Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Umfang der Rechtskraftwirkung des Zurechnungsfortschreibungsbescheids.

 

Normenkette

BewG § 22 Abs. 2; AO § 216 Abs. 1 Nr. 2, § 225a/1/2

 

Tatbestand

Es handelt sich um die Zurechnung des Einheitswerts für den landwirtschaftlichen Betrieb (Obsthof) des Beschwerdegegners (Bg.) auf den 21. Juni 1948. Laut übergabeverträgen vom 24. Oktober 1949 bzw. 7. Februar 1950 ist der Hof dem Bg. am 1. Juni 1949 übergeben. Das Finanzamt hat dem Bg. durch Zurechnungsfortschreibungsbescheid vom 3. Dezember 1949 den Betrieb mit Wirkung ab 1. Januar 1950 zugerechnet. Da sich eine Bestandsveränderung der Grundstücksfläche (vor dem 21. Juni 1948) ergab, wurde der auf den 1. Januar 1935 festgestellte Einheitswert durch Bescheid vom 5. August 1950 auf den 21. Juni 1948 fortgeschrieben. In diesem Bescheid wurde, wie das Finanzamt ausführt, irrtümlich der Bg. anstatt seines im Jahre 1950 verstorbenen Vaters als Eigentümer bezeichnet. Sowohl der Zurechnungsfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1950 als auch der Wertfortschreibungsbescheid auf den 21. Juni 1948 sind rechtskräftig geworden. Im November 1953 beantragte der Bg. unter Hinweis darauf, daß die beiden Bescheide hinsichtlich des Zurechnungsbeginns nicht miteinander übereinstimmten, eine Feststellung des Inhalts, daß ihm der Einheitswert des Hofes bereits mit Wirkung ab 21. Juni 1948 zuzurechnen sei. Er sei bereits vor 1949 wirtschaftlicher Eigentümer des Hofes gewesen. Das Finanzamt hat den Antrag durch Verfügungen vom 19. November und 29. Dezember 1953 abgelehnt. Es hat weiterhin den Wertfortschreibungsbescheid auf den 21. Juni 1948 durch Verfügung vom 7. Januar 1954 gemäß § 92 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) dahin berichtigt, daß Eigentümer des Hofes nicht der Bf., sondern dessen Vater war. Im April 1954 hat der Bg. gegen die Verfügungen vom 19. November und 29. Dezember 1953 Sprungberufung eingelegt. Der Vorsteher des FA hat seine Einwilligung gemäß § 261 AO erteilt. Das Finanzgericht hat die vom Bg. angegriffenen Verfügungen des Finanzamts vom 19. November und 29. Dezember 1953 ersatzlos aufgehoben. In den Gründen des angefochtenen Urteils wird ausgeführt, daß der Bg. bereits vor dem Währungsstichtag wirtschaftlich Eigentümer des Hofes gewesen sei. Gegen dieses Urteil wendet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Es wird geltend gemacht, daß der Bg. vor der vertraglichen übergabe des Hofes am 1. Juni 1949 lediglich Pächter gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt, allerdings aus anderen als den in ihr angeführten Gründen, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Auf Grund des rechtskräftigen Zurechnungsfortschreibungsbescheids vom 3. Dezember 1949 steht fest, daß der Hof dem Bg. ab 1. Januar 1950 zuzurechnen ist. Hierin liegt zugleich die negative Feststellung, daß ihm gegenüber der Einheitswert des Hofes nicht für einen früheren Zeitpunkt zuzurechnen war. Ob diese negative Wirkung im Streitfall deshalb entfällt, weil das Finanzamt nachher bei der Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 (irrtümlich) den Bg. als Hofeigentümer bezeichnet hat, kann dahingestellt bleiben. Denn dieser Fortschreibungsbescheid ist vom Finanzamt gemäß § 92 Abs. 3 AO berichtigt worden, so daß sich die Wertfortschreibung auf den Währungsstichtag danach auf den Vater des Bg. bezieht und insoweit nicht mehr mit dem Zurechnungsfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1950 auf den Bg. im Widerspruch steht. Gegen die berichtigte Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948 ist ein Rechtsmittel seitens des Bg. nicht eingelegt. Es ist nach Akteninhalt auch nicht anzunehmen, daß sich das Finanzamt etwa in einem Rechtsirrtum über die Person des Eigentümers am Währungsstichtag befunden und danach § 92 Abs. 3 AO zu Unrecht angewandt hätte. Hiernach kann also von der rechtskräftigen Feststellung ausgegangen werden, daß der Einheitswert des Hofes dem Bg. erst ab 1. Januar 1950 zuzurechnen war. Der Bg. hat nun eine Klarstellung des Finanzamts dahin erbeten, daß ihm der Hof bereits mit Wirkung ab 21. Juni 1948 zuzurechnen sei. Die Vorbehörden haben die rechtliche Natur des vom Bg. gestellten Antrags nicht geprüft. Nach Lage der Sache handelt es sich um ein Feststellungsbegehren dahin, daß anstatt der Zurechnung zum 1. Januar 1950 bereits eine solche zum 21. Juni 1948 dem Bg. gegenüber vorzunehmen gewesen sei. Für eine derartige Feststellung gegenüber den rechtskräftig gewordenen Einheitswertbescheiden auf den 1. Januar 1950 bzw. 21. Juni 1948 ist jedoch kein Raum. Es ist nicht zulässig, die Rechtskraft eines Zurechnungsfortschreibungsbescheids bzw. Wertfortschreibungsbescheids dadurch zu beseitigen, daß die Vornahme einer dem Inhalt dieser Bescheide entgegenstehenden Feststellung beantragt wird. Im übrigen sind Feststellungsbegehren dem steuerrechtlichen Verfahren grundsätzlich fremd und daher nicht als zulässig zu erachten, soweit nicht in besonderen Einzelfällen Ausnahmen vom Gesetzgeber selbst vorgesehen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs II 158/52 U vom 13. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 462, BStBl. 1954 Teil III S. 87). Soweit es sich also im Streitfall um ein Feststellungsbegehren des Bg. handelt, wäre es von vornherein unzulässig. Es könnte höchstens in Frage kommen, ob der Antrag des Bg. als Anregung zur Vornahme einer Berichtigungsfeststellung aufzufassen wäre. Eine Berichtigungsfeststellung hinsichtlich des Zurechnungsfortschreibungsbescheids zum 1. Januar 1950 bzw. des (berichtigten) Wertfortschreibungsbescheids auf den 21. Juni 1948 käme, wenn überhaupt wohl nur unter der Voraussetzung des § 222 Abs. 1 Ziff. 2, 4 AO in Betracht. Auf diese wesentlichen Gesichtspunkte ist die Vorinstanz nicht eingegangen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das Finanzamt zurück. Es wird dem Bg. Gelegenheit zur äußerung zu geben sein, ob sein Begehren auf Vornahme einer Berichtigungsfeststellung nach § 222 Abs. 1 AO gerichtet war und er Durchführung eines solchen Verfahrens wünscht, obgleich nach Lage der Sache die Erfolgsaussichten hierfür ungünstig liegen. Im weiteren Verfahren ist, falls der Bg. seinen Antrag aufrecht erhält, Einspruchsentscheidung zu erlassen (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 192/35 - Reichssteuerblatt 1936 S. 598).

 

Fundstellen

Haufe-Index 408282

BStBl III 1955, 316

BFHE 1956, 303

BFHE 61, 303

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