Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Unter "endgültig festgesetzter Steuer" im Sinne des § 168 Abs. 2 AO ist die Steuer zu verstehen, die im Rechtsmittelverfahren nicht mehr angefochten werden kann. Berichtigungen rechtskräftiger Umsatzsteuervorauszahlungen (ß 222 AO) scheiden für die Berechnung der Höhe des Zuschlags aus.

 

Normenkette

UStG § 13 Abs. 1, § 13/2; UStDB § 65 Abs. 1; UStG § 18/1; UStG § 18/2; AO § 168 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine OHG, hatte für das erste und zweite Kalendervierteljahr 1953 Umsatzsteuervoranmeldungen bis zum Ablauf der Anmeldefrist nicht abgegeben. Das Finanzamt setzte deshalb mit Bescheid vom 29. Mai und vom 27. Juli 1953 im Schätzungswege die Umsatzsteuervorauszahlungen und gleichzeitig Zuschläge nach § 168 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) in Höhe von 24 und 26 DM, die 10 % der festgesetzten Steuerbeträge entsprachen, fest. Am 12. August 1953 erklärte die Stpfl. wegen der Voranmeldungen "Selbstanzeige" und beantragte die Zurücknahme der Verspätungszuschläge sowie Nachsichtgewährung. Die bisher unterbliebenen Umsatzsteuervoranmeldungen reichte sie am 3. September 1953 ein. Sie wiesen erheblich höhere Umsätze als die vom Finanzamt geschätzten aus. Das Finanzamt berichtigte deshalb am 5. September 1953 seine ersten Festsetzungen entsprechend den Angaben der Stpfl. und setzte den Zuschlag nach § 168 Abs. 2 AO für das erste Vierteljahr wieder auf 10 v. H., aber des nunmehr geltenden Steuerbetrages = 35,25 DM und für das zweite Vierteljahr auf 5 v. H. der Steuer = 50,10 DM fest. Gegen die Festsetzung dieser Zuschläge erhob die Stpfl. Beschwerde an die Oberfinanzdirektion und gegen deren ablehnenden Bescheid Beschwerde an den Bundesminister der Finanzen. Dieser wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Die hiergegen von der Stpfl. eingelegte Berufung, die sich nunmehr gegen die Erhöhung der Verspätungszuschläge durch die Berichtigungen vom 5. September 1953 richtete, hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, daß § 95 AO ohne Einschränkung auf § 168 Abs. 2 AO anzuwenden sei, ein Verspätungszuschlag also nur zugunsten des Stpfl. geändert werden könne. Durch die berichtigten Festsetzungen vom 5. September 1953 sei der ursprünglich festgesetzte Zuschlagsbetrag geändert worden, und zwar zu Ungunsten der Stpfl. Eine solche änderung sei unzulässig gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Gegen diese Auffassung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Oberfinanzdirektion in Vertretung des Bundesministers der Finanzen. Sie kann keinen Erfolg haben.

Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß gegen die Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Finanzen das Berufungsverfahren gegeben ist (vgl. Gutachten des Großen Senats D 1/51 S vom 17. April 1951, Slg. Bd. 55 S. 277, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 107). Da die Umsatzsteuervoranmeldungen nach § 13 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als Steuererklärungen gelten, können bei nicht rechtzeitiger Abgabe (ß 13 Abs. 1 UStG) den Steuerpflichtigen Verspätungszuschläge nach § 168 AO auferlegt werden, und zwar bis zu 10 v. H. der endgültig festgesetzten Steuer. Unter der "endgültig festgesetzten Steuer" ist nach der ständigen Rechtsprechung die Steuer zu verstehen, die im Rechtsmittelverfahren nicht mehr angefochten werden kann (vgl. die Gutachten des Reichsfinanzhofs V D 2/26 vom 4. Januar 1927, Slg. Bd. 20 S. 161, Reichssteuerblatt - RStBl - 1928 S. 206 und V D 1/39 vom 30. Juni 1939, Slg. Bd. 47 S. 131, RStBl 1939 S. 825). Da der Zweck des § 168 AO ist, den ordnungsmäßigen Gang der Veranlagung zu sichern (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs VI D 4/39 vom 2. August 1939, Slg. Bd. 47 S. 204, RStBl 1939 S. 945), und dieser Zweck bereits mit der ersten rechtskräftigen Steuerfestsetzung erfüllt ist, sind Berichtigungen rechtskräftiger Steuerfestsetzungen (ß 222 AO) für die Berechnung der Höhe des Zuschlages nicht mehr maßgebend.

Das Finanzamt hat die Umsatzsteuervorauszahlungen für das erste und zweite Vierteljahr 1953 zunächst geschätzt, und zwar für das erste Vierteljahr durch Bescheid vom 29. Mai 1953 und für das zweite Vierteljahr durch Bescheid vom 22. Juli 1953. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Stpfl. mit Schreiben vom 12. August 1953 "Selbstanzeige" erklärt und die Zurücknahme der Verspätungszuschläge sowie Nachsichtgewährung beantragt, ordnungsmäßige Voranmeldungen für die genannten Vierteljahre jedoch erst am 3. September 1953 beim Finanzamt eingereicht. Der Vorauszahlungsbescheid für das erste Vierteljahr 1953 vom 29. Mai 1953 war am 12. August 1953 bereits rechtskräftig. Ein Rechtsmittel gegen den Vorauszahlungsbescheid für das zweite Vierteljahr vom 22. Juli 1953 kann in der "Selbstanzeige", nachdem die Stpfl. einen weit höheren Umsatz anmelden wollte und später auch angemeldet hat, mangels Beschwer (ß 232 Abs. 1 AO) nicht erblickt werden. Die berichtigte Festsetzung für dieses Vierteljahr ist erst am 5. September 1953, also nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die erste Festsetzung erfolgt. Hiernach ist auch der Bescheid vom 27. Juli 1953 hinsichtlich der Schätzungen rechtskräftig geworden. Nach den oben gemachten Ausführungen waren Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Verspätungszuschläge für beide Vierteljahre somit ausschließlich die rechtskräftigen Vorauszahlungsbescheide vom 29. Mai 1953 und vom 27. Juli 1953. Eine Berechnung der Verspätungszuschläge entsprechend den berichtigten erhöhten Steuerfestsetzungen war mit dem durch § 168 Abs. 2 AO verfolgten Zweck nicht vereinbar und deshalb unzulässig.

Der Vorinstanz war somit im Ergebnis beizutreten, ohne daß auf die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Bedeutung und der Auswirkung des § 95 AO auf § 168 Abs. 2 AO eingegangen zu werden brauchte. Die Rechtsbeschwerde war als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenpflicht ergibt sich aus § 309 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408397

BStBl III 1956, 100

BFHE 1956, 271

BFHE 62, 271

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