitnehmern gegenüber als Gewerbetreibender aufgetreten sei, komme es ebensowenig an wie auf Inhalt und Begleitumstände der Gewerbeanmeldung.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, die Gewerbesteuermeßbescheide für 1981 und 1983 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das inzwischen zuständige Finanzamt B. (FA II) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das FA I hat den Kläger in den angefochtenen Bescheiden zu Recht als gewerbesteuerpflichtigen Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung angesehen. Die Erträge sind dem Gewerbebetrieb zuzurechnen. Hierunter war gemäß § 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) in der für die Streitjahre geltenden Fassung eine selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs oder einer sonstigen selbständigen Arbeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen ist (ebenso § 2 Abs. 1 GewStG 1984 i. V. m. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG n. F.).

Ohne Rechtsirrtum hat das FG diese Voraussetzungen auch hinsichtlich der Merkmale der Selbständigkeit und der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bejaht.

1. Für das Merkmal der Selbständigkeit verlangt der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, mit einer beispielhaften Übersicht über die in Betracht kommenden Kriterien, sowie Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1988 X R 40/81, BFHE 153, 437, 443, BStBl II 1988, 804, 807 - jeweils m. w. N. -) eine Würdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. D. h., daß nicht alle Merkmale, die für das Verständnis dieses Gesetzesbegriffs bedeutsam sein können, in jedem Einzelfall erfüllt sein müssen und daß ihnen außerdem nicht stets das gleiche Gewicht beizumessen ist.

Aufgrund einer solchen, im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Beurteilung (BFH-Urteil in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 a. E.) ist das FG im Streitfall in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger trotz der von ihm und von seinen Leuten verwendeten Arbeitskleidung, der vertraglich festgelegten Arbeitszeiten und der hiernach bemessenen Vergütungen vor allem im Hinblick auf das von ihm getragene unternehmerische Risiko als selbständiger Unternehmer anzusehen ist.

2. Das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, daß eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (BFH-Urteile vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851, und vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24; Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. 1989, § 15 Anm. 7 - jeweils m. w. N. -). Auch dies kann nicht immer nach denselben Kriterien und mit gleicher Gewichtung beurteilt werden. Geschäftsbeziehungen mit mehreren, womöglich ständig wechselnden Kunden sprechen zwar im allgemeinen deutlicher für das erforderliche Teilhaben am Marktgeschehen, sind aber kein unerläßliches Erfordernis. Aus diesem Grunde hat die Rechtsprechung immer wieder, je nach den Umständen des Einzelfalles, die Geschäftsbeziehungen zu auch nur einem einzigen Vertragspartner als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr genügen lassen: so z. B. bei Versicherungsvertretern, die nur für ein einziges Versicherungsunternehmen tätig werden (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507, BStBl II 1978, 137, 139); bei den sog. Rundfunkermittlern, die im Auftrag einer einzigen Rundfunkanstalt die Einhaltung der für die Teilnahme am Rundfunkempfang geltenden Bestimmungen überwachen (BFH-Entscheidungen vom 27. Juni 1978 VIII R 184/75, BFHE 126, 40, BStBl II 1979, 53, und vom 14. Dezember 1978 I R 121/76, BFHE 126, 311, BStBl II 1979, 188, 190 a. E.); ferner im Fall eines Fremdenführers, der nur für ein Touristikunternehmen arbeitet (Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851) oder in demjenigen einer Anlageberaterin, die im Auftrag einer Bank im wesentlichen nur einen Kunden betreut (BFH-Urteil in BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24, 26 a. E.).

Das Merkmal der Teilnahme am ,,wirtschaftlichen" Verkehr dient dazu, solche Betätigungen auszugrenzen, die zwar von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen, aber nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind. Das Merkmal der Teilnahme am ,,allgemeinen" Verkehr dagegen erfordert, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach außen hin in Erscheinung tritt und sich an eine - wenn auch begrenzte - Allgemeinheit wendet (BFH-Urteil in BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851). Das Auftreten nach außen hin muß nicht notwendigerweise am Verhalten gegenüber dem Vertragspartner oder den Vertragspartnern gemessen werden. Zu Recht hat daher das FG nicht entscheidend auf die Rechtsbeziehung des Klägers zur X abgestellt, sondern das Auftreten des Klägers gegenüber anderen in seine Würdigung miteinbezogen.

Diesem Ergebnis steht das BFH-Urteil vom 29. August 1984 I R 68/81 (BFHE 142, 234, BStBl II 1985, 120) schon deshalb nicht entgegen, weil es dort darum ging, im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b des Außensteuergesetzes die Tätigkeit einer sog. Zwischengesellschaft innerhalb eines Konzerns und angesichts einer strukturbedingten Beschränkung ihres Betätigungsfeldes auf den Konzernbereich zu beurteilen. Wenn der I. Senat des BFH bei solcher Sach- und Rechtslage für die Annahme einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verlangt hat, daß der ,,Geschäftsbetrieb auf einen Wechsel bei den Kunden angelegt ist", so läßt dies schon wegen der besonderen Fallgestaltung keine Verallgemeinerung zu. Daß dieser Gesichtspunkt dort eine andere Gewichtung verdient als im Streitfall, entspricht im übrigen der dargelegten Rechtsnatur des Tatbestandsmerkmals der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Sie erklärt auch, daß sich der I. Senat des BFH in seiner zuletzt genannten Entscheidung nicht veranlaßt sah, auf die maßgeblich von ihm selbst mitentwickelte Rechtsprechung einzugehen, derzufolge Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im allgemeinen auch durch Geschäftsbeziehungen zu nur einem einzigen Vertragspartner verwirklicht werden kann.

In welcher Weise schließlich die gewerbliche Tätigkeit des Klägers vom Fortbestand der Vertragsbeziehungen zur X abhängt, ist nicht entscheidungserheblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63018

BFH/NV 1990, 798

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