Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Tatbestandsvoraussetzungen eines Zuschusses i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972

 

Leitsatz (NV)

1. Die nur buchmäßige Verrechnung von Verlusten einer GmbH & Co KG mit den Gewinnen einer anderen GmbH & Co KG begründet für sich genommen keine Vermögenszuwendung der Gesellschafter i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972.

2. Unstimmigkeiten zwischen dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen eines FG-Urteils begründen keinen Verfahrens-, sondern allenfalls einen materiell-rechtlichen Fehler.

 

Normenkette

FGO § 118 Abs. 3; KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH & Co KG, die für die Jahre 1969 bis 1971 Verluste in Höhe von rd. 2,3 Mio. DM erlitt. Neben der Klägerin bestand die M-GmbH & Co KG, die für die Geschäftsjahre 1970 und 1971 Gewinne in Höhe von rd. 6,7 Mio. DM erzielte. An der Klägerin und der M-GmbH & Co KG waren dieselben Gesellschafter mit denselben Kapitalanteilen beteiligt. In den Bilanzen der Klägerin wurde der Verlustvortrag aus den Jahren 1969 und 1970 und der Verlust des Jahres 1971 durch Verrechnung mit den Anteilen der Kommanditisten an den Gewinn der M-GmbH & Co KG ausgeglichen.

Das FA sah in der Verrechnung der Verluste der Klägerin mit den Gewinnen der M-GmbH & Co KG gesellschaftsteuerpflichtige Vorgänge i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KVStG 1972. Durch Bescheid vom 29. März 1977 setzte es Gesellschaftsteuer fest.

Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs besteht im wesentlichen darin, daß den am Rechtsstreit Beteiligten Gelegenheit gegeben werden muß, sich zu den Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern, die der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen. Diese Gelegenheit hatte die Klägerin schon nach ihrem eigenen Vortrag, weil sie zu allen der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen Stellung nehmen konnte. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das FG nicht, den Beteiligten die für die beabsichtigte Entscheidung maßgeblichen Beweiswürdigungen und Rechtsüberlegungen vorab mitzuteilen, damit sie ihrerseits Gelegenheit zur Stellungnahme haben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. April 1987 I R 167/83, BFH/NV 1987, 629; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Anm. 22). Das FG mußte deshalb auch im Streitfall nicht die Klägerin auf (angebliche) Unstimmigkeiten zwischen dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des beabsichtigten Urteils hinweisen. Solche Unstimmigkeiten sind ihrer Natur nach kein Verfahrensfehler (error in procedendo), sondern allenfalls ein materiellrechtlicher Fehler des Urteils (error in iudicando).

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 unterliegen der Gesellschaftsteuer Zuschüsse, die ein Gesellschafter als freiwillige Leistung einer inländischen Kapitalgesellschaft erbringt. Zu den inländischen Kapitalgesellschaften im Sinn der Vorschrift zählt auch eine GmbH & Co. KG (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972). Zuschuß im Sinn dieser Vorschrift kann nur eine Geldleistung sein (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1981 II R 4/78, BFHE 134, 361, BStBl II 1982, 72). Besteht der Zuschuß darin, daß die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG sich außerhalb jeder im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bereit erklären, Verluste der GmbH & Co. KG abzudecken, so wird der Zuschuß im Sinn der Vorschrift erst mit der Erfüllung der versprochenen Zuwendung bewirkt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 1971 II R 38/70, BFHE 103, 355, BStBl II 1971, 786). Die nur buchmäßige Verrechnung von Verlusten einer GmbH & Co. KG mit den Gewinnen einer anderen GmbH & Co. KG begründet für sich genommen keine Vermögenszuwendung der Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1976 II R 79/74, BFHE 119, 511, BStBl II 1976, 715).

3. Die zu diesen Voraussetzungen vom FG in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen sind teilweise unklar und teilweise in sich widersprüchlich. Sie tragen die getroffene Entscheidung nicht.

a) Der Klägerin wäre ein Zuschuß i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 zugewendet worden, wenn sie eine Geldleistung ihrer Kommanditisten in der angenommenen Höhe erhalten hätte. Eine solche Geldleistung hätte das FG nur dann annehmen dürfen, wenn es eine entsprechende Mehrung des Aktivvermögens der Klägerin (z. B. Überweisung oder Bareinzahlung auf einem Bankkonto der Klägerin) oder eine entsprechende Minderung der Verbindlichkeiten (z. B. Erlaß von Darlehensverbindlichkeiten) festgestellt hätte. Solche Feststellungen sind jedoch der Vorentscheidung nicht zu entnehmen. Zwar ist in ihr von einer ,,bilanzmäßigen Übertragung" der Gewinne der M-GmbH & Co. KG auf ,,Überleitungskonten" zugunsten der Klägerin die Rede. Es bleibt aber offen, ob es sich bei den ,,Überleitungskonten" um Bankkonten handelt (wenn ja, welche?) und ob sie zivilrechtlich dem Vermögen der Klägerin zugerechnet werden können.

b) Das FG vertritt in der Vorentscheidung die Rechtsauffassung, daß die Kommanditisten der Klägerin dieser ihre Gewinnauszahlungsansprüche 1970 und 1971 gegen die M-GmbH & Co. KG überlassen hätten. Abgesehen davon, daß an anderer Stelle des Urteils von der bilanzmäßigen Übertragung der Gewinne der M-GmbH & Co. KG und nicht der Gewinnanteile der Kommanditisten die Rede ist, fehlt es an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen, die diese Rechtsauffassung tragen. Das FG hat insbesondere nicht festgestellt, daß überhaupt ein Gewinnauszahlungsanspruch der Kommanditisten der Klägerin gegenüber der M-GmbH & Co. KG bestanden hat. Ein solcher Anspruch entsteht in der Regel erst mit der Feststellung der Bilanz (vgl. Fischer, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 122 Anm. 13). Er findet seine Rechtsgrundlage entweder in § 169 Abs. 1 i.V.m. § 122 des Handelsgesetzbuches - HGB - (vorausgesetzt, daß die Vorschriften im Gesellschaftsvertrag der M-GmbH & Co. KG nicht abbedungen wurden) oder im Gesellschaftsvertrag der M-GmbH & Co. KG. oder in einem Gewinnverteilungsbeschluß der Gesellschafter der M-GmbH & Co. KG. Die Überlassung der Gewinnauszahlungsansprüche würde weiter voraussetzen, daß die Kommanditisten ihre (hier unterstellten) Ansprüche gegen die M-GmbH & Co. KG an die Klägerin abgetreten oder aber die Gewinnanteile tatsächlich an die Klägerin abgeführt hätten. Im ersteren Fall hätte die Klägerin Ansprüche gegenüber der M-GmbH & Co KG als eigenes Vermögen aktivieren müssen. Im zweiten Fall hätte der Zugang der Gewinnanteile auf einem Bank- oder Geldkonto der Klägerin festgestellt werden müssen. Da das FG weder die eine noch die andere tatsächliche Feststellung getroffen hat, leidet das angefochtene Urteil an dem materiell-rechtlichen Fehler unzureichender Tatsachenfeststellungen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO, Anm. 26).

c) Das FG hat die Zuschußleistung gegenüber der Klägerin in dem Einverständnis der Gesellschafter zu der bilanzmäßigen Behandlung der ,,Verlustverrechnung" gesehen. Die Klägerin weist jedoch zutreffend darauf hin, daß die bilanzmäßige Behandlung der ,,Verlustverrechnung" nicht gleichbedeutend mit einer entsprechenden Vermögensmehrung der Klägerin ist (vgl. BFH in BFHE 103, 355, BStBl II 1971, 786, und in BFHE 119, 511, BStBl II 1976, 715). Das FG hätte deshalb feststellen müssen, worin die Vermögensmehrung der Klägerin konkret bestand. Das FG hat außerdem das Einvernehmen der Gesellschafter der Klägerin zu der bilanzmäßigen Behandlung der ,,Verlustverrechnung" den Genehmigungen der Bilanzen der M-GmbH & Co. KG im Jahre 1972 entnommen (S. 11 des Urteils). Es hat jedoch an anderer Stelle des Urteils festgestellt (S. 5), daß gesonderte Gesellschafterbeschlüsse über Bilanzgenehmigungen nicht bestanden. Beide Feststellungen sind miteinander unvereinbar. Da das FG seine Überzeugungsbildung auf eine der beiden einander widersprechenden Feststellungen gestützt hat, leidet die Vorentscheidung auch insoweit an dem materiell-rechtlichen Fehler unzureichender Tatsachenfeststellung.

4. Hat aber das FG den für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit (Rechtswidrigkeit) des angefochtenen Steuerbescheides maßgeblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Finden, Aufklären und Sammeln der für den Streitfall wesentlichen Tatsachen ist Aufgabe des FG (§§ 76, 118 Abs. 2 FGO). Dieses muß deshalb auch die fehlenden Feststellungen nachholen. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

5. Vorsorglich weist der erkennende Senat darauf hin, daß im Streitfall auch der Zeitpunkt etwaiger Vermögensmehrungen der Klägerin von Bedeutung sein kann. Soweit dieser Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1972 gelegen haben sollte, käme nur das KVStG 1959 zur Anwendung. Danach kann es zweifelhaft sein, ob freiwillige Leistungen eines Kommanditisten gegenüber seiner GmbH & Co. KG gesellschaftsteuerbar waren. Es könnte an dem Zuschuß an eine Kapitalgesellschaft fehlen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 1978 II R 3/71, BFHE 125, 303, BStBl II 1978, 527).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416126

BFH/NV 1989, 458

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