Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdgenutztes Wohnhaus als gewillkürtes landwirtschaftliches Betriebsvermögen

 

Leitsatz (NV)

  1. Erwirbt ein Landwirt landwirtschaftliche Nutzflächen eines benachbarten Betriebs einschließlich der Hofstelle, so kann er das dortige Wohnhaus als gewillkürtes Betriebsvermögen behandeln, wenn nach den konkreten Verhältnissen des Betriebs eine Überlassung an Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen ist.
  2. Aus der bilanziellen Behandlung als Betriebsvermögen kann darauf geschlossen werden, daß ein Wirtschaftgut, das objektiv geeignet ist, dem Betrieb zu dienen, auch subjektiv dazu bestimmt ist.
 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 13 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhielt einen land- und forstwirtschaftlichen Gutsbetrieb, dessen Gewinne durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wurden. Mit wirtschaftlichem Übergang zum 1. Januar 1972 erwarb sie einen Teil der Flächen sowie die Hofstelle (insgesamt 10,2986 ha) eines benachbarten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs mit einer Gesamtgröße von 16 ha. Flächen und Scheune übernahm die Klägerin in Eigenbewirtschaftung im Rahmen ihres Betriebs. Das Wohnhaus wurde im Anschluß an den Erwerb renoviert und dann an einen Nichtbetriebsangehörigen vermietet. Ausgenommen war ein Zimmer im Dachgeschoß, an dem der Schwager der Verkäuferin ein lebenlanges unentgeltliches Wohnrecht hatte. Das gesamte hinzuerworbene Anwesen einschließlich des Wohnhauses wurde von der Klägerin in ihrer Bilanz auf den 30. Juni 1972 als Betriebsvermögen ausgewiesen.

Damals war die Klägerin bereits Eigentümerin mehrerer Wohnungen, die zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörten, aber nicht mehr an Betriebsangehörige, sondern an Betriebsfremde vermietet wurden, weil im Betrieb kein Bedarf mehr für so viele Arbeitskräfte bestand.

Im Rahmen einer 1995 durchgeführten Betriebsprüfung begehrte die Klägerin, das 1972 erworbene Wohnhaus einschließlich des zugehörigen Grund und Bodens erfolgsneutral auszubuchen, weil es niemals eigenbetrieblich genutzt worden sei und kein gewillkürtes Betriebsvermögen habe sein können. Durch die Behandlung als Privatvermögen hätte sich im Streitjahr 1990 ein geringeres zu versteuerndes Einkommen für die Klägerin ergeben.

Der Prüfer lehnte dieses Begehren ab. Dem schloß sich der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beim Erlaß des aufgrund der Prüfungsfeststellungen geänderten Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr an.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 626 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, daß negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2 830 DM sowie um 269 DM geringere Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es bezieht sich auf die Gründe der Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Bilanzposten für das Wohngebäude und den dazugehörenden Grund und Boden sind nicht im Wege einer Bilanzberichtigung aus der Bilanz der Klägerin erfolgsneutral auszubuchen. Beide Wirtschaftsgüter sind mit ihrem Erwerb zunächst Betriebsvermögen geworden und haben diese Eigenschaft seither nicht verloren.

1. Zum Betriebsvermögen eines bilanzierenden Unternehmers i.S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören neben den unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke verwendeten Wirtschaftsgütern des notwendigen Betriebsvermögens auch Wirtschaftsgüter des sog. gewillkürten Betriebsvermögens. Dabei handelt es sich um solche Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum notwendigen Privatvermögen gehören und objektiv geeignet sowie vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40, und vom 7. April 1992 VIII R 86/87, BFHE 168, 572, BStBl II 1993, 21, m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch für Land- und Forstwirte. Allerdings hat der BFH für diese --ähnlich wie für Freiberufler-- die Möglichkeit zur Willkürung von Betriebsvermögen wegen der Eigenart der betrieblichen Tätigkeit insoweit gegenüber Gewerbetreibenden eingeschränkt, als nur solche Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen gezogen werden dürfen, die vom Gegenstand her objektiv geeignet sind, dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen und ihn zu fördern (Beschluß vom 19. Januar 1982 VIII B 57/80, BFHE 135, 440, BStBl II 1982, 526; Senatsurteile vom 28. Oktober 1982 IV R 73/81, BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106; vom 23. Mai 1991 IV R 58/90, BFHE 164, 537, BStBl II 1991, 798; vom 28. Juli 1994 IV R 80/92, BFH/NV 1995, 288).

2. Das zur erworbenen Hofstelle gehörende Wohnhaus mit zugehörigem Grund und Boden war für die Klägerin nicht Bestandteil ihres notwendigen Betriebsvermögens, denn es wurde nicht unmittelbar für Zwecke des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt. Da andererseits aber auch keine Privatnutzung erfolgte, konnte es gewillkürtes Betriebsvermögen werden, wenn ein objektiver Förderungszusammenhang bestand.

Ein auf der Hofstelle oder in räumlicher Nähe zum Betrieb gelegenes Wohnhaus kann regelmäßig dem landwirtschaftlichen Betrieb dadurch dienen, daß es Betriebsangehörigen überlassen wird, es sei denn, die Beschäftigung von Landarbeitern wäre im Hinblick auf die geringe Größe des Betriebs ausgeschlossen (gl.A. Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, 3. Aufl. 1998, Kap. 24 Rz. 142). Im Streitfall hatte der Betrieb der Klägerin eine Größe, bei der die Beschäftigung von Arbeitnehmern nicht ausgeschlossen war, denn das FG hat solche Beschäftigungsverhältnisse ausdrücklich festgestellt. An der generellen Eignung zur Nutzung als Landarbeiterwohnung ändert sich nichts dadurch, daß die Klägerin nach Rückgang der Arbeitnehmerzahl eine größere Anzahl von Wohnungen im Betriebsvermögen hatte, als sie für ihre Arbeitnehmer benötigte. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, daß die hinzuerworbene Wohnung an einen später eingestellten Arbeitnehmer hätte vermietet werden können oder einer der vorhandenen Arbeitnehmer in diese Wohnung umgezogen wäre.

Entgegen der Auffassung der Revision ist der Erwerb eines solchen Wohnhauses nicht zu vergleichen mit dem vom erkennenden Senat in BFH/NV 1995, 288 entschiedenen Fall. Dort hatte der Landwirt ein unbebautes und nach den getroffenen Feststellungen nicht für den landwirtschaftlichen Betrieb nutzbares Grundstück erworben und mit einem Mietwohnhaus bebaut. Eine Willkürung des Grundstücks hielt der Senat wegen fehlenden Förderungszusammenhangs für nicht möglich. Demgegenüber ist vorliegend ein objektiver Förderungszusammenhang wegen der Nutzbarkeit als Landarbeiterwohnung gegeben, eine Willkürung zum Betriebsvermögen also möglich.

3. Die Klägerin hat das Wohnhaus mit zugehörigem Grund und Boden auch subjektiv dazu bestimmt, dem Betrieb zu dienen. Das ergibt sich aus der bilanziellen Behandlung als Betriebsvermögen, wie das FG zutreffend angenommen hat. Da die Willkürung eine innere Tatsache ist, kann sie nur anhand von Beweisanzeichen festgestellt werden (Senatsurteil in BFH/NV 1995, 288). Sie ergibt sich insbesondere daraus, daß eine Erfassung des Wirtschaftsguts in der Bilanz und eine Zuordnung der Aufwendungen und Erträge zu den Betriebsausgaben und -einnahmen stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteile vom 27. März 1968 I 154/65, BFHE 92, 217, BStBl II 1968, 522; vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294; vom 18. Oktober 1989 X R 99/87, BFH/NV 1990, 424), wie vorliegend unstreitig geschehen. Ohne Bedeutung für die Willkürung ist, ob das Wirtschaftsgut tatsächlich in einer den Besonderheiten der Landwirtschaft entsprechenden Weise betrieblich genutzt worden ist. Auf die zur Frage der "Integrierung" erhobene Aufklärungsrüge der Klägerin kommt es deshalb nicht an, so daß die Zulässigkeit der Rüge dahinstehen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422656

BFH/NV 2000, 317

HFR 2000, 254

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