Leitsatz (amtlich)

Bei einem freiberuflich tätigen Baustatiker, der an einer Wohnungsbau-AG beteiligt ist, kommt eine gewinnmindernde Berücksichtigung des Verlustes der Beteiligung (infolge des Konkurses der AG) auch dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Für den Zeitpunkt und den Umfang einer etwaigen Berücksichtigung des Beteiligungsverlustes ist maßgeblich, wann und in welcher Höhe die für die Beteiligung aufgewendeten Mittel endgültig verlorengegangen sind.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3-4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob einem Baustatiker im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einer in Konkurs gegangenen Wohnungsbau-AG Betriebsausgaben entstanden sind.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Diplomingenieur. Er unterhält als selbständiger Statiker ein Ingenieurbüro. Seinen Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Jahre 1964 beteiligte er sich mit einem Betrag von 125 000 DM an der Gründung der C-AG (AG), einer Wohnungsbaugesellschaft, die sich mit der Planung und Durchführung von Bauvorhaben befaßte. Durch Darlehensaufnahmen bei der X-Bank leistete er bei Gründung 25 000 DM und im Jahre 1965 weitere 20 000 DM. Außerdem zahlte er 6 500 DM aus privaten Mitteln.

Im Jahre 1966 begann die AG mit dem Bau von vier Wohnhochhäusern. Der Kläger wurde hierbei als Statiker für die AG tätig. Er machte hierfür Honoraransprüche von 150 000 DM geltend, die bis auf einen Betrag von 7 500 DM beglichen wurden. Der Kläger mußte jedoch zur Finanzierung der Bauvorhaben der AG gemeinsam mit den übrigen Aktionären selbstschuldnerische Bürgschaften übernehmen, und zwar in Höhe von 1 200 000 DM gegenüber der Y-Bank in D ... (vorläufiger Anteil des Klägers 300 000 DM) und in Höhe von 48 000 DM gegenüber der Z-Bank (vorläufiger Anteil des Klägers 16 000 DM).

Mitte des Jahres 1967 ging die AG in Konkurs. Zu die sem Zeitpunkt standen noch 73 500 DM an noch nicht geleisteter Kapitaleinlage des Klägers offen.

Im Streitjahr 1969 zahlte der Kläger Beträge von 18 000 DM und 2 500 DM zur Tilgung der genannten Darlehen an die X-Bank sowie einen Betrag von 15 000 DM an den Konkursverwalter auf seine noch offenstehende Kapitaleinlage bei der AG. Die Darlehensrückzahlungen an die X-Bank und die Zahlung von 15 000 DM an den Konkursverwalter begehrte er, als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den beantragten Betriebsausgabenabzug ab.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner Entscheidung vom 13. Mai 1975 XII (VIII) 534/72 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 409 - EFG 1975, 409 -) aus, hinsichtlich der Zahlungen zur Darlehenstilgung komme ein Betriebsausgabenabzug bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG von vornherein nicht in Betracht (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Oktober 1969 I R 94/67, BFHE 97, 76, BStBl II 1970, 44). Die Beteiligung des Klägers an der Gründung der AG sei ein Geldgeschäft, das nach der Rechtsprechung bei Angehörigen der freien Berufe nur ausnahmsweise zum notwendigen Betriebsvermögen gehören könne, wenn ein deutlich erkennbarer Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bestehe. Ein solcher Zusammenhang fehle im Streitfall; er werde insbesondere nicht dadurch hergestellt, daß der Kläger die Beteiligung erworben habe, um für einen längeren Zeitraum den wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit zu sichern. Auch der BFH habe im Urteil vom 5. Februar 1970 IV 186/64 (BFHE 99, 26, BStBl II 1970, 492) die Auffassung vertreten, daß die Bürgschaftsübernahme eines Architekten für eine GmbH, an der er in Erwartung von Vorteilen für seine Berufstätigkeit beteiligt gewesen sei, nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehöre.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, hinsichtlich der Versagung der Darlehensrückzahlung als Betriebsausgaben verkenne das FG den Betriebsausgabenbegriff im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Es sei nicht haltbar, daß eine Betriebsausgabe nur deshalb nicht zum Abzug zugelassen werde, weil sie im Wege der Kreditaufnahme finanziert worden sei. Die Bezugnahme des FG auf das BFH-Urteil I R 94/67 gehe fehl, weil im BFH-Urteil vom 2. September 1971 IV 342/65 (BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334) klar zum Ausdruck gekommen sei, daß auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein endgültig eingetretener Vermögensverlust als Betriebsausgabe anzuerkennen sei. - Auch den Betriebsvermögensbegriff habe das FG verkannt, wenn es meine, die Beteiligung an einer AG sei als Geldgeschäft einem freien Beruf fremd und könne daher kein notwendiges Betriebsvermögen sein. Der Kläger habe hierzu beim FG die Anhörung der Standesorganisation beantragt, die das Gegenteil bestätigt haben würde. Die Nichtanhörung bedeute eine Versagung des rechtlichen Gehörs. Außerdem habe das FG auch gegen den klaren Akteninhalt verstoßen, wenn es einen Zusammenhang zwischen der Beteiligung des Klägers an der AG und dessen beruflicher Tätigkeit leugne. Denn schon gegenüber dem FA sei im Schreiben vom 13. April 1971 dargetan worden, daß der Kläger sich als Gründungsaktionär an der AG beteiligt habe, um die Aufträge als Statiker ungekürzt nach der Gebühren-Ordnung der Ingenieure (GOI) zu erhalten. Damit ergebe sich ein so enger Zusammenhang zwischen Beteiligung und Beruf, daß die Zugehörigkeit der Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen nicht geleugnet werden könne.

Mit der Revision wird beantragt, bei der Ermittlung des Gewinns des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit weitere Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Gewinn ist beim Kläger als einem freiberuflichen Ingenieur, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, mit dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen. Der Streit geht darum, inwieweit bei der Gewinnermittlung für das Streitjahr Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, d. h. Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG).

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Zahlungen von insgesamt 20 500 DM zur Tilgung von Darlehen, die der Kläger zur Finanzierung seiner Beteiligung an der AG aufgenommen hatte, keine bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu berücksichtigenden Betriebsausgaben waren. Das entspricht ständiger Rechtsprechung und ist nur die Folge dessen, daß auch der Empfang der Darlehensvaluta nicht als Betriebseinnahme behandelt wird (vgl. Urteil des Senats IV 342/65 mit Hinweis auf das BFH-Urteil I R 94/67). Der Einwand des Klägers, daß es nicht haltbar sei, durch Kreditaufnahme finanzierte Betriebsausgaben nicht zum Abzug zuzulassen, vermag den Abzug der genannten 20 500 DM nicht zu begründen. Denn nicht die Kreditrückzahlung hat Betriebsausgabencharakter, sondern allenfalls der mit dem Kredit finanzierte Aufwand, wenn dieser Aufwand betrieblich veranlaßt war. Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies, daß allenfalls der Verlust der mit dem Kredit angeschafften Beteiligung an der AG, nicht aber die Kreditrückzahlung auf das Betriebsergebnis von Einfluß sein kann. Ob ein Beteiligungsverlust zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, ob ein solcher Verlust überhaupt im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG abgesetzt werden kann und, wenn dies dem System der Überschuß-Gewinnermittlung nicht widerspricht, ob eine betriebliche Veranlassung für die Beteiligung bestanden hat. Entscheidend für den Umfang und den Zeitpunkt (und damit für den Veranlagungszeitraum), in dem der Vorgang unter Umständen zu einer Gewinnminderung führen kann, ist also jedenfalls nicht die Darlehensrückzahlung, sondern allenfalls der Eintritt des Beteiligungsverlustes. Damit ist für einen Betriebsausgabenabzug der 20 500 DM unter dem Gesichtspunkt der Darlehensrückzahlung jedenfalls kein Raum.

b) Wann ein Verlust der Beteiligung des Klägers an der immerhin schon zwei Jahre vor dem Streitjahr in Konkurs gegangenen AG eingetreten ist, hat das FG nicht festgestellt. Es mußte dies von seinem Standpunkt aus auch nicht tun, weil das FG einen betrieblichen Zusammenhang mit der Beteiligung verneinte und damit, da gewillkürtes Betriebsvermögen bei der Gewinnermittlungsart des Klägers nicht in Betracht kommt, die Beteiligung in den Bereich des Privatvermögens des Klägers verwies. Gegen diese Auffassung bestehen jedoch Bedenken.

Das FG hat sich für die Zuordnung der Beteiligung zum Privatvermögen auf die frühere Rechtsprechung bezogen, derzufolge "Geldgeschäfte" bei einem Freiberufler im allgemeinen etwas Berufsfremdes sind (vgl. hierzu z. B. die Entscheidungen des Senats vom 15. Juli 1966 IV 52 53, BFHE 86, 587, BStBl III 1966, 591, und IV 342/65). Diese Rechtsprechung gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wie schon in der Entscheidung IV 342/65 zum Ausdruck kommt. Weitere Einschränkungen ergeben sich nach Auffassung des Senats ferner dann, wenn es sich nicht um die "üblichen" in diesem Zusammenhang behandelten "Geldgeschäfte" (z. B. Kreditgewährung an Mandanten), sondern um Beteiligungen an Kapitalgesellschaften handelt, bei denen ein entsprechender betrieblicher Zusammenhang herstellbar ist. Der Senat hat schon im Urteil vom 11. März 1976 IV R 185/71 (BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380) ausgesprochen, daß die Beteiligung eines Freiberuflers an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen gehören kann, wenn der Betrieb der Kapitalgesellschaft der freiberuflichen Tätigkeit nicht wesensfremd ist. Im damaligen Fall ging es auch um die Beteiligung eines beratenden Ingenieurs für Baustatik an einer Planungs- und Bau-GmbH. Als Beispiel hat der Senat ferner den Fall einer Beteiligung von Wirtschaftsprüfern an einer Treuhand-GmbH genannt. Ein Vergleich des hier zu behandelnden Sachverhalts mit den genannten Fällen erscheint naheliegend. Ein beruflicher Zusammenhang liegt hier ebenfalls zunächst näher als die Annahme eines bloßen Geldgeschäftes. Insbesondere mit dieser Annahme hat aber die Vorinstanz den beruflichen Zusammenhang verneint, ohne weitere diesbezügliche Feststellungen zu treffen. Das reicht jedoch zur Stützung des vom FG gewonnenen Ergebnisses nicht aus. Das FG wird daher die Bedeutung der Beteiligung für die berufliche Tätigkeit des Klägers noch im einzelnen zu untersuchen und hierbei etwa auch zu prüfen haben, welche Bedeutung der schon beim FA geltend gemachten Behauptung des Klägers zukommt, die Beteiligung, die immerbin innerhalb von zwei Jahren zu Honorarforderungen von 150 000 DM geführt hat, habe dazu gedient, "die Aufträge ungekürzt nach der GOI zu erhalten". Die Sache ist daher gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen. Im Hinblick hierauf bedarf es keines Eingehens auf die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen.

c) Gelangt das FG bei seiner erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis, daß die Mitgründung der AG betrieblich veranlaßt, die Beteiligung also notwendiges Betriebsvermögen des Klägers war, so stellt sich die Frage, ob und wann die Beteiligungsverluste zu berücksichtigen sind.

Bei den Aufwendungen für den Erwerb der Beteiligung handelt es sich, wenn die Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen gehörte, um Aufwendungen für ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens. Der Senat hat im Urteil vom 6. Dezember 1972 IV R 4-5/72 (BFHE 108, 162, BStBl II 1973, 293) entschieden, daß solche Aufwendungen nicht schon im Zeitpunkt der Verausgabung als Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Der Senat hat damit in der Neufassung des § 4 Abs. 3 EStG durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971 (BGBl I 1971, 1266, BStBl I 1971, 373), wonach derartige Aufwendungen erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, lediglich eine Klarstellung gesehen. Im Streitfall kann nun von einer Veräußerung oder einer Entnahme der Beteiligung im eigentlichen Sinne nicht die Rede sein. Der Senat läßt dahingestellt, ob bei dem entschädigungslosen Verlust der Beteiligung eine "faktische" Entnahme anzunehmen ist oder ob es sich um einen Sachverhalt handelt, hinsichtlich dessen eine Regelungslücke besteht (so Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., EStG § 4 Anm. 91 [2]). Der Senat ist jedenfalls mit Herrmann/Heuer (a. a. O., Anm. 91 [6]) der Auffassung, daß in einem solchen Fall ein Abzug nicht überhaupt zu unterbleiben hat, sondern im Zeitpunkt des Verlustes bzw. des Untergangs des Wirtschaftsguts vorzunehmen ist. Das entspricht auch der Auffassung des Senats, die bereits in der Entscheidung IV 342/65 zum Ausdruck gekommen ist und dazu geführt hat, daß das nicht abnutzbare Wirtschaftsgut "Darlehensforderung" auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Zeitpunkt des Verlustes als endgültig verausgabt abzugsfähig sein kann.

Über diesen Zeitpunkt des endgültigen Verlustes hat das FG, sofern es die Betriebsvermögenseigenschaft der Beteiligung bejaht, Feststellungen zu treffen. Dabei kann es nicht darauf ankommen, in welchem Umfang der Kläger eine nominale Beteiligung erworben und verloren hat, sondern wann und in welchem Umfang ihm die für die Beteiligung aufgewendeten Mittel endgültig verlorengegangen sind. Insoweit erscheint z. B. der im Streitjahr an den Konkursverwalter gezahlte Betrag von 15 000 DM für rückständige Einlage als berücksichtigungsfähiger Aufwand dieses Jahres. Wann die übrigen bisherigen Aufwendungen für die Beteiligung endgültig verloren waren, muß noch festgestellt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72983

BStBl II 1979, 109

BFHE 1979, 298

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